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Er lehnte sich zurück und atmete schnaubend aus. »Was erwarten Sie von mir, Jane? Sind Sie als meine Großnichte hier oder als eine der mir unterstellten Commander? Verdammt, Sie sind meine nächste noch lebende Verwandte.«

»Viele von uns sind in diesem Krieg gestorben.« Sie schaute ihn wieder an. »Sagen Sie mir die Wahrheit: Hat Michael sich freiwillig für dieses Himmelfahrtskommando gemeldet? Oder haben Sie es ihm vorgeschlagen?«

»Er hat sich freiwillig gemeldet. Ich hatte noch genug damit zu tun, mich an die Tatsache zu gewöhnen, dass ich das Kommando über die Flotte hatte. Ich war noch gar nicht bereit, jemanden… jemandem einen solchen Befehl zu erteilen.«

Jane Geary schien ein wenig in sich zusammenzusinken und kniff kurz die Augen zu. »Er war alles, was ich noch hatte, und Sie haben ihn im Heimatsystem der Syndiks zurückgelassen.«

»Ja, das habe ich.« Er würde es nicht auf den Druck des Kommandos oder auf seine Pflicht gegenüber der Flotte schieben. Nichts davon würde etwas daran ändern, was er getan hatte. »Ich hoffe immer noch, dass er überlebt hat und dass wir ihn wiedersehen werden.«

»Sie wissen, wie schlecht die Chancen dafür stehen.«

»Ja, das weiß ich.« Er bemerkte einen bitteren Geschmack im Mund. »Viele haben es nicht nach Hause geschafft. Es tut mir leid.«

Sie lehnte sich nach vorn und sah ihn mit großen Augen eindringlich an. »Wir beide haben Sie gehasst. Wir konnten nie unser eigenes Leben leben. Als wir noch Kinder waren, gab es bei uns ein Spiel. Einer von uns war Black Jack, der böse Schwarze Mann, der den anderen jagt, um ihn zu fangen und mit sich in den Krieg zu nehmen. Michael haben Sie schon erwischt, und nun mich auch noch, nicht wahr?«

»Ich bin nicht Black Jack. Ich will diesem Krieg ein Ende setzen. Es tut mir leid, was Ihnen und Michael passiert ist, was allen Gearys passiert ist, die dazu gezwungen worden sind, in meine angeblichen Fußstapfen zu treten und in den Krieg zu ziehen. Aber ich schwöre bei der Ehre unserer Vorfahren, ich wäre niemals damit einverstanden gewesen, dass eine Legende um mich herum entsteht, die mich zu jemandem macht, der ich nie war. Ich habe diese Dinge nicht getan, aber ich bedauere trotzdem, was diese Legende Menschen wie Ihnen und Michael angerichtet hat.«

Wieder saß Jane Geary eine Weile schweigend da. »Haben Sie jemandem von dieser Nachricht von Michael erzählt?«

Er wollte verneinen, doch dann wurde ihm klar, dass er das nicht konnte. »Nur einer Person.«

»Ich kann mir schon denken, wer das war.« Sie schaute sich um, als erwarte sie, irgendwo Tanya Desjani zu sehen. »Und was soll ich nun machen, Admiral?«

»Fragen Sie mich das als meine Nichte oder als Captain Jane Geary?«

»Als Ihre Nichte. Captain Jane Geary kann ein völlig professionelles Verhältnis wahren. Ich weiß, wie man das macht.«

Er stutzte, da ihm die gar nicht so unterschwellige Anspielung auf Desjani nicht entgangen war. »Da sind Sie nicht die Einzige.«

Daraufhin entspannte sie sich ein wenig. »Entschuldigen Sie bitte. Es war nicht so gemeint, wie es rausgekommen ist. Mir ist nichts zu Ohren gekommen, was auf ein ungebührliches Verhalten von Ihrer oder von anderer Seite hingedeutet hat. Aber in Kürze werden wir ins Hypernet der Syndiks überwechseln, und dann wird keine Kommunikation mehr möglich sein. Danach könnten wir unmittelbar in Kämpfe verwickelt werden, deshalb wollte ich diese vielleicht letzte Gelegenheit nutzen, um mit Ihnen zu reden. Schließlich könnte es sein, dass einer von uns anschließend nicht mehr da ist.«

»Danke.« Geary entspannte sich. »Seien Sie bitte für eine Weile meine Nichte. Ich weiß nicht, ob ich mir vorstellen kann, wie es gewesen sein muss, im Schatten von Black Jack aufzuwachsen und dabei ständig von diesem Krieg begleitet zu werden. Daran kann ich nichts ändern, genauso wenig wie an den anderen Dingen, die sich zugetragen haben, als ich im Kälteschlaf lag. Aber ich möchte wiedergutmachen, so viel nur geht. Sie müssen wissen, ich…« Einen Moment lang brachte er keinen Ton heraus, da er in ihrem Gesicht Züge seines Bruders wiederfand. Die meiste Zeit über konnte er so tun, als hätte sich zu Hause nichts verändert, dass sein Bruder daheim in Glenlyon seiner Arbeit nachging und dass seine Eltern immer noch lebten. Aber wenn er Jane Geary gegenübersaß, konnte er das nicht.

Sie beobachtete ihn, dann schien sie das Thema wechseln zu wollen. »Als wir beide noch Lieutenants waren, habe ich eine Weile unter Captain Kila gedient.«

Dieser Name weckte prompt Erinnerungen, die seine anderen Gedanken verdrängten. »Mein Beileid. Das muss unangenehm gewesen sein.«

»Das war es auch«, bestätigte Jane Geary. »Hätten Sie sie erschossen?«

»O ja, an ihren Fingern klebte Allianz-Blut.«

»Captain Falco habe ich auch gekannt«, fuhr sie fort.

Er verzog kurz den Mund. »Er… starb einen ehrenvollen Tod.«

Etwas an seinen Antworten schien sie zufriedenzustellen, da sie abermals nickte. »Es gibt da etwas, das ich Ihnen erzählen muss. Ich habe auch eine Nachricht für Sie. Ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich Ihnen das erst jetzt sage.«

Solche Worte hätte er von ihr nicht erwartet. »Eine Nachricht?«

»Als ich noch ein junges Mädchen war, haben wir einmal abends meinen Großvater besucht, also Ihren Bruder. Er stand draußen und sah hinauf zu den Sternen. Ich fragte ihn, was er da macht, und er sagte, dass er etwas sucht. Daraufhin fragte ich, was er denn sucht, und er antwortete: ›Meinen Bruder. Er fehlt mir. Wenn du ihm da oben irgendwo mal begegnen solltest, dann richte ihm von mir aus, dass er mir fehlt.‹«

Sekundenlang war er von ihren Worten so überwältigt, dass er seine Trauer vergaß und Jane nur anschaute. »Das hat er Ihnen gesagt?«

»Ja. Ich habe nie ein Wort davon vergessen, obwohl ich nicht davon ausgegangen bin, diese Nachricht tatsächlich eines Tages zu überbringen.« Sie seufzte leise. »Ich hätte Ihnen das schon früher ausrichten sollen. Er hat uns immer gesagt, dass Sie genauso waren, wie es die Legende besagt. Absolut vollkommen und der größte Held aller Zeiten.«

»Mike hat das gesagt? Dass ich vollkommen bin?«

»Ja.«

Unwillkürlich musste er lachen. »Das hat er mir aber nicht gesagt, als er… als er noch lebte. Verdammt, er ist tot. Er ist schon eine Ewigkeit tot, so wie alle anderen auch.« Monatelanges Leugnen stürzte auf ihn ein, er sank in sich zusammen und vergrub das Gesicht in seinen Händen.

Schließlich brach Jane Geary die Stille. »Es tut mir leid. Ich muss Ihnen auch noch etwas anderes sagen. Michael und ich, wir haben nie richtig an Sie geglaubt. Black Jack war ein Mythos. Aber wir haben uns geirrt.«

Das riss ihn aus seiner Trauer. »Nein, Sie haben sich nicht geirrt. Black Jack ist ein Mythos. Ich bin nur ich selbst.«

»Ich habe mir die Aufzeichnungen angesehen, seit Sie das Kommando übernommen haben, und ich habe mich mit den Offizieren dieser Flotte unterhalten! Ich hätte nicht das leisten können, was Sie geschafft haben, und es wäre auch keinem anderen gelungen.« Sie hielt kurz inne, dann platzte sie plötzlich heraus: »Seit Ihrer Wiederkehr haben Sie doch mit unseren Vorfahren gesprochen, nicht wahr? Fühlen Sie, ob Michael noch lebt?«

Geary ballte die Faust und schlug auf die Armlehne. »Ich weiß es nicht. Meine Vorfahren haben mir nie ein klares Gefühl vermittelt, das in die eine oder andere Richtung geht.«

Fast erleichtert nickte sie. »So geht es mir auch. Sie wissen, was das heißt, nicht wahr?«

»Nein, das weiß ich nicht.«

»Tatsächlich nicht? Es kann bedeuten, dass ein Leben auf Messers Schneide steht. Es kann bedeuten, dass Ihre Entscheidungen und Ihr Handeln etwas bewirken können, dass sie darüber entscheiden, ob diese Person gestorben ist oder noch lebt.«

»Das habe ich noch nie gehört.« Offenbar hatte sich der Glaube in den letzten hundert Jahren auch verändert, aber auch das war kein Wunder. Immerhin gab es so viele Kriegsgefangenen, über deren Schicksal man nichts erfuhr, dass die Angehörigen nach jedem Strohhalm greifen mussten, um nicht die Hoffnung zu verlieren.