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«Schon, aber gleichzeitig sagen sie, daß dieser Mohammed in seiner Person das Wort und den Willen Gottes verkörpert. Es sind Fanatiker», sagte Licinius verächtlich. «Und sie bringen der gesamten Christenheit Tod und Zerstörung.» Er hielt einen Augenblick inne, ehe er fortfohr. «Jedenfalls traf Constans mit einer großen Flotte und zwanzigtausend Soldaten aus den östlichen Teilen des Reiches hier ein. Er kam aus Tarent, hatte mehrere Schlachten im Süden geschlagen und stattete nun der Stadt Rom einen Staatsbesuch ab. Er blieb nur zwölf Tage, aber ich bezweifle sehr, daß selbst die muslimische Armee unserer Stadt in so kurzer Zeit soviel Schaden hätte zufügen können wie unserer heldenhafter römischer Kaiser.»

Seine Heftigkeit erstaunte Fidelma. «Das verstehe ich nicht.»

«Bei seinem ersten Besuch in der Mutterstadt des römischen Reichs wurde er mit großer Ehrerbietung begrüßt. Seine Heiligkeit begab sich mit dem gesamten päpstlichen Haushalt vor die Tore der Stadt, um ihn mit allem gebührenden Pomp zu empfangen. Überall wurden zu seinen Ehren Festlichkeiten gegeben. Der Kaiser begab sich in die Petrus-Basilika auf dem Vatikanhügel und anschließend in die Basilika der Heiligen Maria Maggiore.»

Fidelma unterdrückte einen Seufzer. «Aber ich verstehe immer noch nicht .», begann sie.

Mit einer ausladenden Geste deutete der junge tesserarius auf die umstehenden Häuser. «Während der Kaiser betete, begannen seine Soldaten, aus allen Gebäuden Roms das Metall zu plündern. Sie rissen alle Bronzeplatten, Riegel, Klemmen und Verbindungsstücke heraus, die die großen Häuser zusammenhielten, nahmen auch die großen Statuen und Kunstwerke mit, die seit den Zeiten der großen römischen Republik in den Straßen der Stadt gestanden hatten, und brachten die Stadt durch ihre Habgier in den armseligen Zustand, den Ihr heute vor Euch seht.»

«Aber aus welchem Grund?»

«Aus welchem Grund? Einzig und allein deshalb, weil Constans es ihnen so befohlen hatte. Er brauchte dringend Metall, um daraus neue Waffen für seine Armeen schmieden zu lassen. Er ließ seine Beute nach Ostia bringen und von dort aus nach Syrakus verschiffen. Von Syrakus sollte sie dann nach Konstantinopel gebracht werden.»

Er lachte bitter. Als er sah, daß Fidelma ihn erstaunt ansah, erklärte er: «Und dann war es letztlich doch vergebens.»

«Vergebens?»

«Ja. Das Metall hat Syrakus nie erreicht. Ehe Constans’ Schiffe den Hafen erreichten, hat eine arabische Flotte die Ladung abgefangen und nach Alexandria gebracht.»

«Nach Alexandria?»

Licinius nickte. «Sie ist den Muslimen in die Hände gefallen. Ich denke, damit ist Eure Frage beantwortet.»

Fidelma machte ein nachdenkliches Gesicht. «Und der Kaiser von Rom hält sich jetzt im Süden des Landes auf?»

«Ja. Wie ich höre, soll es dort noch immer heftige Kämpfe mit den Muslimen geben.»

«Deshalb spürt man überall so eine seltsame Ängstlichkeit! Und deshalb ist wohl auch der Kapitän meines Schiffes auf der Überfahrt von Massilia jedesmal kreidebleich geworden, sobald am südlichen Horizont auch nur das kleinste Segel zu sehen war.»

Sie waren an den Stufen des Lateranpalasts angekommen. «Der superista hat Euch ein Zimmer zugewiesen, das Euch während Eurer Ermittlungen als officium dienen soll», erklärte der tesserarius und führte Fidelma durch einen langen Korridor, in dem auch das officium des superista lag, in ein großes Zimmer mit spärlicher, aber zweckmäßiger Möblierung. Bruder Eadulf wartete schon auf sie und erhob sich zur Begrüßung von seinem Platz. Er wirkte ausgeruht und erfrischt.

«Ich habe die Glaubensbrüder angewiesen, sich zur Befragung bereitzuhalten», erklärte er.

«Hervorragend. Licinius wird uns als dispensator dienen und sie zu gegebener Zeit zu uns geleiten.»

Der junge tesserarius, wieder ganz Amtsperson, nickte steif. «Zu Befehl, Schwester.»

Eadulf kratzte sich an der Nase. Einige Schreibtafeln aus Ton und ein stylus lagen neben ihm auf einem kleinen Tisch. «Im Bedarfsfall kann ich damit Aufzeichnungen machen», erklärte er. «Aber ganz ehrlich gesagt, Fidelma, glaube ich nicht, daß bei dieser Befragung viel herauskommen wird. Ich denke ...»

Fidelma hob die Hand, und er verstummte. «Ich weiß, ich weiß. Bruder Ronan Ragallach ist der Schuldige. Aber vielleicht gönnt Ihr es mir trotzdem, meine Neugier zu befriedigen. Um so schneller werden wir das Ganze hinter uns bringen.»

Eadulf schwieg trotzig.

Fidelma war unzufrieden. Sie wünschte, Eadulf wäre aufgeschlossener gewesen. Schließlich schätzte sie seinen scharfen Verstand und seine gute Menschenkenntnis. Aber die innere Stimme, die ihr sagte, daß sich hinter Wighards Tod ein Geheimnis verbarg, ließ sich nicht zum Schweigen bringen.

«Beginnen wir mit Bruder Ine, Wighards Diener», verkündete sie.

Eadulf wandte sich an Licinius. «Holt uns Bruder Ine. Ich habe alle, die wir befragen wollen, gebeten, sich im großen Saal bereitzuhalten. Dort müßtet Ihr ihn finden.»

Der junge tesserarius nickte kurz und verließ das Zimmer.

Grinsend wandte Eadulf sich an Fidelma. «Unser patrizischer Freund scheint von unseren Ermittlungen nicht viel zu halten.»

«Ich glaube, er würde lieber in den ruhmreichen Armeen des alten römischen Reiches kämpfen, als zwei neugierigen Geistlichen als Wächter und Beschützer zu dienen», erwiderte Fidelma trocken. «Er trägt seine patrizische Herkunft mit aller Ungeduld und Überheblichkeit eines unreifen, jungen Menschen wie eine Fahne vor sich her. Aber er hat die Zeit auf seiner Seite: Auch er wird innerlich wachsen und reifen.»

Es schien, als sei Licinius nur einen kurzen Augenblick fort gewesen, denn schon öffnete sich die Tür, und ein kleiner, hagerer Mann mit traurigem Gesicht stand auf der Schwelle. Fidelma schätzte ihn auf Mitte vierzig. Hinter ihm war der junge tesserarius zu sehen.

«Bruder Ine», verkündete Licinius, schob den sichtlich unwilligen Mönch ins Zimmer und schloß die Tür hinter ihm.

«Kommt herein, Bruder Ine.» Eadulf deutete auf einen freien Stuhl. «Das ist Schwester Fidelma von Kildare. Bischof Gelasius hat uns beide beauftragt, Wighards Tod näher zu untersuchen.»

Der Mönch blickte Fidelma mit dunklen, ernsten Augen an.

«Deus vobiscum», murmelte er und sank auf den angebotenen Stuhl.

«Bruder Ine», begann Fidelma, die das Gefühl hatte, noch einmal klarstellen zu müssen, worum es ihnen ging. «Ist Euch bewußt, daß wir im Fall des Mordes an Wighard von Canterbury mit aller Machtbefugnis des päpstlichen Haushalts ermitteln?»

Bruder Ine nickte kurz und ruckartig.

«Ihr wart Wighards persönlicher Diener?»

«Requiscat in pace!» erwiderte Bruder Ine got-tesfürchtig und machte eine Kniebeuge. «Ich bin dem Verstorbenen bei allen täglichen Verrichtungen zur Hand gegangen - mehr noch, ich war sein Vertrauter.»

«Ihr stammt aus dem Königreich Kent?»

Eadulf beschloß, sich zurückzulehnen und Fidelma das Fragen zu überlassen.

«Allerdings.» Ein Anflug von Stolz erschien auf seinem traurigen Gesicht. «Mein Vater war Churl am Hofe König Eadbalds, mein Bruder lebt noch heute am Hofe Eorcenbrehts, Eadbalds Nachfolger auf dem Königsthron.»

«Der Vater war Lehensmann», erklärte Eadulf für den Fall, daß Fidelmas Kenntnisse der sächsischen Sprache nicht ausreichten. «Ein Churl ist ein Lehensmann und persönlicher Diener seines Herrn.»

«Und wann habt Ihr Euer Leben Christus geweiht?» fragte Fidelma weiter.

«Mein Vater hat mich nach Canterbury gebracht, als Honorius Erzbischof war. Ich war damals zehn Jahre alt und wurde im Kloster zum Mönch erzogen.»

Fidelma hatte bereits von der seltsamen sächsischen Sitte gehört, kleine Kinder ins Kloster zu geben.