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Es war schrecklich, denn sie konnte noch immer nichts sehen. Das ganze parkähnliche Gelände sah genauso ruhig und leer aus wie nach ihrer Landung. Trotzdem erklang nur ein paar Meter vor ihr eine Stimme. Und diese Stimme sagte: »Kameraden, jetzt ist unsere Chance gekommen!«

Ein ganzer Chor von anderen Stimmen antwortete: »Hört! Hört! Jetzt ist unsere Chance gekommen! Sehr gut, Boß! Ein wahres Wort!«

»Was ich sagen wollte, ist folgendes«, fuhr die erste Stimme fort. »Wir gehen hinunter zum Strand und stellen uns zwischen sie und ihr Schiff. Und daß mir jeder von euch eine Waffe hat! Dann schnappen wir sie, wenn sie ablegen wollen!«

»Ah, so ist es richtig!« riefen die anderen Stimmen. »Du hast dir noch nie einen besseren Plan ausgedacht, Boß! Mach weiter so, Boß! Du könntest keinen besseren Plan schmieden!«

»Strengt euch an, Kameraden, strengt euch an!« sagte die erste Stimme. »Los geht’s!«

»Ganz richtig, Boß«, sagten die anderen. »Du hättest uns keinen besseren Befehl erteilen können. Genau dasselbe wollten wir gerade auch sagen. Los geht’s!«

Sofort begann wieder das Stampfen – zuerst sehr laut, dann immer leiser und leiser, bis es in Richtung Meer verklang.

Lucy wußte, daß sie keine Zeit hatte, sitzen zu bleiben und zu überlegen, was dies wohl für unsichtbare Geschöpfe sein mochten. Sobald das Stampfen verklungen war, stand sie auf und rannte den Pfad entlang ihren Freunden hinterher, so schnell ihre Beine sie trugen. Sie mußten gewarnt werden, koste es, was es wolle.

In der Zwischenzeit hatten die anderen das Haus erreicht. Es war ein niedriges, einstöckiges Gebäude aus Steinen, in einer schönen sanften Farbe. Es war teilweise mit Efeu bewachsen, und es hatte viele Fenster. Alles war so still, daß Eustachius sagte: »Ich glaube, es steht leer.« Doch Kaspian deutete wortlos auf die Rauchsäule, die aus dem Kamin aufstieg.

Sie fanden ein breites, offenstehendes Tor und gingen hindurch in den gepflasterten Hof. Und hier sahen sie das erste Anzeichen dafür, daß auf dieser Insel etwas Eigenartiges vor sich ging. Mitten im Hof stand eine Pumpe, und darunter stand ein Eimer. Doch das war es nicht, was so eigenartig war. Der Pumpenschwengel ging auf und ab, obwohl niemand ihn zu bewegen schien!

»Hier ist Zauberei am Werk«, sagte Kaspian.

»Maschinen«, meinte Eustachius. »Ich glaube, wir sind endlich in einem zivilisierten Land angekommen.«

In diesem Augenblick kam Lucy erhitzt und atemlos in den Hof gerannt. Mit leiser Stimme versuchte sie ihnen klarzumachen, was sie mit angehört hatte. Und als sie es mehr oder weniger verstanden hatten, sah auch der Mutigste unter ihnen nicht mehr sehr glücklich aus.

»Unsichtbare Feinde«, brummte Kaspian. »Und sie wollen uns den Weg zum Schiff abschneiden. Das ist eine schlimme Geschichte.«

»Du hast keine Ahnung, was für eine Art Geschöpfe es sind, Lu?« fragte Edmund.

»Woher soll ich das wissen, Ed, wo ich sie doch nicht sehen konnte?«

»Haben sich ihre Schritte wie die von Menschen angehört?«

»Ich habe keine Schritte gehört, nur Stimmen und dieses schreckliche Dröhnen und Stampfen – wie von Schlegeln!«

»Ich frage mich«, sagte Riepischiep, »ob sie sichtbar werden, wenn man sie mit einem Schwert durchbohrt?«

»Es sieht so aus, als würden wir das bald erfahren«, entgegnete Kaspian. »Aber wir sollten besser hinausgehen! Dort an der Pumpe steht einer von diesem Pack, und er hört jedes Wort, das wir sagen.«

Sie gingen hinaus und auf den Pfad zurück, wo sie durch die Bäume vielleicht ein wenig geschützt waren. »Nicht, daß uns das viel nützt«, sagte Eustachius, »wenn man sich vor Leuten versteckt, die man nicht sehen kann. Vielleicht sind sie überall um uns herum.«

»Nun, Drinian«, sagte Kaspian. »Wie wäre es denn, wenn wir das Boot aufgeben, an eine andere Stelle der Bucht gehen und der ›Morgenröte‹ signalisieren würden, uns dort an Bord zu nehmen?«

»Die Bucht ist zu flach für die ›Morgenröte‹ Herr«, wandte Drinian ein.

»Wir könnten schwimmen«, schlug Lucy vor.

»Eure Majestäten«, sagte Riepischiep. »Hört zu! Es ist eine Torheit, anzunehmen, man könne einem unsichtbaren Feind aus dem Weg gehen, indem man herumschleicht und sich versteckt. Wenn uns diese Geschöpfe in einen Kampf verwickeln wollen, gelingt ihnen das auch. Und was immer auch passieren mag – ich trete ihnen lieber von Angesicht zu Angesicht gegenüber, als daß ich mich von hinten überraschen lasse.«

»Ich glaube, diesmal hat Riep wirklich recht«, sagte Edmund.

»Wenn Rhince und die anderen von der ›Morgenröte‹ aus sehen, daß wir an Land kämpfen, dann können sie doch sicher irgend etwas unternehmen!« wandte Lucy ein.

»Aber sie werden uns nicht kämpfen sehen, wenn sie den Feind nicht sehen können«, sagte Eustachius unglücklich. »Sie werden denken, wir fuchteln nur so zum Spaß mit den Schwertern herum.«

Alle schwiegen betroffen.

»Nun«, meinte Kaspian schließlich. »Laßt uns beginnen! Wir müssen ihnen gegenübertreten. Schüttelt euch die Hände, leg den Pfeil an, Lucy, und die anderen ziehen das Schwert – und dann los! Vielleicht können wir mit ihnen verhandeln.«

Es war eigenartig, auf dem Marsch zum Strand die friedlich daliegenden Bäume und Rasenflächen zu sehen. Und als sie am Ufer ankamen und das große Boot sahen, das noch immer dort lag, wo sie es zurückgelassen hatten, und den glatten, völlig menschenleeren Sand, da fragten sie sich, ob sich Lucy nicht alles nur eingebildet hatte. Aber noch bevor sie den Sand betraten, erklang eine Stimme.

»Nicht weiter, meine Herren, nicht weiter«, sagte die Stimme. »Wir müssen erst mit euch reden. Wir sind über fünfzig Mann, und wir haben alle eine Waffe in der Hand.«

»Hört, hört!« erklang ein Chor von Stimmen. »Das ist unser Boß! Man kann sich darauf verlassen, was er sagt. Er sagt die Wahrheit, jawohl, das tut er!«

»Ich sehe keine fünfzig Krieger«, bemerkte Riepischiep.

»Das ist richtig, das ist richtig«, sagte die Anführerstimme. »Ihr seht uns nicht. Und warum nicht? Weil wir unsichtbar sind.«

»Weiter so, Boß, weiter so!« ertönten die anderen Stimmen. »Du sprichst wie ein Buch. Sie hätten keine andere Antwort erwarten können.«

»Ruhig, Riep«, flüsterte Kaspian und fügte dann etwas lauter hinzu: »Was wollt ihr von uns, ihr unsichtbaren Leute? Und was haben wir getan, daß ihr uns als Feinde gegenübertretet?«

»Wir wollen, daß euer kleines Mädchen etwas für uns tut«, entgegnete die Anführerstimme. (Die anderen erklärten, daß dies genau das war, was sie hatten sagen wollen.)

»Kleines Mädchen?« fragte Riepischiep. »Die Dame ist eine Königin.«

»Von Königinnen verstehen wir nichts«, antwortete die Anführerstimme. (»Nein, überhaupt nichts, nein, überhaupt nichts«, fielen die anderen ein.) »Aber sie muß etwas für uns tun.«

»Und was?« fragte Lucy.

»Wenn es etwas ist, was gegen die Ehre oder gegen die Sicherheit Ihrer Majestät gerichtet ist«, fügte Riepischiep hinzu, »dann werdet ihr euch wundern, wie viele von euch wir erledigen, bevor wir selber sterben.«

»Nun«, sagte die Anführer stimme. »Es ist eine lange Geschichte. Ich schlage vor, daß wir uns alle hinsetzen.«

Die anderen Stimmen stimmten diesem Vorschlag begeistert zu, doch die Narnianen blieben stehen.

»Nun«, sagte die Anführer stimme. »Es ist so. Diese Insel ist seit ewigen Zeiten im Besitz eines großen Zauberers. Und wir alle sind – oder vielleicht sollte ich sagen waren – seine Diener. Nun, um es kurz zu machen, dieser Zauberer, von dem ich sprach, befahl uns, etwas zu tun, was wir nicht tun wollten. Da wurde der Zauberer furchtbar wütend, denn ihm gehörte die Insel, und er war nicht an Widerspruch gewöhnt. Er fackelte nicht lange, ging hinauf (ihr müßt wissen, daß er all seine Zaubersachen dort oben aufbewahrte, und wir wohnten unten), also er ging hinauf und legte einen Fluch auf uns. Einen Fluch, der uns häßlich gemacht hat. Wenn ihr uns jetzt sehen könntet – meiner Meinung nach solltet ihr Gott danken, daß ihr das nicht könnt –, dann würdet ihr nicht glauben, wie wir vorher ausgesehen haben. Plötzlich waren wir so häßlich, daß wir uns gegenseitig nicht mehr anschauen mochten. Also was taten wir dann? Nun, ich sage euch, was wir taten. Wir warteten bis zum Nachmittag, bis dieser Zauberer eingeschlafen war, dann schlichen wir todesmutig nach oben zu seinen Zauberbüchern, um herauszufinden, ob wir gegen unsere Häßlichkeit etwas tun könnten. Wir haben alle vor Angst geschlottert, das will ich nicht leugnen. Aber ihr könnt es glauben oder nicht – ich versichere euch, daß wir keinen Zauberspruch fanden, der unsere Häßlichkeit beseitigt hätte. Und da es immer später wurde und wir Angst hatten, der alte Herr könne jede Minute aufwachen – also, kurz und gut, zuletzt fanden wir einen Zauberspruch, der unsichtbar macht, und wir dachten, wir wollten lieber unsichtbar sein, als weiterhin so häßlich zu bleiben. Also sagt mein kleines Mädchen, das etwa genauso alt ist wie euer kleines Mädchen und das ein süßes Kind war, bevor es so häßlich wurde – aber je weniger man darüber spricht, desto besser –, also mein kleines Mädchen sagt den Zauberspruch, denn es muß ein kleines Mädchen sein oder der Zauberer selbst, wenn ihr versteht, was ich meine, denn sonst funktioniert es nicht. Also sagt meine Clipsie den Zauberspruch, und plötzlich waren wir alle so unsichtbar, wie man es sich nur wünschen kann. Und ich versichere euch, daß es eine Erleichterung war, unsere Gesichter nicht mehr sehen zu müssen. Zumindest zuerst. Aber kurz und gut – wir haben mehr als genug davon, unsichtbar zu sein. Und da ist noch etwas. Wir hätten nie gedacht, daß der Zauberer, von dem ich euch vorher erzählt habe, auch unsichtbar werden würde. Aber wir haben ihn seither nicht mehr gesehen. Deshalb wissen wir nicht, ob er tot ist oder ob er droben sitzt und einfach unsichtbar ist, oder ob er herunterkommt und auch da unsichtbar ist. Und glaubt mir, es nutzt nichts, zu lauschen, denn er ist schon immer auf bloßen Füßen herumgelaufen und hat nicht mehr Geräusche gemacht als eine große Katze. Und ich sage euch klipp und klar – das ist mehr, als unsere Nerven ertragen können.«