»Haben Sie schon einmal so viele Schiffe gesehen?«, wollte Geary wissen.
»Nein, nicht annähernd so viele.« Der Syndik-CEO musterte ratlos die Displays. »Warum so viele? Sie können nicht erwartet haben, dass wir als Syndikatwelten noch eine Flotte zusammenstellen können, die eine solche Armada rechtfertigt.«
»Wollen sie immer so deutlich die Oberhand demonstrieren, wenn sie mit Menschen zu tun haben?«, fragte Rione.
»Schwer zu sagen. In den letzten Jahrzehnten gab es nur selten Kontakte, und soweit ich weiß, ist es auch genauso lange nicht mehr zu militärischen Auseinandersetzungen gekommen.«
»Dann werden wir abwarten müssen, was diesmal geschieht«, sagte Geary. Obwohl sich Allianz-Politiker an Bord der Dauntless befanden, hielt er es für angebracht, dass er sich an die Aliens wandte. Das hier vermittelte eher den Eindruck einer militärischen Konfrontation als den einer diplomatischen Mission. »Hier spricht Admiral Geary, befehlshabender Offizier der Allianz-Flotte. Ich wende mich an die unbekannten Schiffe, die im Midway-Sternensystem eingetroffen sind. Identifizieren Sie sich und dringen Sie nicht tiefer in das System ein. Wir wünschen keine Gewaltanwendung, aber die Allianz-Flotte wird alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um jeden Angriff auf dieses Sternensystem abzuwehren.«
Rione war kreidebleich, als sie auf ihr Display schaute. »Also wird es einen Kampf geben, einen weiteren Krieg.«
»Möglicherweise. Ich werde versuchen, so etwas zu vermeiden.«
»Ich weiß, Sie werden das tun, aber die Aliens haben uns gesehen, als sie hier aufgetaucht sind, und trotzdem nähern sie sich weiter dem Stern. Ich hatte gehofft, wir könnten mit ihnen reden, aber wenn sie uns zahlenmäßig so überlegen sind, sehen sie dazu womöglich gar keine Veranlassung.« Auf den Displays war zu sehen, wie die Schiffe der Aliens einem Kurs folgten, der sie tiefer ins System führte – und damit in Richtung der Allianz-Flotte.
»Sie werden meine Nachricht erst in zweieinhalb Stunden empfangen. Wir werden sehen, wie sie dann reagieren.«
»Aber sie wissen bereits, dass wir hier sind, und trotzdem kommen sie näher.«
»Ja.« Mehr als das gab es dazu nicht zu sagen.
Rione kam näher und fragte fast im Flüsterton: »Können Sie eine so große Armada besiegen, Admiral Geary?«
»Das weiß ich nicht, weil es zu vieles gibt, was uns über die Aliens noch nicht bekannt ist.«
Desjani meldete sich zu Wort und erklärte lauter als Rione: »Wenn jemand sie besiegen kann, dann ist es Admiral Geary.«
Ohne den Blick von Geary abzuwenden, stimmte Rione der Kommandantin der Dauntless zu: »Da bin ich wieder einmal Ihrer Meinung. Tut mir leid.«
»Versuchen Sie nur, daraus keine Angewohnheit zu machen. Das ist nämlich ein bisschen beunruhigend.«
»Ich glaube, darüber müssen Sie sich keine Sorgen machen«, gab Rione ironisch zurück, während Desjani nickte und dabei stur auf ihr Display sah.
Die Antwort der Aliens traf nach etwas über fünf Stunden ein, was verriet, dass sie ein wenig Zeit benötigt hatten, um ihre Erwiderung zu formulieren. Alle drei Senatoren waren auf der Brücke, da sie darauf hofften, den historischen Moment mitzuerleben, wenn die Aliens sich zum ersten Mal an die Vertreter der Allianz wandten. Da sich die drei ruhig verhielten, gab es für Geary keinen Grund, sie wegzuschicken.
Die Übertragung der Aliens zeigte eine Brücke, die an die eines Syndik-Kriegsschiffs erinnerte. Bevölkert wurde sie von Menschen, die völlig unscheinbare Kleidung trugen. Boyens zeigte auf das Bild. »Sehen Sie? Das ist alles nicht echt. Bei unserer ersten Nachricht an die Enigma-Rasse haben wir Bild und Ton gesendet, während von ihnen nur Audioantworten zurückkamen, die aus ein oder zwei Worten bestanden. Dann auf einmal bekamen wir von ihnen solche Bilder geliefert. Wir haben sie analysieren lassen und fanden heraus, dass ihre Brücke aus Elementen der Brücken jener Syndik-Schiffe bestand, die mit den Aliens kommuniziert hatten. Das Gleiche gilt auch für die ›Menschen‹, die wir sehen. Sie sind nichts als digitale Kombinationen aus dem Personal, das zuvor mit ihnen zu tun hatte.«
Geary betrachtete die Darstellung der Brücke und nickte zustimmend. »Das ist ja eigenartig. Ich kann sogar Elemente von Syndik-Kriegsschiffen wiedererkennen, wie sie vor hundert Jahren ausgesehen haben. Die Aliens haben ihre Bilder nie aktualisiert.«
»Ganz richtig«, bestätigte Boyens. »Wir haben überlegt, ob sie nichts aktualisiert haben, weil es ihnen egal ist, dass wir ihre Fälschung durchschauen, oder ob ihnen nicht klar ist, wie verräterisch diese alte, immer gleiche Brücke ist.«
Der »Mann« im Kommandosessel lächelte exakt so, wie man es von einem Syndik-CEO kannte. »Möchte wissen, ob ihnen bewusst ist, dass es sich um ein offensichtlich aufgesetztes Lächeln handelt«, sagte Rione leise.
»Das würde ich auch gern wissen«, erwiderte Boyens. »Sie scheinen falsche menschliche Gefühlsregungen besser nachahmen zu können als echte.«
»Kriegsschiffe der Allianz«, begann der menschliche Avatar zu reden, wobei sich der Gesichtsausdruck auf eine Weise veränderte, die nicht so ganz zum Tonfall passte. Der Effekt war nur sehr unterschwellig zu bemerken, wie Boyens bereits gesagt hatte. Aber er war erkennbar. »Ihrer Flotte gehört dieser Stern nicht, ihre Flotte gehört nicht hierher. Verhandelt wird mit denen, die diesen Stern besetzt haben, denen er aber nicht gehört. Verlassen Sie diesen Stern, und Sie werden in Ruhe gelassen werden. Vernichtung wird jeden treffen, der hier bleibt. Durch eine vor langer Zeit getroffene Vereinbarung ist dies unser Stern.«
Geary sah zu Boyens’ Bild, der schüttelte sofort den Kopf. »Keine Vereinbarung, die die Syndikatwelten mit ihnen getroffen haben.«
»Das könnte zum Beispiel bedeuten, dass er ihnen als göttliches Geschenk übertragen wurde«, warf Rione ein. »Oder dass sie einen Anspruch auf dieses Gebiet angemeldet hatten, lange bevor sie überhaupt in der Lage waren, die Kontrolle darüber zu übernehmen.« Sie sah die beiden anderen Senatoren an. »Die Behauptung, dass sie nicht kämpfen wollen, gepaart mit Drohungen, was geschehen wird, wenn wir nicht ihre Forderungen befolgen.«
Costa machte eine wütende Miene. »Sie wollen diese Art Frieden, bei dem uns nichts passiert, wenn wir tun, was sie sagen.«
»Das sehe ich auch so«, stimmte Sakai der Senatorin zu. »Allerdings kann es auch aggressives Gehabe sein, um die Verhandlungen zu eröffnen.«
»Vielleicht ja. Glauben Sie, unsere Anwesenheit hier im System könnte sie verwirrt haben?«, wollte Geary wissen.
Die drei Senatoren dachten darüber nach, schließlich nickte Rione. »Vielleicht keine Verwirrung, aber wie es scheint, wollen sie nur mit den Syndiks zu tun haben.«
»Wegen der Würmer in den Systemen der Syndik-Schiffe müssen sich die Aliens daran gewöhnt haben, immer zu wissen, wo sich Schiffe der Menschen gerade aufhalten. Möglicherweise hat es sie überrascht, uns hier vorzufinden, und jetzt versuchen sie, uns mit einem Bluff loszuwerden. Es kann nicht schaden, weiter mit ihnen zu reden, damit wir herausfinden, ob sie einen Rückzieher machen, wenn wir dazu nicht bereit sind.« Geary überlegte kurz, dann betätigte er seine Kontrollen. »Hier spricht Admiral John Geary von der Allianz-Flotte. Der Krieg zwischen der Allianz und den Syndikatwelten wurde beendet. Wir sind darum gebeten worden, bei der Verteidigung dieses Systems gegen jegliche Bedrohung mitzuhelfen. Es hat nie eine Vereinbarung gegeben, dieses Sternensystem an Sie zu übergeben. Wir erkennen die Berechtigung Ihres Ultimatums nicht an. Wir wollen keinen Kampf mit Ihnen beginnen, aber wir werden jeden Angriff auf dieses Sternensystem abwehren, ebenso Angriffe auf jedes andere System, das von Menschen bewohnt wird oder das sich innerhalb der Grenzen der von Menschen bewohnten Gebiete befindet. Ziehen Sie Ihre Streitmacht zurück, dann können wir Gesandte losschicken, um mit Ihnen zu verhandeln und Bedingungen für eine friedliche Koexistenz festzulegen. Auf die Ehre unserer Vorfahren. Geary Ende.«