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Er fand einen Schiffer, und als es Abend wurde, ließ er sich nach Vientiane übersetzen und vermied so die Einreiseformalitäten. Am nächsten Morgen schummelte er sich, ebenfalls ohne Formalitäten, an Bord einer außerplanmäßigen Royal Air LaoDC 8, und am Nachmittag war er auf dem Flug, einen köstlichen warmen Whisky in der Hand, und plauderte fröhlich mit ein paar freundlichen Opiumschmugglern. Als sie landeten, fiel schwarzer Regen, und die Fenster des Flughafenbusses waren dreckverschmiert. Jerry war das egal. Zum erstenmal in seinem Leben war die Rückkehr nach Hongkong für ihn, als käme er endlich doch noch nach Hause.

Trotzdem verhielt sich Jerry in der Ankunftshalle äußerst vorsichtig. Nur nicht auffallen, sagte er sich, nie mehr auffallen. Die wenigen Ruhetage hatten für seine Geistesgegenwart Wunder getan. Nachdem er sich gründlich umgesehen hatte, begab er sich in »Herren« anstatt zum Einreiseschalter und blieb dort, bis ein großer Trupp japanischer Touristen eintraf, dann rannte er zu ihnen hin und fragte, ob jemand von ihnen Englisch spreche. Er suchte sich vier Leute aus, denen er seinen Presseausweis aus Hongkong unter die Nase hielt, und während sie Schlange standen und auf die Paßkontrolle warteten, bestürmte er sie mit Fragen über den Grund ihres Hierseins und über ihre Pläne, was sie unternehmen wollten und mit wem, und schrieb wie rasend auf seinen Notizblock, dann wandte er sich an die nächsten vier und wiederholte das Ganze. Inzwischen wartete er ab, bis die diensthabenden Polizisten abgelöst wurden. Um vier Uhr war es soweit, und sofort stürzte er zu einer Tür mit der Aufschrift »Kein Zutritt«, die er bereits früher ausgemacht hatte. Er ballerte an die Füllung, bis ihm geöffnet wurde, und machte Miene, hindurchzugehen.

»Wo zum Teufel wollen Sie hin?«fragte ein empörter schottischer Polizeiinspektor.

»Heim zum Käseblättchen, altes Haus. Muß den Quark über unsere reizenden japanischen Besucher abliefern.« Er zeigte seinen Presseausweis vor.

»Gehn Sie gefälligst durch die verdammte Sperre, wie alle anderen.«

»Seien Sie doch nicht stur. Ich hab' meinen Paß nicht bei mir. Deshalb hat mich Ihr vortrefflicher Kollege vorhin hier durchgelassen.«

Seine Größe, sein sicherer Ton, seine eindeutig britische Erscheinung, sein gewinnendes Lächeln verschafften ihm fünf Minuten später einen Platz im Bus zur Stadt. Vor seinem Häuserblock trödelte er eine Weile herum, sah jedoch keine verdächtige Gestalt, aber hier war China, und wer konnte da wissen? Der Lift leerte sich wie üblich für ihn. Im Hinauffahren summte er Deathwishs einzige Platte, in der Vorfreude auf ein heißes Bad und frische Kleider. An der Wohnungstür erlebte er einen gelinden Schrecken, als er die kleinen Holzstückchen, die er eingeklemmt hatte, auf dem Boden liegen sah, aber dann fiel ihm Luke ein, und er lächelte bei dem Gedanken, ihn wiederzusehen. Er schloß die Tür auf und hörte in diesem Moment drinnen ein Summen, ein monotones Dröhnen, das von einer Klimaanlage hätte stammen können, aber nicht von der in Deathwishs Wohnung, da sie zu schwach und unzulänglich war. Dieser Idiot von Luke hat den Plattenspieler nicht abgestellt, dachte er, und jetzt ist er am Durchbrennen. Dann dachte er: ich tue Luke unrecht, es ist dieser Kühlschrank. Dann öffnete er die Tür und sah Lukes Leiche auf dem Fußboden liegen. Der Kopf war zur Hälfte in Stücke geschossen, und fünfzig Prozent aller Fliegen Hongkongs umschwärmten ihn. Jerry fiel nichts Besseres ein - nachdem er schnell die Tür hinter sich geschlossen und das Taschentuch vor den Mund gepreßt hatte - als in die Küche zu rennen, für den Fall, daß dort noch jemand wäre. Dann kehrte er in den Wohnraum zurück, schob Lukes Füße beiseite, stemmte das Bodenbrett hoch, unter dem er seine verbotene Waffe und seinen Fluchtbeutel versteckt hatte, und stopfte alles in seine Taschen, ehe er sich erbrach.

Natürlich, dachte er. Deshalb war Ricardo so felsenfest überzeugt, daß der Pferdeschreiber tot sei.

Wir sind schon ein ganzer Club, dachte er, als er wieder draußen auf der Straße stand und Wut und Schmerz ihm in Ohren und Augen hämmerte. Nelson Ko ist tot, aber er regiert China. Ricardo ist tot, aber Drake Ko sagt, er könne am Leben bleiben, solange er sich auf der Schattenseite der Straße halte. Jerry Westerby, der Pferdeschreiber, ist auch mausetot, nur daß Kos blöder, verdammter, dreckiger Schweinehund von Leibwächter, Mr. Scheiß-Tiu, so dämlich gewesen war, das falsche Rundauge abzuknallen.

 

Die Goldmakrele

Das Innere des amerikanischen Konsulats in Hongkong hätte bis hin zum allgegenwärtigen falschen Rosenholz, der falschen Liebenswürdigkeit, den Flughallensesseln und dem herzerquickenden Porträt des Präsidenten, auch wenn es diesmal Ford war, das Innere des Annex' sein können. Willkommen im Spukhaus, dachte Giullam. Die Abteilung, in der sie arbeiteten, hieß Die Isolierstation und hatte einen eigenen Ausgang zur Straße, den zwei Marineinfanteristen bewachten. Die Circusleute hatten Pässe auf falsche Namen - Guillam hieß Gordon -, und während der Dauer ihres Aufenthalts sprachen sie, außer am Telefon, mit keinem anderen Menschen innerhalb des Gebäudes. »Wir sind nicht nur offiziell inexistent, Gentlemen«, hatte Martello während der Lagebesprechung stolz erklärt, »wir sind auch unsichtbar.« So sei es gedacht, sagte er. Der amerikanische Generalkonsul würde dem Gouverneur mit der Hand auf der Bibel schwören können, daß sie nicht hier seien und sein eigenes Personal von der ganzen Sache nichts wisse, sagte Martello. »Keiner hat was gesehen oder gehört.« Danach hatte er George Platz gemacht, denn: »George, das hier ist Ihre Show, von der Suppe bis zum Nachtisch.«

Bergab waren sie in fünf Minuten im Hilton, wo Martello sie eingemietet hatte. Bergauf hätten sie zu Fuß, was ziemlich mühsam gewesen wäre, zehn Minuten bis zu Lizzie Worths Wohnblock gebraucht. Sie waren seit nunmehr fünf Tagen hier, und jetzt war es Abend, aber das war innen nicht festzustellen, denn ihre Arbeitsräume hatten keine Fenster. Sie verfügten über Landkarten, Seekarten und mehrere Telefone, die von Martellos schweigsamen Männern, Murphy und seinem Kameraden, bedient wurden. Martello und Smiley hatten je einen großen Schreibtisch. Guillam, Murphy und sein Kollege teilten sich den Tisch mit den Telefonen, Fawn hockte düster, wie ein gelangweilter Kritiker in der Pressevorführung, in der Mitte einer leeren Reihe von Kinostühlen an der rückwärtigen Wand, stocherte in den Zähnen, gähnte, aber er scherte sich nicht raus, wie Guillam ihm wiederholt nahelegte. An Craw war der Befehl ergangen, er solle sich völlig fernhalten: auf Tauchstation gehen. Smiley war seit Frosts Tod besorgt um ihn und hätte ihn lieber außer Landes gebracht, aber der alte Knabe wollte nicht weg. Nun schlug endlich auch den schweigsamen Männern die große Stunde: »Unsere letzte detaillierte Lagebesprechung«, hatte Martello es genannt. »Äh, wenn es Ihnen recht ist, George.« Der blasse Murphy stand in weißem Hemd und blauer Hose auf dem Podium vor einer Wandkarte und las monoton aus einem Bündel Notizen. Die übrigen, einschließlich Smiley und Martello, saßen zu seinen Füßen und lauschten zumeist wortlos. Murphy hätte einen Staubsauger beschreiben können, und gerade deshalb fand Guillam seine Ausführungen so hypnotisierend. Auf der Karte war hauptsächlich das Meer zu sehen, nur oben und links hing der Spitzensaum der südchinesischen Küste. Hinter Hongkong sah man unter der Leiste, mit der die Karte befestigt war, gerade noch die versprenkelten Außenbezirke von Kanton, und in südlicher Richtung von Hongkong, genau in der Mitte der Karte, eine grün umzogene Fläche, wie eine Wolke, die in vier Sektoren A, B, C und D aufgeteilt war. Dies, sagte Murphy ehrfurchtsvoll, seien die Fischgründe, und das Kreuz in der Mitte sei der Zentralpunkt, Sir. Murphy sprach ausschließlich zu Martello, ob es nun Georges Show von der Suppe bis zum Nachtisch war oder nicht. »Sir, ausgehend von Drakes letzter Ausreise aus China, Sir, haben wir, zusammen mit Navy Int., Sir -«