»Das ist richtig. Aber wenn wir nicht jetzt kämpfen, werden wir es irgendwann später dennoch müssen, wenn wir schwächer und die Aliens stärker sind. Wir haben jetzt die Chance, eine Linie zu ziehen und ihnen zu sagen, dass sie diese Linie nicht überschreiten sollen, weil sich die Menschheit nicht zum Rückzug zwingen lässt.«
Das kam bei den Offizieren gut an. Er sah, wie etliche von ihnen die Schultern strafften, als er sie mit dem Gedanken an einen Rückzug konfrontierte. Sie waren der Ansicht, dass sie niemals vor den Syndiks zurückgewichen waren, und sie würden erst recht nicht vor irgendwem sonst zurückweichen.
»Sie sagten, sie haben schon zuvor Planeten der Syndiks übernommen«, meldete sich Captain Parr von der Incredible zu Wort. »Waren das Planeten, auf denen noch Menschen zurückgeblieben waren? Wissen wir irgendetwas darüber, was aus diesen Menschen geworden ist?«
»Nein, das wissen wir nicht. Von den Menschen, die in die Gewalt der Aliens geraten sind, hat niemand je wieder etwas gehört.« Das störte alle Anwesenden, das konnte er deutlich merken. Es waren nicht bloß Ängste, die durch über Jahrtausende hinweg erzählte Geschichten entstanden waren, in denen fremde Rassen die Menschheit zu versklaven oder zu vernichten versuchten. Geschichten, die in jüngerer Zeit mehr und mehr als Fantastereien abgetan wurden, da bislang nirgends eine nichtmenschliche intelligente Spezies entdeckt worden war. Nein, überlegte Geary, es ging darum, Menschen zurückzulassen. Die Flotte tat so etwas nicht freiwillig, und wenn es sein musste, dann wurde jedes Mal das Versprechen gegeben, irgendwie zurückzukehren und sich um die zu kümmern, die man zurückgelassen hatte. In der Praxis wurden diese Versprechen nicht oft eingelöst, dennoch waren sie stets ehrlich gemeint, wenn sie gegeben wurden.
Badaya betrachtete finster das Sternendisplay. »Das sind zwar Syndiks, aber es sind Menschen. Und vielleicht werden sie bald keine Syndiks mehr sein. Sie werden ihre CEOs aufknüpfen oder erschießen und dann Regierungen bilden, mit denen wir vernünftig umgehen können. Diese Sternensysteme müssen evakuiert werden, aber das können die Syndiks nicht bewerkstelligen, richtig?«
»Richtig«, bestätigte Geary. »Sie haben nicht genug Schiffe, und die Zeit reicht auch nicht. Sie wissen ja, wie kompliziert es ist, nur ein einziges Sternensystem zu evakuieren, selbst wenn man alle Ressourcen der Allianz zur Verfügung hat. Millionen Menschen müssten auf diesen Welten zurückgelassen werden.«
»Dann müssen wir hin und die Aliens aufhalten! Mag ja sein, dass sie in der Lage waren, auf die Syndiks einzuprügeln, aber dann werden sie feststellen, dass der Angriff der Allianz-Flotte eine Bedrohung ist, mit der sie es nicht aufnehmen können!«
Zustimmender Jubel folgte Badayas Worten.
Nachdem die Konferenz beendet war, stand Geary da und fragte sich, wie lange der Enthusiasmus für eine Offensive gegen einen neuen Feind anhalten würde.
Duellos war noch geblieben und schüttelte amüsiert den Kopf. »Captain Badaya hält die Flotte für den größten und schwersten Hammer, der je gefertigt worden ist. Und sobald er ein Problem als einen Nagel betrachten kann, drängt er unweigerlich darauf, die Flotte zum Einsatz zu bringen.«
»Ja«, bestätigte Geary. »Badaya hat mir in der Vergangenheit immer wieder Kopfschmerzen bereitet, aber seine direkte Art kann manchmal ganz nützlich sein.« Das klang erschreckend nach etwas, das Rione sagen würde.
Plötzlich begann Desjani zu lachen. Als sie bemerkte, dass Geary und Duellos sie anschauten, zeigte sie auf das Display. »Diese Syndik-CEO bei Midway sitzt da und wartet, dass Hilfe eintrifft. Sie rechnet damit, dass die Aliens jeden Moment auftauchen, und dann kommt statt einer kleinen Syndik-Flotte die komplette Allianz-Flotte aus dem Hypernet-Portal geflogen. Die wird den Schock ihres Lebens kriegen.«
Es dauerte einige Tage, um die notwendigsten Reparaturen zu erledigen. Am liebsten hätte Geary die am schwersten in Mitleidenschaft gezogenen Schiffe auf die Heimreise geschickt, aber auch wenn man in der Allianz damit beschäftigt war, anhand der Daten des Hypernet-Schlüssels an Bord der Dauntless weitere Schlüssel zu produzieren, war von denen kein Exemplar zeitig genug fertig geworden, um es der Flotte als Reserve mitzugeben. Nur Schiffe, die von der Dauntless begleitet wurden, konnten das Syndik-Hypernet benutzen, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als bei der Flotte zu bleiben und den Hilfsschiffen Gesellschaft zu leisten. Diese Hilfsschiffe verteilten Brennstoffzellen, Flugkörper und Kartätschen an die Schiffe, damit die ihre Bestände auffüllen konnten, und produzierten alle notwendigen Ersatzteile.
Er konnte mit der Flotte nach Mandalon oder zurück nach Zevos springen, seine Entscheidung fiel auf letzteres System, da es dort ein Hypernet-Portal gab. Auch wenn dem Vertrag nach zwischen den Syndikatwelten und der Allianz Frieden herrschte, fühlte sich Geary wie der Befehlshaber einer Besatzungsmacht, während er die Flotte zum Sprungpunkt führte, wusste er doch, dass jeder Mann, jede Frau und jedes Kind im Sternensystem seine Flotte mit Furcht und Misstrauen betrachtete.
Ob sich Desjani auch an den wachsamen Blicken der argwöhnischen Syndiks störte, war ihr nicht anzusehen. »Zurück nach Zevos durch den Sprungraum, danach per Hypernet weiter nach Midway. Wenn man den Syndik-Daten trauen kann, dann kommen wir gut hin und werden etwa einen Tag vor Ablauf des Ultimatums dort eintreffen.«
»Ich glaube nicht, dass die Syndiks sich darüber beklagen werden.«
»Das sollten sie sich auch besser verkneifen.«
Er rief Carabali. »General, ich wollte mich nur vergewissern, dass wir alle Syndik-Gäste abgesetzt haben, die Ihre Marines von den Wracks mit an Bord gebracht haben.«
»Jeder unserer Gäste wurde in reparierten Rettungskapseln untergebracht, die sie zu sicheren Standorten bringen werden«, bestätigte Carabali. »In den Datenbanken der Flotte ist vermerkt, dass sich ein einzelner Syndik noch an Bord der Dauntless befindet, aber man hat mir gesagt, dass er einen Sonderfall darstellt.«
»Das ist richtig, General. Wir bringen CEO Boyens zurück nach Hause.«
»Was ist mit den Kriegsgefangenen hier im System, Admiral?«, hakte sie nach. »Die würden sicher auch gern nach Hause gebracht werden.«
»Die will ich jetzt nicht an Bord nehmen«, erklärte Geary. »Mit ihnen wären zum einen unsere Schiffe überlaufen, und ich möchte nicht, dass die befreiten Kriegsgefangenen gleich darauf in Gefechte hineingezogen werden, falls wir doch gegen die Aliens kämpfen müssen. Wenn wir bei Midway mit den Aliens fertig sind, kommen wir hierher zurück und holen unsere Leute ab. Ich habe mit den Gefangenen gesprochen und ihnen die Situation erklärt. Die neue Syndik-Führung weiß, dass sie den Leuten besser kein Haar krümmt, bis wir wieder da sind.« Geary lächelte. »Ich habe diesen Syndiks persönlich erklärt, wenn sie sich nicht gut um unsere Leute kümmern, dann wird jeder von ihnen Besuch von den Allianz-Marines bekommen.«
Es war das erste Mal, dass er Carabali lachen hörte.
Zweieinhalb Wochen später kam die Allianz-Flotte aus dem Hypernet-Portal bei Midway geschossen, sie war damit tiefer ins Syndik-Territorium vorgestoßen als jedes andere Allianz-Schiff vor ihnen. Sie verfügten zwar über Sternenkarten dieser Region, aber keiner von ihnen hätte es für möglich gehalten, eines dieser Systeme jemals zu Gesicht zu bekommen.
Das Erste, was die Flottensensoren registrierten, waren Scharen von Transportern, die mit zusätzlichen Passagiermodulen versehen worden waren. Diese Schiffe flogen in weitem Bogen von den bewohnten Planeten zum Hypernet-Portal sowie zu den Sprungpunkten, um die Menschen in andere Systeme zu befördern. Die Werte, die sie für den Planeten empfingen, ließen jedoch keinen Zweifel daran, dass der weitaus größte Teil der Bevölkerung dort zurückbleiben würde, da er bis zum Ablauf des Alien-Ultimatums nicht evakuiert werden konnte.