Es hielten sich auch Syndik-Kriegsschiffe im System auf, jedoch waren es nicht viele. In einer Entfernung von fünf Lichtstunden kreiste eine kleine Syndik-Flotte durch das All. »Sechs Schwere Kreuzer, vier Leichte Kreuzer, fünfzehn Jäger«, merkte Desjani an. »Wahrscheinlich ist das alles, was sie in dieser Region noch zusammenkratzen konnten.«
»Captain?«, rief der Ablauf-Wachhabende. »Einige der Schiffe lassen erkennen, dass sie nicht vollständig ausgestattet sind. Es sieht so aus, als wären sie hergeschickt worden, obwohl sie noch gar nicht fertig montiert waren.«
»Dann werden die Crews auch nichts taugen. Völlig ungeübt und ohne jede Erfahrung.« Desjani warf Geary einen sehnsüchtigen Blick zu. »Die wären so leicht in Stücke zu schießen.«
Er zog mahnend eine Augenbraue hoch. »Ich dachte, Sie bevorzugen einen fairen Kampf.«
»Also… ja. Es ist ohnehin egal. Wir würden sie niemals zu fassen bekommen, außer sie nehmen geradewegs Kurs auf uns. Aber ob sie unerfahren sind, möchte ich doch eher bezweifeln.«
»Oder so selbstmörderisch veranlagt. Dafür sind wir sowieso nicht hergekommen.« Sobald das Licht von der Ankunft der Flotte jeden erreichte, würde man überall im System in Panik geraten, vor allem natürlich auf den wehrlosen Transportern mit ihrer menschlichen Fracht an Bord. Geary sammelte sich kurz, dann betätigte er die Komm-Kontrollen. »An die Menschen im Midway-Sternensystem: Hier spricht Admiral Geary, der Befehlshaber über die Allianz-Flotte. Zwischen der Allianz und den Syndikatwelten wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Der Krieg ist zu Ende. Wir sind nicht hergekommen, um Sie anzugreifen, sondern wir folgen einer Bitte der gegenwärtigen Führer der Syndikatwelten, jeden Versuch abzuwehren, der zum Ziel hat, die geforderte Evakuierung dieses Sternensystems durchzusetzen. Ich betone: Wir sind hergekommen, um zu unterbinden, dass aggressive Akte gegen dieses Sternensystem gerichtet werden. Wir werden keine mit Menschen besetzten Schiffe angreifen, und wir werden auch gegen keine Einrichtung der Menschen in diesem System vorgehen, es sei denn, wir werden angegriffen. Dann werden wir auch nur im Rahmen der Selbstverteidigung zur Tat schreiten. Auf die Ehre unserer Vorfahren. Geary Ende.«
Er beendete die Übertragung, dann betätigte er eine andere Taste und richtete einen eng gebündelten Funkstrahl auf den Punkt auf der bewohnten Primärwelt, wo sich nach Boyens Angaben das Kommando-und Kontrollzentrum der Syndiks befinden musste. »CEO Iceni, hier spricht Admiral Geary, befehlshabender Offizier der Allianz-Flotte. Wir sind hier, weil die neuen Führer des Exekutivrats der Syndikatwelten uns gebeten haben, Sie dabei zu unterstützen, die zu erwartende Aggression der Enigma-Rasse zurückzuschlagen. Wir bitten Sie darum, uns umgehend über die aktuelle Situation zu informieren und uns darüber hinaus alle Informationen über die Enigma-Rasse zur Verfügung zu stellen, von denen Sie glauben, sie könnten uns bislang noch nicht zugänglich gemacht worden sein.«
Geary gab Boyens ein Zeichen, daraufhin trat der Syndik-CEO vor und stellte sich ins Transmissionsfeld. »Sie kennen mich, Gwen. Ich wurde gefangengenommen, als die Reserveflotte zerstört wurde. Die Flotte wird nicht wiederkehren, sie wurde vernichtet. Die Syndikatwelten haben keine Schiffe mehr, die sie herschicken könnten, aber es stimmt, was Admiral Geary gesagt hat. Der Krieg ist vorbei, und die Allianz hat sich bereit erklärt, bei der Verteidigung dieses Systems zu helfen. Admiral Geary ist ein Ehrenmann. Sie können ihm vertrauen. Er ist unsere einzige Hoffnung, um dieses und viele andere Sternensysteme zu verteidigen, die alle evakuiert werden müssten, wenn dieses hier von der Enigma-Rasse übernommen werden sollte.«
Boyens ging wieder einen Schritt nach hinten, dann redete Geary weiter: »Wir bitten Sie, Ihrer Flotte und anderen Verteidigungseinrichtungen in diesem System den Befehl zu geben, keine Maßnahmen zu ergreifen, die als provozierend gedeutet werden könnten. Wir bitten Sie ferner noch einmal, uns alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die für die Verteidigung dieses Sternensystems von Nutzen sein könnten. Auf die Ehre unserer Vorfahren. Geary Ende.«
Desjani betrachtete stirnrunzelnd ihr Display. »Wir sind da, aber wohin jetzt?«
»Ich würde Ihnen empfehlen, sich in diese Region zu begeben«, schlug Boyens vor und deutete auf einen Teil des Displays. »Das ist die Seite des Systems, die zum Territorium der Aliens hin gelegen ist. Wenn sie ankommen, dann irgendwo in diesem Gebiet.«
»Danke«, erwiderte Geary und wartete, bis Boyens von der Brücke eskortiert worden war. Dann erst befahl er der Flotte, auf einen Vektor einzuschwenken, der in die von dem CEO empfohlene Region führte.
Sie warteten wieder eine Weile, während die Crews auf den beschädigten Kriegsschiffen weiterhin darum bemüht waren, so viele Reparaturen wie möglich zu erledigen. Die Flotte zog an davoneilenden Syndik-Handelsschiffen vorbei, in denen sich die Menschen drängten, die die Ankunft der Allianz-Streitmacht zweifellos mit einer Mischung aus Hoffnung und Angst mitverfolgten.
Die Antwort der Syndiks traf so schnell ein, wie es die Verzögerungen bei der Übermittlung erlaubten.
»CEO Iceni ist immer noch hier«, stellte Rione fest, die zurück auf der Brücke war. Sie hatte die rotierende Besetzung mit Sakai und Costa abermals so eingerichtet, dass sie anwesend sein konnte, wenn es etwas Interessantes zu beobachten gab. »Ich würde sagen, Iceni verdient unsere Anerkennung dafür, dass sie sich nicht unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand gleich als Erste selbst evakuiert hat.«
Desjani murmelte etwas Unverständliches, das sich ungefähr so anhörte wie: »Aber nicht von mir.«
CEO Iceni machte einen verwirrten und entsetzten Eindruck. »Hier spricht die Seniorrepräsentantin der Syndikatwelten. Uns war bislang von der Unterzeichnung eines Friedensvertrags nichts bekannt, aber die von Ihnen übermittelten Dokumente und das Echtheitszertifikat scheinen authentisch zu sein. Wir sind auf Ihre Ankunft nicht vorbereitet, eine solche Situation hat es… noch nie gegeben. Aber… wir sind Ihnen für Ihre Unterstützung dankbar. Wir hatten nicht erwartet, hier zu siegen… oder auch nur zu überleben. Mein Stab stellt in diesem Augenblick alle Informationen zusammen, die für Sie hilfreich sein können. Was ich Ihnen jetzt schon mitteilen kann, ist, dass die Enigma-Rasse am wahrscheinlichsten durch den Sprungpunkt herkommt, der zu dem Stern führt, den wir unter dem Namen Pele kennen. Ich habe Anweisungen an den CEO gesendet, der die kleine Flotte in diesem System befehligt, damit er unmittelbar mit Ihnen Kontakt aufnimmt und nicht das Feuer auf Ihre Flotte eröffnet, es sei denn, er wird selbst angegriffen. Alle Verteidigungsanlagen der Syndikatwelten sind angewiesen worden, Ihre Schiffe nicht als Ziele zu erfassen.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie CEO Boyens zugestehen würden, eigenständig mit mir Kontakt aufzunehmen.«
»Träum weiter«, murmelte Desjani, dann hellte sich ihre Miene auf. »Wir können alles überwachen, was er sendet und was von ihr zurückkommt.«
»Stimmt«, sagte Geary. »Können Sie alles Notwendige veranlassen, Captain Desjani? Und denken Sie bitte daran, Lieutenant Iger einzubeziehen, damit er auf dem Laufenden ist.«
Fast drei Stunden später ging endlich eine Nachricht von der kleinen Syndik-Flotte ein. »Hier spricht CEO Vierten Grades Kolani, Befehlshaberin der Flotte Sieben Drei Vier der Syndikatwelten.« Kolanis Stimme und Körperhaltung waren ungewöhnlich steif und förmlich, sie ließ das typische falsche Lächeln ebenso vermissen wie die echte Arroganz eines Syndik-CEOs. Für ihren Posten wirkte sie recht jung, andererseits waren die älteren und erfahreneren Commander alle dazu verdammt gewesen, im letzten Aufgebot gegen die Allianz im Heimatsystem zu sterben. Ihre Uniform saß genauso tadellos wie ihre Frisur. Allem Anschein nach war schon etwas Schlimmeres als diese gegenwärtige Krise nötig, um selbst einen Junior-CEO der Syndiks aus der Ruhe zu bringen. »Mir wurde befohlen, mich wegen der Verteidigung dieses Sternensystems mit Ihnen in Verbindung zu setzen.«