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Sie passierten ein weiteres Vorgebirge. Als der Seegang kräftiger wurde, hörte das Boot zu stampfen auf, die Wolke über ihnen sank herab, bis ihr Bauch fast den Mast berührte, und eine Weile verblieben sie in dieser unterirdischen, unwirklichen Welt, glitten unter der schützenden Decke dahin. Plötzlich lichtete sich der Nebel, und sie gerieten in tanzendes Sonnenlicht. Von den üppigen Hügeln im Süden schickte ein orangefarbenes Positionsfeuer seine Signale durch die klare Luft. »Was tun wir jetzt?«fragte Lizzie leise und spähte durch die Luke. »Lächeln und beten«, sagte Jerry. »Ich lächle, du betest«, sagte sie.

Ein Lotsenboot zog längsseits vorüber, und Jerry war darauf gefaßt, die häßliche Visage des Rockers auf sie herunterglotzen zu sehen, aber die Mannschaft nahm keinerlei Notiz von ihnen. »Wer sind sie?« flüsterte Lizzie. »Was haben die vor?«

»Reine Routine«, sagte Jerry. »Hat nichts zu bedeuten.« Das Lotsenboot drehte ab. Es ist soweit, dachte Jerry ohne besondere Erregung, sie haben uns ausgemacht. »Bist du sicher, daß es nur Routine war?« fragte sie. »Hunderte von Booten fahren heute zum Fest«, sagte er. Ihr Boot hatte jetzt angefangen, heftig zu bocken. Fabelhaft seetüchtig, dachte er und hielt Lizzie eisern fest. Großartiger Kiel. Wenn das so weitergeht, bleibt uns die Entscheidung erspart. Das Meer nimmt sie uns ab. Es war eine jener Fahrten, von denen niemand Notiz nimmt, wenn man sie überlebt, schafft man es aber nicht, dann heißt es, man habe sein Leben leichtfertig weggeworfen. Der Ostwind konnte jederzeit in jähen Wirbeln auffrischen, dachte er. In der Zeit zwischen den Westmonsunen mußte man mit allem rechnen. Er lauschte besorgt auf den sprunghaften Galopp des Motors. Wenn er stirbt, enden wir auf den Felsen, dachte Jerry.

Plötzlich steigerten sich seine Alpträume ins Ungemessene. Das Butan, dachte er. Herrgott, das Butanl Als die Jungen das Boot herrichteten, hatte er gesehen, wie sie zwei Gasflaschen im Bugraum neben den Wassertanks verstauten, wahrscheinlich, um Luigis Hummer zu kochen. Wahnsinn, daß ihm das nicht sofort aufgefallen war. Er überlegte. Butan ist schwerer als Luft. Alle Flaschen lecken. Fragt sich nur, wie stark. Wenn die Wellen so hart gegen den Bug donnern wie jetzt, dann lecken sie schneller, und das entwichene Gas dürfte sich nun in der Bilge ausbreiten ungefähr zwei Fuß vom Zündfunken des Motors entfernt, und die Oxygenbeimischung erhöht die Entzündbarkeit. Lizzie war aus seinem Arm geschlüpft und stand im Heck. Das Meer wimmelte plötzlich von Booten. Aus dem Nichts hatte sich eine Flotte von Fischerdschunken formiert, und Lizzie beobachtete sie aufmerksam. Jerry packte sie am Arm und zog sie wieder unter das schützende Kabinendeck.

»Was glaubst du, wo du bist?« schrie er. »Bei der Regatta in Cowes, wie?«

Eine Weile musterte sie ihn schweigend, dann küßte sie ihn sanft, küßte ihn ein zweitesmal.

»Ruhig«, sagte sie, »nur ruhig.« Sie küßte ihn ein drittesmal, murmelte: »Ja«, als sei die erwartete Wirkung eingetreten, dann saß sie eine Zeitlang still da und blickte aufs Deck, hielt aber seine Hand fest.

Jerry schätzte, daß sie fünf Knoten vor dem Wind machten. Über ihnen surrte ein kleines Flugzeug. Er schob Lizzie hinter sich und blickte hastig zum Himmel, aber es war schon zu spät, er konnte die Beschriftung nicht mehr lesen. »Zuviel der Ehre«, dachte er.

Sie umrundeten die letzte Landspitze, das Boot schleuderte und ächzte im Gischtregen. Einmal hob sich die Schraube aufbrüllend aus dem Wasser. Als sie wieder aufprallten, stockte der Motor, würgte, entschloß sich aber dann doch, am Leben zu bleiben. Jerry berührte Lizzies Schulter und wies nach vorn, wo die kahle steile Insel Po Toi sich wie ein Scherenschnitt vor dem wolkengepeitschten Himmel abhob: zwei Gipfel, senkrecht aus dem Meer aufragend, der größere im Süden, und dazwischen ein Sattel. Die See war jetzt stahlblau, der Wind raste darüber hin, riß ihnen den Atem vom Mund und schleuderte ihnen Gischt wie Hagel ins Gesicht. Backbord lag Beaufort Island: ein Leuchtturm, eine Mole, keine Bewohner. Der Wind legte sich so jäh, als hätte es ihn nie gegeben. Nicht eine Brise grüßte sie, als sie in das spiegelglatte Wasser an der Leeseite der Insel gelangten. Die Sonne knallte unerbittlich herab.

Etwa eine Meile vor ihnen lag die Einfahrt zur Hauptbucht von Po Toi, und dahinter lagerten die flachen braunen Schemen der chinesischen Inseln. Bald konnten sie eine ganze, bunt zusammengewürfelte Flotte von Dschunken und Vergnügungsbooten erkennen, mit denen die Bucht vollgestopft war, und zugleich wehten die ersten Klänge von Trommeln und Zimbeln und wirrem Gesang über das Wasser zu ihnen. Auf dem Hügel hinter der Bucht lag das elende Dorf mit seinen flimmernden Blechdächern, und auf einem gesonderten kleinen Felsvorsprung thronte ein einzelnes massives Bauwerk, der Tin-Hau-Tempel. Ringsum ein Bambusgerüst, das als improvisierte Tribüne diente, eine gewaltige Menschenmenge, über der eine Rauchwolke hing, dazwischen sah man goldenes Funkeln. »Auf welcher Seite war es?« fragte er sie. »Ich weiß nicht. Wir sind zu einem Haus hinaufgeklettert und von dort aus weitergegangen.«

Sooft er mit ihr sprach, sah er sie an, aber jetzt wich sie seinem Blick aus. Er tippte dem Rudergänger auf die Schulter und wies in die Richtung, die er einschlagen sollte. Der Junge begann sofort zu protestieren. Jerry balancierte breitbeinig zu ihm hin und zeigte ihm ein Bündel Geldscheine, so ziemlich alles, was er hatte. Unwirsch riß der Junge das Steuer herum und manövrierte das Boot zwischen den übrigen Fahrzeugen hindurch an der Hafeneinfahrt vorbei zu einem kleinen Granitvorsprung, wo ein halbverfallener Anlegesteg zum Risiko einer Landung einlud. Hier war der. Festlärm viel lauter. Es roch nach Holzkohle und Spanferkel, und sie hörten gewaltige Lachsalven, aber im Augenblick sahen sie weder die Menge, noch konnte die Menge sie sehen. »Hier!« schrie Jerry. »Hier anlegen. Jetzt! Jetzt!« Der Anlegesteg kippte wie betrunken zur Seite, als Jerry und Lizzie ihn betraten. Sie waren noch nicht an Land, als das Boot auch schon gewendet und Kurs auf seinen Heimathafen genommen hatte. Niemand grüßte zum Abschied. Hand in +land kletterten sie den Felsen hinauf und gerieten direkt in eine Münzenjagd, die von einer großen und lachenden Menge verfolgt wurde. In der Mitte stand ein alter Mann mit einem Beutel voller Geldstücke, die er einzeln den Felsen hinunterwarf, während barfüßige Buben hinterherjagten und einander im Eifer des Gefechts beinah über den Rand der Klippen stießen.

»Sie haben ein Boot genommen«, sagte Guillam. »Rockhurst hat sich bei dem Besitzer erkundigt. Der Besitzer ist ein Freund Westerbys, und, ja, es waren Westerby und ein schönes Mädchen und sie wollten zum Tin-Hau-Fest nach Po Toi.«

»Und wie hat Rockkurst sich verhalten?« fragte Smiley. »Sagte, das sei dann wohl doch nicht das Paar gewesen, nach dem er suche. Hat sich dankend empfohlen. Enttäuscht. Auch die Hafenpolizei hat, allerdings verspätet, gemeldet, daß sie das Boot mit Kurs zum Festplatz gesichtet habe.«

»Sollen wir ein Beobachtungsflugzeug raufschicken, George?« fragte Martello nervös. »Navy Int. hat jeden Typ auf Lager.«

Murphy machte einen genialen Vorschlag: »Gehen wir doch einfach mit Hubschraubern los und fischen uns Nelson aus dieser letzten Dschunke!« meinte er.

»Murphy, halten Sie den Mund«, sagte Martello.

»Sie fahren zur Insel«, sagte Smiley unbeirrbar. »Das wissen wir.

Ich glaube nicht, daß wir Luftbeobachtung nötig haben, um es zu beweisen.«

Martello gab sich nicht zufrieden. »Dann sollten wir vielleicht ein paar Leute zu dieser Insel rausschicken, George. Vielleicht sollten wir doch endlich ein bißchen eingreifen.« Fawn erstarrte zur Salzsäule. Sogar seine Fäuste hatten aufgehört zu kneten.