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»Aber wie soll ich sie zu fassen bekommen, wenn sie das Schiff bereits verlassen hat?« Eine innere Stimme sagte ihm, dass sie längst von Bord gegangen war.

Rione zog eine Augenbraue hoch. »Sie haben eine Chance, John Geary, wenn Sie sie tatsächlich einholen wollen. Das ist das, was sie wissen will, und Sie haben eine Möglichkeit, es ihr zu beweisen. Stattdessen stehen Sie hier und diskutieren mit mir.«

Geary war schon fast aus seinem Quartier gestürmt, da blieb er stehen und drehte sich zu Rione um. »Danke.«

»Sie danken mir?« Rione zuckte mit den Schultern. »Wenn mein Mann noch lebt, dann werden das Kriegsende und der Austausch der Kriegsgefangenen ihn zu mir zurückbringen. Und da glauben Sie, Sie müssen sich bei mir bedanken?«

»Ja. Wir sehen uns, Madam Co-Präsidentin.«

»Ja, das werden wir, Captain Geary. Es gibt noch viel zu tun.« Sie deutete auf die Luke. »Ihr Ziel entwischt Ihnen.«

Er eilte durch den Korridor, dann blieb er an der erstbesten Komm-Einheit stehen und rief die Brücke. »Wo ist Captain Desjani?«

Der Wachhabende auf der Brücke sah ihn nervös an. »Ähm… Sir… Captain Desjani ist derzeit nicht zu sprechen. Sie hat darum gebeten, nicht gestör…«

»Befindet sie sich noch auf dem Schiff?«, unterbrach er den Mann.

Der zögerte, dann fasste er erkennbar einen Entschluss. »Nein, Sir. Sie hat das Schiff verlassen, um Landurlaub zu nehmen. Sie hat sich mit einem Shuttle zum Haupt-Passagierterminal bringen lassen.« Der Wachhabende klang fast erleichtert.

»Sie haben über Bord-Komm nicht mitgeteilt, dass der Captain das Schiff verlässt?«

»Sir, Captain Desjani hat uns befohlen…«

»Ja, schon gut. Ich brauche ein Shuttle der Dauntless, das mich zum Haupt-Passagierterminal auf der Ambaru-Station bringt, und zwar sofort.«

Der Wachhabende auf der Brücke machte einen entsetzten Eindruck. »Sir, alle Shuttles der Dauntless werden zurzeit gewartet und können nicht benutzt werden. Es ist sehr ungewöhnlich, alle Shuttles gleichzeitig stillzulegen, aber Captain Desjani hat genau diesen Befehl gegeben. Das Shuttle, das sie genommen hatte, wurde gleich nach der Rückkehr einem Wartungsteam übergeben.«

Noch mehr Steine konnte sie mir wohl nicht in den Weg legen, dachte Geary kopfschüttelnd und versuchte zu überlegen, wie er jetzt am besten vorgehen sollte. Ein Shuttle von einem anderen Schiff zur Dauntless kommen zu lassen, nahm Zeit in Anspruch, vermutlich zu viel, und womöglich wurde man dann im Hauptquartier darauf aufmerksam, dass er zu entwischen versuchte. Aber ihm blieb nichts anderes übrig. Geary war im Begriff, den Befehl zu geben, da meldete sich der Wachhabende auf der Brücke wieder zu Wort und klang sehr verdutzt.

»Sir, ein Shuttle von der Inspire meldet soeben, dass es im Landeanflug auf unseren Hangar ist. Der Pilot sagt, er habe den Befehl, einen Passagiertransport der höchsten Priorität durchzuführen. Betrifft das Sie, Sir?«

Vielen Dank, Captain Duellos. Ich weiß zwar nicht, wie Sie das angestellt haben, aber Sie haben was bei mir gut. »Ja, das betrifft mich. Dieses Shuttle muss startklar sein, wenn ich den Hangar erreiche.«

Letztlich musste er doch noch ein paar Minuten warten, ehe das Shuttle der Inspire die Dauntless verließ. »Irgendein bestimmtes Dock im Passagierterminalbereich, Sir?«, wollte der Shuttlepilot wissen.

»Ich benötige ein Dock, das möglichst nahe an einem Passagierschiff liegt, das in Kürze nach Kosatka starten wird.«

»Ziviler Passagierverkehr?«, fragte der Pilot zweifelnd. »Ich kann zwar schnell herausfinden, welches Dock das ist, Sir, aber ich soll nur militärische Docks anfliegen. Das heißt, ich müsste trotzdem ziemlich weit entfernt andocken.«

»Gibt es denn gar keine Möglichkeit, ein ziviles Dock zu benutzen?«

»Nein, Sir. Na ja, es gibt nur eine Ausnahme. Wenn es beim Anflug einen Notfall an Bord gibt, der mich zwingt, das nächstgelegene Dock zu erreichen.«

»Ein Notfall?«, gab Geary zurück und bemühte sich, möglichst desinteressiert zu klingen.

»Ja, Sir, zum Beispiel… ähm… die Alarmmeldung, dass der Druck in der Kabine abfällt.«

»Verstehe. Was würden Sie sagen, wie die Chancen stehen, dass ein solcher Alarm in dem Moment losgeht, wenn wir uns in der Nähe des Docks befinden, zu dem ich muss?«

Er konnte förmlich hören, wie der Pilot bei der Antwort grinste. »Für Sie, Sir? Ich kann schon spüren, wie der Alarm sich darauf gefasst macht, gleich loszugehen. Ich nehme an, ich soll das Terminal in der kürzestmöglichen Zeit erreichen, richtig, Sir?«

»Sie haben es erfasst.«

»Ist schon so gut wie erledigt, Sir.«

Gut fünfundzwanzig Minuten später verließ Geary auf wackligen Beinen das Shuttle, dessen Pilot seinen Vogel mit nicht zu bremsendem Enthusiasmus durchs All gejagt hatte. Am Dockausgang ging er an ein paar mürrisch dreinblickenden Zivilisten vorbei, deren Kleidung ihm völlig fremdartig erschien. Einer von ihnen versuchte, ihn aufzuhalten, aber Geary hob eine Hand. »Ich bin in Eile.«

»Sie müssen trotzdem…« Als der Zivilist Gearys Gesicht genauer betrachtete, bekam er mit einem Mal den Mund nicht mehr zu. »Ich… ich…«

»Tut mir leid, ich bin in Eile«, wiederholte Geary und lief an dem Mann vorbei.

In der Menge fanden sich genug Uniformierte, aber die Zivilpersonen wirkten auf ihn völlig fremdartig, was nicht nur damit zu tun hatte, dass er seit Monaten auf der Dauntless nur von Offizieren und Matrosen umgeben gewesen war. Es lag auch daran, dass sich der Stil der Mode so grundlegend verändert hatte, seit er vor hundert Jahren das letzte Mal mit Zivilisten zusammengekommen war. Die Senatoren waren alle förmlich gekleidet gewesen, ihr Kleidungsstil hatte sich in einem Jahrhundert nur wenig weiterentwickelt, weshalb er sich an das erinnert gefühlt hatte, was ihm vertraut gewesen war. Diese Zivilisten dagegen in ihrer legeren Kleidung wirkten einfach nur fremdartig, aber Geary war bewusst, dass dies nur die Spitze des Eisbergs war, ein winziger Teil all jener Veränderungen in der Gesellschaft, an die er sich erst noch würde gewöhnen müssen.

Das musste aber warten, bis er das richtige Dock erreicht hatte. Sofern er es überhaupt rechtzeitig erreichen würde. Immer wieder wurde er durch stehende Gruppen am Vorankommen gehindert, da er sich erst einen Weg durch die Menge bahnen musste, wobei er den Kopf gesenkt hielt, um nicht erkannt zu werden. Während er die neugierigen Blicke ignorierte, die ihn auf allen Seiten begleiteten, lief er weiter in Richtung der Docknummer, die der Pilot ihm genannt hatte. Dann aber drehte sich eine Gruppe Matrosen um, entdeckte ihn und salutierte ihm mit breitem Grinsen, was andere anwesende Militärangehörige stutzen ließ, da sie mit der Geste nichts anzufangen wussten.

Geary blieb nichts anderes übrig als den Salut zu erwidern, dann suchte er nach der Nummer des Docks, vor dem er sich im Augenblick befand. Einer der Matrosen, dessen Emblem ihn als von der Daring kommend auswies, trat aus der Gruppe vor. »Sir? Suchen Sie etwas Bestimmtes?«

»Ja, Dock Eins-vierundzwanzig Bravo«, erwiderte er. »Ich muss da schnellstens hin.«

»Wir bringen Sie hin, Sir. Folgen Sie uns!« Die Matrosen der Daring hakten sich gegenseitig unter, um einen Keil zu bilden, dann rückten sie vor und schnitten eine Schneise in die Menge, um Geary den Weg freizumachen, auch wenn die Umstehenden lautstark protestierten, als sie von den Männern rigoros aus dem Weg geschoben wurden.

Unwillkürlich musste Geary grinsen, als er sah, wie die Männer sich für ihn einsetzten. Während er ihnen folgte, hörte er, wie hinter ihm erschrockene Stimmen seinen Namen aussprachen. Er konnte nur hoffen, dass keine Menschenmenge hinter ihm her war.