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»In welchem Bach sollen wir Wasser fassen, Drinian?« fragte Kaspian, als er im Heck des Bootes Platz nahm. »Es scheint zwei Bäche zu geben, die in die Bucht münden.«

»Es macht nicht viel Unterschied, Herr«, sagte Drinian. »Aber ich glaube, der Bach in Richtung Steuerbord, dort im Osten, liegt näher.«

»Es fängt an zu regnen!« bemerkte Lucy.

»Und ob!« bestätigte Edmund, denn es hatte schon angefangen, kräftig zu schütten. »Ich würde vorschlagen, zu dem anderen Bach zu rudern. Dort gibt es Bäume, und wir können uns unterstellen.«

»Ja, das sollten wir tun«, sagte Eustachius. »Wir brauchen nicht nasser zu werden als unbedingt nötig.«

Doch Drinian steuerte unentwegt nach steuerbord, so wie starrköpfige Autofahrer, die mit sechzig Stundenkilometern weiterfahren, während man ihnen erklärt, daß sie falsch gefahren sind.

»Mein Freund hat recht, Drinian«, sagte Kaspian.

»Warum wendet Ihr nicht und haltet auf den westlichen Bach zu?«

»Wie Eure Majestät wünscht«, entgegnete Drinian kurz angebunden. Von Landratten ließ er sich nicht gerne Ratschläge erteilen. Aber er änderte den Kurs, und später stellte sich heraus, daß er damit gut beraten gewesen war.

Ehe sie mit dem Wasserfassen fertig waren, hatte der Regen aufgehört, und Kaspian, Eustachius, Edmund, Lucy und Riepischiep faßten den Entschluß, zur Bergspitze hochzusteigen und sich umzuschauen. Es war eine anstrengende Kletterei durch grobes Gras und Heidekraut. Sie sahen keine Menschenseele und auch keine Tiere, abgesehen von ein paar Seemöwen. Als sie die Spitze erreichten, stellten sie fest, daß es nur eine kleine Insel war, die sich höchstens über zwanzig Morgen erstreckte. Von dieser Höhe sah das Meer größer und verlassener aus als vom Deck und selbst von der Kampfplattform der »Morgenröte« aus.

»Es ist verrückt«, sagte Eustachius leise zu Lucy und blickte zum östlichen Horizont. »Wir segeln und segeln weiter und haben keine Ahnung, wohin uns das führt.«

Aber er sagte das nur aus einer alten Gewohnheit heraus, und er meinte es nicht so böse wie noch vor einiger Zeit.

Es war zu kalt, um lange auf dem Bergkamm zu bleiben, denn der Wind blies noch immer kräftig von Norden.

»Laßt uns auf einem anderen Weg zurücklaufen«, sagte Lucy, als sie sich zum Gehen wandten. »Laßt uns noch ein Stück weitergehen und zu dem anderen Bach hinunterklettern, zu dem Drinian rudern wollte.«

Alle waren einverstanden, und nach etwa fünfzehn Minuten erreichten sie den Ursprung des anderen Baches. Es war eine interessantere Gegend, als sie erwartet hatten. Sie befanden sich an einem tiefen kleinen Bergsee, der – bis auf einen schmalen Durchlaß an der dem Meer zugewandten Seite, durch den das Wasser abfloß – ringsum von Felsen eingerahmt war. Hier war es endlich windstill, und so setzten sie sich ins Heidekraut, um sich auszuruhen.

Alle setzten sich, und nur einer (es war Edmund) sprang rasch wieder auf.

»Scharfkantige Steine gibt es hier auf der Insel!« rief er und suchte im Heidekraut herum. »Wo ist denn das blöde Ding?. Ach, da ist es ... Hoppla! Es ist gar kein Stein –es ist eine Schwertschneide. Nein, ach du liebe Güte, es ist ein ganzes Schwert oder zumindest das, was der Rost übriggelassen hat! Es muß schon ewig hier liegen!«

»Und ist sogar narnianisch, so, wie es aussieht«, sagte Kaspian, als sie es alle umstanden.

»Ich sitze auch auf etwas«, sagte Lucy. »Auf etwas Hartem.« Es entpuppte sich als die Überreste eines Harnischs. Inzwischen krochen alle auf Händen und Füßen herum und tasteten in allen Richtungen das dichte Heidekraut ab. Nach und nach kam folgendes zum Vorschein: ein Helm, ein Dolch und ein paar Münzen – keine kalormenischen Kreszents, sondern original narnianische »Löwen« und »Bäume«, wie man sie jeden Tag auf dem Marktplatz von Biberdamm oder Beruna sieht.

»Scheint so, als wäre das alles, was von einem unserer sieben Lords übriggeblieben ist«, sagte Edmund.

»Das habe ich auch gerade gedacht«, sagte Kaspian. »Welcher von ihnen es wohl gewesen sein mag? Auf dem Dolch ist nichts, woran man es erkennen könnte. Ich frage mich, wie er wohl gestorben ist.«

»Und wie wir ihn rächen können«, fügte Riepischiep hinzu.

Edmund, der einzige der Gruppe, der schon mehrere Kriminalromane gelesen hatte, hatte in der Zwischenzeit nachgedacht.

»Schaut mal!« sagte er. »Irgend etwas an dieser Sache ist sehr eigenartig. Er kann nicht im Kampf gestorben sein.«

»Warum nicht?« fragte Kaspian.

»Keine Knochen«, sagte Edmund. »Ein Feind würde vielleicht die Rüstung mitnehmen und den Körper liegen lassen. Aber hat schon irgend jemand etwas davon gehört, daß der Sieger in einem Kampf den Körper wegträgt und die Rüstung liegen läßt?«

»Vielleicht ist er von einem wilden Tier getötet worden?« schlug Lucy vor.

»Das müßte aber ein kluges Tier sein«, sagte Edmund, »wenn es einem Mann erst den Harnisch auszieht.«

»Vielleicht war es ein Drache?« schlug Kaspian vor.

»Unmöglich«, entgegnete Eustachius. »Ein Drache kann das nicht. Ich muß es ja schließlich wissen.«

»Laßt uns auf jeden Fall von hier weggehen«, meinte Lucy. Seit Edmund die Sache mit den Knochen angesprochen hatte, war ihr die Lust vergangen, sich hinzusetzen.

»Wenn du meinst«, sagte Kaspian und stand auf. »Ich glaube nicht, daß es sich lohnt, von diesen Sachen etwas mitzunehmen.«

Sie kletterten hinab zu dem kleinen Durchlaß, wo der Bach aus dem Teich trat, und schauten auf das tiefe, rundum von Felsen eingerahmte Wasser. Wenn es heiß gewesen wäre, dann wären einige bestimmt in Versuchung geraten, ein Bad zu nehmen, und alle hätten getrunken. Eustachius wollte sich gerade hinabbeugen und ein wenig Wasser mit den Händen herausschöpfen, als Riepischiep und Lucy im gleichen Moment riefen: »Schaut!« So vergaß er das Trinken und schaute.

Der Grund des Sees bestand aus großen graublauen Steinen, und das Wasser war vollkommen klar. Auf dem Grund lag eine lebensgroße Männergestalt, die offensichtlich aus Gold war. Sie lag mit dem Gesicht nach unten und hatte die Arme über den Kopf gestreckt. Und gerade als sie ihn anschauten, teilten sich die Wolken, die Sonne trat hervor und erleuchtete die goldene Figur in ihrer ganzen Länge. Es war die schönste Statue, die Lucy jemals gesehen hatte.

»Meine Güte!« Kaspian stieß einen Pfiff aus. »Der weite Weg hat sich doch gelohnt! Ob wir sie wohl herausbekommen?«

»Wir können danach tauchen, Herr«, sagte Riepischiep.

»Das geht nicht«, wandte Edmund ein. »Zumindest nicht, wenn es tatsächlich Gold – massives Gold – ist. Dann ist es viel zu schwer. Und dieser Teich ist mindestens vier oder fünf Meter tief. Aber Moment mal! Gut, daß ich einen Jagdspeer mitgenommen habe. Laßt sehen, wie tief es hier wirklich ist. Halte meine Hand fest, Kaspian, während ich mich vorbeuge.«

Kaspian nahm seine Hand, und Edmund lehnte sich vor und begann, seinen Spieß ins Wasser hinabzulassen.

Bevor er noch zur Hälfte verschwunden war, sagte Lucy: »Ich glaube nicht, daß die Statue aus Gold ist. Es ist nur das Licht. Dein Speer hat genau die gleiche Farbe.«

»Was ist los?« fragten mehrere Stimmen auf einmal, denn Edmund hatte den Speer ganz plötzlich losgelassen.

»Ich konnte ihn nicht mehr halten«, keuchte Edmund. »Er schien plötzlich so schwer zu sein.«

»Da liegt er jetzt auf dem Grund«, sagte Kaspian. »Und Lucy hat recht. Er hat genau die gleiche Farbe wie die Statue.«

Edmund, der offensichtlich mit seinen Stiefeln Schwierigkeiten hatte – er bückte sich gerade und untersuchte sie –, richtete sich plötzlich auf und rief mit scharfer Stimme: