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Geary hatte sein Display auf einen vergrößerten Ausschnitt gerichtet, der die Überreste einer Stadt auf dieser Welt darstellte. Einige wenige Ruinen ragten aus dem Trümmerfeld heraus, die Stadt an sich war auf Schutt- und Geröllhaufen reduziert worden. Das Ganze war mit einer unnatürlich wirkenden Klarheit zu sehen, wie sie möglich war, wenn etwas nicht von einer störenden Atmosphäre umgeben wurde. »Lässt sich sagen, wie viele Schiffe sich hier aufgehalten haben?«

»Nein, Sir. Die Sensoren haben zwar Trümmer entdeckt, die im Orbit treiben, aber die sind so weit verstreut und so verdreht, dass man daraus keine Rückschlüsse mehr ziehen kann. Dieser Syndik-Offizier von dem Schweren Kreuzer hatte davon berichtet, dass es das einzige größere Kriegsschiff im System war. Nach den Schäden zu urteilen, die dieser Kreuzer davongetragen hatte, lässt sich sagen, dass kein Leichter Kreuzer und kein Jäger das hier überlebt haben kann. Schiffe ohne Panzerung und ohne Schilde nach Militärstandard hatten überhaupt keine Chance.«

Desjani zeigte auf das Bild von Kalixa. »In welchem Zustand befindet sich der Stern?«

»Höchst instabil. Aber da so viel von seiner solaren Masse weggerissen wurde, ist er selbst nicht auch noch zur Nova geworden. In diesem Sternensystem ist auf lange Sicht kein Leben möglich, Captain.«

Mit versteinerter Miene sah sie Geary an. »Einhundert Millionen Menschen. Diese Kerle haben auf einen Schlag einhundert Millionen Menschen umgebracht. Mir ist egal, ob das einhundert Millionen Syndiks waren, aber so etwas darf sich nicht wiederholen.«

Hatten die Aliens gewusst, wie viele Menschen hier gelebt hatten? War es ihnen egal gewesen? »Zumindest können sie das in keinem System wiederholen, dessen Portal mit einer Schutzvorrichtung versehen ist.«

»Bis sie einen Weg finden, um die Schutzvorrichtung zu umgehen.« Da Desjani merkte, dass die Wachhabenden auf der Brücke neugierig in ihre Richtung schauten und herauszufinden versuchten, was ihre Äußerung zu bedeuten hatte, beugte sie sich zu Geary hinüber, um in dessen virtuelle Privatsphäre einzutauchen. »Die Aliens dürfen nicht glauben, dass sie mit so etwas ungestraft davonkommen können. Lakota war schon schlimm genug, aber wenigstens waren es da andere Menschen, die den Auslöser betätigt haben. Das hier ist dagegen das Werk der Aliens.«

»Das sehe ich auch so. Wir müssen sie aufhalten.« Er atmete tief durch und dachte einen Moment lang darüber nach, dass diese Bilder der Verwüstung ihn für alle Zeit begleiten würden. »Madam Co-Präsidentin, sorgen Sie bitte dafür, dass die Senatoren Costa und Sakai sich dieses Sternensystem ganz genau ansehen. Ich möchte, dass ihnen wirklich bewusst ist, wie ein Krieg aussehen würde, der mit kollabierenden Hypernet-Portalen geführt wird.«

»Ja, Admiral Geary«, bestätigte Rione, die ungewöhnlich bedrückt klang.

»Captain Desjani, lassen Sie Kurs auf den Sprungpunkt nach Indras nehmen. Ich will hier keine Sekunde länger bleiben als unbedingt nötig.«

»Lieber würde ich um ein Schwarzes Loch herumfliegen«, stimmte Desjani ihm zu.

Abgesehen davon, dass das System deutlich vor Augen führte, welchem Schicksal die Menschheit in zahllosen weiteren Sternensystemen nur um Haaresbreite entgangen war, erteilte Kalixa auch jeder übermäßig guten Laune einen Dämpfer. Alle wurden auf drastische Weise daran erinnert, welche Risiken trotz allem immer noch auf sie lauerten, wenn sie sich einen Fehler leisteten und scheiterten. Während Geary die Reaktionen der Besatzungsmitglieder um ihn herum beobachtete, überlegte er unwillkürlich, was sie sagen oder tun würden, wenn sie wüssten, dass dies hier kein Unfall oder irgendein Fehler seitens der Syndiks, sondern ein vorsätzlicher Akt gewesen war. So abstoßend er die Zerstörung von Kalixa auch empfand, musste er sich fragen, ob seine größte Herausforderung womöglich darin bestand, die Aliens in ihre Schranken zu verweisen, ohne einen Vergeltungsfeldzug der Menschen gegen sie auszulösen.

Seinen ersten Gedanken, dass die Aliens für dieses Verbrechen bezahlen mussten, würde vermutlich jeder Mensch teilen. Aber ein Angriff auf die Aliens, der im Gegenzug zur Auslöschung weiterer von Menschen bewohnter Systeme führte, konnte nur einen neuen Teufelskreis aus Schlag und Gegenschlag, aus Rache und Vergeltung nach sich ziehen. Und solange sie nicht mehr über die Fähigkeiten der Aliens wussten und niemand zu sagen vermochte, ob sie – wie von Desjani spekuliert – über andere Mittel verfügten, um ganze Sternensysteme im Handumdrehen zu verwüsten, war ein Vergeltungsschlag einfach zu riskant. So gern ich jemanden dafür bezahlen lassen würde, können wir im Moment doch nur alles versuchen, um eine Wiederholung zu verhindern und mehr über diejenigen in Erfahrung zu bringen, die das hier zu verantworten haben. Vielleicht kann ja unser mitreisender Syndik etwas dazu beitragen, unsere Kenntnisse zu erweitern.

Er ließ den Syndik-CEO Boyens wieder aus der Arrestzelle in den Verhörraum bringen. »Wir wissen, dass Ihre Reserveflotte Varandal angegriffen hat, um Vergeltung für den Zusammenbruch des Portals im Kalixa-System zu üben«, sagte Geary. »Sie müssen doch gewusst haben, dass das nicht das Werk der Allianz war.«

»Nein, das wussten wir nicht«, stritt Boyens ab. »Wer sollte es denn sonst gemacht haben?«

»Sie sind doch derjenige, der so viele Jahre quasi Tür an Tür mit den Aliens gelebt hat.«

Der CEO sah Geary lange Zeit an, als versuche er, einen Zusammenhang zwischen dem Kollaps des Portals und der letzten Aussage herzustellen. »So weit sind die nie in das Gebiet der Syndikatwelten vorgedrungen. Außerdem haben wir die Aufzeichnung vom Zusammenbruch begutachtet, die Kreuzer C-875 bei Heradao ausgelöst hat. Da gab es keinen Hinweis auf einen Angriff der Aliens auf das Portal. Die Aliens können das nicht herbeigeführt haben. Aber wir wissen, dass Sie mindestens ein Hypernet-Portal in einem Sternensystem der Syndikatwelten haben zusammenbrechen lassen.«

»Reden Sie von Sancere?«, wollte Geary wissen. »Wo wir einen Kollaps aufhalten mussten, der von Syndik-Kriegsschiffen in Gang gesetzt worden war? Wo wir verhindert haben, dass dort alles das gleiche Ende nimmt wie hier bei Kalixa? Oder meinen Sie Lakota, wo Syndik-Schiffe das Portal zerstörten, während diese Flotte etliche Lichtstunden entfernt war?«

Boyens schob trotzig den Unterkiefer vor. »Ich habe Aufzeichnungen gesehen, ich weiß, dass Ihre Schiffe auf das Hypernet-Portal bei Sancere gefeuert haben.«

»Um einen kontrollierten und damit sicheren Zusammenbruch herbeizuführen. Aber wenn Sie die Aufzeichnungen kennen, die dieser Schwere Kreuzer von Kalixa mitgebracht hat, dann wissen Sie, dass sich bei Kalixa kein Kriegsschiff der Allianz-Flotte aufgehalten hat, als dieses Portal hier kollabierte.«

»Das scheint zu stimmen.« Boyens legte die Stirn in Falten und sah nachdenklich auf das Deck. »Die Allianz-Flotte war nahe genug, um das ausgelöst zu haben. Das war unsere Überlegung. Sie haben die Aliens erwähnt, aber die haben in der ihnen zugewandten Grenzregion nie ein Hypernet-Portal zusammenbrechen lassen. Wenn sie uns angreifen wollten, warum sollten sie das dann so weit von ihrer eigenen Grenze entfernt machen?«

Irgendetwas ging da vor sich, überlegte Geary, als das Gespräch beendet war. Etwas, das weitaus bedeutender war als der Gedanke, dass die Syndiks der Allianz den Zusammenbruch der Hypernet-Portale bei Kalixa und Sancere in die Schuhe zu schieben versuchten. Es hatte irgendetwas damit zu tun, wie die Syndiks über die Aliens dachten. Da er einfach nicht dahinterkam, um was es ging, schob er den halbfertigen Gedanken in eine Ecke seines Gedächtnisses, damit er später noch einmal darauf zurückkommen konnte.

Es dauerte dreieinhalb Tage, um den Sprungpunkt nach Parnosa zu erreichen. Als die Ruinen von Kalixa dem grauen Nichts des Sprungraums wichen, konnte Geary nahezu spüren, wie sich eine Welle der Erleichterung ihren Weg durch die Dauntless bahnte. Er selbst entspannte sich auch, da er wusste, dass ein langer Sprung vor der Flotte lag. Achteinhalb Tage und damit fast das äußerste Limit der normalen Reichweite des Sprungantriebs. In einer Woche würde der eigenartige Druck des Sprungraums die Besatzungsmitglieder nervös und gereizt reagieren lassen, aber Geary ging nicht davon aus, dass das zu echten Problemen führen würde.