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»Aber…« Er hielt inne und dachte darüber nach. Rione hatte erklärt, nichts über die Aliens zu wissen, und das hatte er ihr geglaubt, auch wenn er davon überzeugt war, dass sie ihn belügen würde, wenn sie es für notwendig hielt, um die Allianz zu beschützen. Aber Rione hatte auch zugegeben, dass der Große Rat durchaus Dinge wissen konnte, die er nicht einmal dem übrigen Senat anvertraute. »Also gut, das klingt plausibel.« In dem Moment bemerkte er bei Desjani einen Gesichtsausdruck, den er nicht deuten konnte. »Was ist?«

Sie schwieg beharrlich, woraufhin Duellos seufzend erklärte: »Captain Desjani hat die Wahrheit gesagt. Die Flotte wird Ihnen keine Schuld geben. Nicht in diesem Punkt und auch nicht in anderen Punkten. Dafür glauben alle viel zu sehr an Sie. Wenn doch etwas schiefgeht, muss ein anderer schuld sein. Manchmal sind das die Politiker, manchmal aber auch die militärischen Berater.«

Es dauerte einen Moment, ehe Geary verstand. »Sie? Sie drei?«

»Überrascht Sie das?«, fragte Desjani. »Sie haben doch diesen Dummkopf Badaya gehört. Solange ich das Richtige mache, sollten Sie glücklich sein und in die richtige Richtung gelenkt werden. Wessen Schuld ist es wohl, wenn Sie unglücklich sind?« Die letzten Worte schrie sie fast hinaus, dann verstummte sie und schaute vor sich auf den Tisch. Ihr Gesicht war rot angelaufen.

»Oder wenn Sie versagen?«, beendete Duellos das erneute Schweigen. »Zumindest erwartet von mir niemand, dass ich dafür sorge, dass Sie glücklich sind.«

»Sie sind ein freundlicher Mann, Roberto. Vielleicht sollten Sie es mal versuchen«, schlug Tulev vor und gab damit zum ersten Mal etwas von sich, was einem Witz gleichkam. »Admiral, das ist einfach die Kehrseite der Medaille. Viele sehen in uns diejenigen, denen Sie am stärksten vertrauen. Das ist ein Status, um den uns viele beneiden. Aber wenn Sie scheitern, wird jeder davon ausgehen, dass wir Sie nicht gut beraten haben.«

Na, großartig. Da hatte er alles versucht, um nicht den Eindruck zu erwecken, er würde irgendjemand begünstigen, und dabei war es offenbar schon genug gewesen, sich für Ratschläge auf bestimmte Offiziere zu verlassen. Was war womöglich noch alles so offensichtlich, ohne dass er es merkte?

In harschem Tonfall sprach Desjani, ohne den Blick von der Tischplatte abzuwenden: »Ich habe keine Angst davor, mich für meine dienstlichen Ratschläge zu rechtfertigen, die ich dem Admiral gebe.«

»Das sollen Sie auch gar nicht«, stimmte Duellos ihr zu.

Wieder machte sich betretenes Schweigen breit, dem Geary ein jähes Ende setzte. »Ich danke Ihnen allen. In etwa einer Stunde werde ich eine Flottenbesprechung einberufen und die Neuigkeit bekanntgeben. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, dass Sie drei unter mir dienen.«

Die virtuellen Bilder von Duellos und Tulev salutierten, wobei Duellos fast übermütig wirkte, während Tulev ruhig und präzise agierte. Dann verschwanden beide Männer aus dem Raum.

Desjani stand auf, ohne ihn anzusehen. »Wenn Sie gestatten, Sir.«

»Ja, natürlich.« Ihm gingen tausend Dinge durch den Kopf, die er ihr hätte sagen wollen, aber die meisten davon hätten vermutlich eine völlig verheerende Wirkung gehabt. Er war sich nicht einmal sicher, ob auch nur ein einziger dieser Gedanken nicht verkehrt gewesen wäre.

Dann aber war sie diejenige, die noch etwas anzufügen hatte, auch wenn sie dabei den Tisch nicht aus den Augen ließ. »Sie haben es nicht erwähnt, aber ich weiß, dass Sie Ihr Versprechen mir gegenüber eingelöst haben. Die Flotte ist heimgekehrt, der Krieg ist vorüber. Sie haben sich nicht dazu verpflichtet, sich das hier – die Aliens, der Trümmerhaufen der Syndikatwelten – auch noch anzutun.«

»Ich würde jetzt nicht einfach weggehen. Ich weiß, ich werde noch gebraucht.« Geary fragte sich, wann sich wohl seine Einstellung geändert hatte, wann ihm bewusst geworden war, dass er eine Flucht vor seiner Verantwortung nicht länger als ehrbar oder als realistisch ansehen konnte. Es ging einfach nicht, dass er die eine Mission ausführte und die Sache danach auf sich beruhen ließ, weil jede neue Mission nahtlos in die nächste Mission überging. »Ich habe eine Verpflichtung gegenüber der Allianz und gegenüber meinen Kameraden in der Flotte.«

»Allen Kameraden?«

»Allen Kameraden. Ich wünschte nur, meine Gegenwart würde nicht einigen von ihnen das Leben schwerer machen, ganz besonders einer Kameradin, die nicht meinetwegen irgendetwas über sich ergehen lassen sollte.«

»Ich bin ja nicht ganz schuldlos. Vielleicht muss ich diese Dinge über mich ergehen lassen, weil sie der Preis sind für… für das, was unausgesprochen bleiben muss.« Dann endlich sah sie ihn an. »Was ist passiert? Warum wollen Sie nicht mehr gehen?«

Er zuckte mit den Schultern, die Frage war ihm unangenehm. »Ich bin mir nicht sicher, aber zu einem großen Teil hat es damit zu tun, dass ich Leute wie Sie, Duellos und Tulev beobachten konnte. Keiner von Ihnen hat aufgegeben, Sie kommen alle Ihrer Pflicht nach, obwohl Sie in diesen Krieg buchstäblich hineingeboren wurden. Sie sind ein großartiges Vorbild dafür, das Richtige zu tun und seine Aufgaben zu erledigen, ganz gleich unter welchen Umständen.«

Sie schaute zur Seite. »Dann… dann bleiben Sie Befehlshaber der Flotte, Admiral?«

»Bis wir zurück in der Allianz sind, wo ich das Kommando über die Flotte abgeben und meinen vorübergehenden Dienstgrad als Flottenadmiral ablegen werde. Wenn man mich braucht, werde ich zur Verfügung stehen, aber zumindest für kurze Zeit werden sich die Dinge anders gestalten.«

»Sie sind extrem starrköpfig. Und verrückt. Das wissen Sie ja, oder?« Sie wollte zur Tür gehen, drehte sich aber noch einmal zu ihm um, wobei ein schwaches ironisches Lächeln ihre Lippen umspielte. »Tun Sie mir einen Gefallen und versuchen Sie, glücklich auszusehen.«

»Jawohl, Ma’am.«

»Aber nicht zu glücklich.«

Es war klar, was jeder glauben würde, was sich zwischen ihnen beiden abgespielt haben musste, wenn er auf einmal zu guter Laune war. »Ja, Ma’am.«

»Und hören Sie auf, Ma’am zu sagen. Sie haben den höheren Dienstgrad.«

»Ja, Tanya.«

Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, dann schüttelte sie den Kopf, konnte sich ein erneutes Lächeln aber nicht verkneifen und verließ den Konferenzraum.

Zehn

Im Konferenzraum herrschte eine entspannte Atmosphäre, wie Geary sie sich beim besten Willen nicht hätte vorstellen können. Aber warum sollten die Captains der Flotte nicht gelassen sein? Er wusste, dass die Gerüchteküche längst dafür gesorgt hatte, dass man auf allen Schiffen von dem Friedensvertrag mit den Syndiks gehört hatte.

Nun musste er sie davon in Kenntnis setzen, dass die Arbeit noch nicht getan war.

Geary stand auf, und alle drehten sich zu ihm um. Als sie seine ernste Miene bemerkten, wurde das Lächeln auf ihren Gesichtern schwächer und verschwand bei einigen ganz. »Ich nehme an, Sie haben alle bereits davon gehört, dass die neuen Führer der Syndikatwelten sich zu einer Beendigung des Krieges und einem sofortigen Ende der Feindseligkeiten bereit erklärt haben. Sie haben außerdem versprochen, alle gegenwärtigen Kriegsgefangenen freizulassen und eine vollständige Liste aller Männer und Frauen vorzulegen, die in der Gefangenschaft gestorben sind.«

Eine Mischung aus Freude und Melancholie erfasste die Captains, die ihn weiter erwartungsvoll anschauten. Die Toten wurden durch diese Geste der Syndiks nicht wieder lebendig, aber ihre Zahl würde nicht durch unablässige Kämpfe immer weiter ansteigen. Diejenigen, die man für tot gehalten hatte, die aber in Wahrheit in einem Gefangenenlager untergebracht worden waren, würden heimkehren können. Doch eine große Zahl an Häftlingen, die zu Lebzeiten Tag für Tag auf ihre Befreiung gehofft hatten, war aufgrund gesundheitlicher Probleme oder schlicht an Altersschwäche gestorben.