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»Nein«, sagte Smiley.

Auf Martellos Seite wurde Sam Collins' Grinsen ein bißchen dünner. »Gründe?« fragte Martello.

»Ko hat bis zum allerletzten Moment eine Möglichkeit. Er kann seinem Bruder signalisieren, daß er nicht landen solle«, sagte Smiley. »Schon die geringfügigste ungewöhnliche Bewegung auf der Insel könnte ihn dazu veranlassen.«

Martello stieß einen nervösen, ärgerlichen Seufzer aus. Er hatte die Pfeife beiseitegelegt und bediente sich kräftig aus Sams Vorrat an braunen Zigaretten, der unerschöpflich zu sein schien. »George, was will dieser Mann eigentlich?« fragte er gereizt. »Handelt es sich um eine Erpressungsgeschichte? Einen Bruch? Ich sehe nicht, wie ich es einordnen soll.« Ein gräßlicher Gedanke durchzuckte ihn. Seine Stimme sank zu einem Flüstern, und er wies mit ausgestrecktem Arm quer durch den Raum. »Sagen Sie mir jetzt um Gottes willen nicht, daß er zu diesen ». euen gehört, die uns zur Zeit zu schaffen machen! Sagen Sie mir nicht, daß er zu dieser Spezies von Spätzündern gehört, die der Kalte Krieg bekehrt hat und daß er jetzt öffentlich Reue und Leid erwecken will. Denn wenn dem so ist, und wenn wir dann in der nächsten Woche die ungeschminkte Lebensgeschichte dieses Burschen in der Washington Post lesen, George, dann jage ich persönlich die gesamte fünfte Flotte zu dieser Insel, wenn das die einzige Möglichkeit sein sollte, ihn mundtot zu machen.« Er wandte sich an Murphy. »Ich habe doch die nötigen Befugnisse, ja?«

»Ja.«

»George, ich möchte eine Landeabteilung hinschicken. Ihr könnt mitkommen oder zu Hause bleiben. Ganz wie's beliebt.« Smiley starrte Martello an, dann Guillam mit seinem bandagierten und unbrauchbaren Arm, dann Fawn, der dastand wie ein Turmspringer an der Kante des Sprungbretts, die Augen halb geschlossen, Fersen zusammengenommen, und langsam auf den Zehenspitzen wippte.

»Fawn und Collins«, sagte Smiley schließlich.

»Ihr beiden Jungens bringt sie runter zum Flugzeugträger und übergebt sie den Leuten dort. Murphy kommt zurück.«

Eine Rauchwolke bezeichnete die Stelle, an der Collins gesessen hatte. Wo Fawn stand, rollten langsam zwei Tennisbälle ein Stück über den Fußboden, bis sie liegenblieben.

»Gott sei uns allen gnädig«, murmelte jemand inbrünstig. Es war Guillam, aber Smiley achtete nicht auf ihn.

Im Löwen steckten drei Männer, und die Menge lachte, weil er nach den Zuschauern schnappte und weil ein paar selbsternannte picadores mit Stöcken nach ihm stachen, während er zum Getöse von Trommeln und Zimbeln den schmalen Pfad bergab tänzelte. Als der Zug das Kap erreicht hatte, machte er langsam kehrt, um den gleichen Weg wieder zurückzugehen, und in diesem Moment zog Jerry Lizzie schnell in die Mitte des Menschenstroms. Er hielt sich gebückt, damit seine Größe nicht auffiel. Der Steig war schlammig und voller Pfützen. Alsbald führte der Tanz sie am Tempel vorüber, dann über Betonstufen zum Sandstrand hinab, wo die Spanferkel gebraten wurden. »Wohin jetzt?« fragte er sie.

Sie führte ihn rasch nach links, weg von den Tanzenden, hinter einem elenden Dorf vorbei und über eine Holzbrücke, die eine kleine Meerzunge überspannte. Unter Lizzies Führung kletterten sie am Saum eines Zypressenwäldchens entlang, bis sie wieder allein waren. Sie standen nun hoch über der hufeisenförmigen Bucht und blickten hinab auf Kos »Admiral Nelson«, die genau in der Mitte thronte wie eine große Dame, umgeben von Hunderten von Vergnügungsbooten und Dschunken. An Deck war niemand zu sehen, auch kein Mitglied der Besatzung. Ein Rudel grauer Polizeiboote, fünf oder sechs, ankerte weiter draußen auf dem Meer.

Warum auch nicht, dachte Jerry, schließlich findet hier ein Volksfest statt.

Sie hatte seine Hand losgelassen, und als er sich zu ihr umwandte, starrte sie noch immer hinunter auf Kos Jacht, und er sah den Schatten der Ratlosigkeit auf ihrem Gesicht. »Ist das wirklich der Weg, über den er dich hinaufgeführt hat?« fragte er.

Es sei der gleiche Weg, sagte sie, wandte sich wieder ihm zu, sah ihn an, besiegelte oder wägte irgend etwas in ihren Gedanken. Dann zeichnete sie mit dem Zeigefinger ernst seine Lippen nach, in der Mitte, wo sie ihn geküßt hatte. »Mein-Gott«, sagte sie und schüttelte mit dem gleichen Ernst den Kopf. Sie setzten ihren Aufstieg fort. Jerry blickte hoch und sah den braunen Gipfel der Insel täuschend nah und an den Hängen terrassenförmig angelegte, verkommene Reisfelder. Sie erreichten ein kleines Dorf, das nur noch von mißtrauischen Hunden bewohnt wurde, dann geriet die Bucht außer Sicht. Das Schulhaus war offen und leer. Durch die Tür sahen sie Wandbilder von kämpfenden Jagdflugzeugen. Auf der Schwelle standen Waschkrüge. Lizzie schöpfte mit den hohlen Händen und wusch sich das Gesicht. Die Hütten waren mit Draht und Ziegelsteinen gegen die Taifune verankert. Der Pfad wurde sandig, das Gehen mühsamer. »Immer noch richtig?« fragte er.

»Einfach rauf«, sagte sie, als sei sie es leid, immer wieder das gleiche zu sagen. »Einfach rauf, und dann kommt das Haus und basta. Herrgott, wofür hältst du mich denn? Für einen kompletten Idioten?«

»Ich habe kein Wort gesagt«, sagte Jerry. Er legte den Arm um sie, und sie schmiegte sich hinein, hingegeben, wie damals in der Tanzbar in Hongkong.

Drunten beim Tempel brüllte die Musik auf, als jemand die Lautsprecher ausprobierte, danach kam das Wimmern einer langsamen Melodie. Die Bucht war wieder in Sicht. Am Ufer hatte sich eine Menschenmenge angesammelt. Jerry sah noch mehr Rauchschwaden aufsteigen, und in der windstillen Hitze auf dieser Seite der Insel erhaschte er den Duft von Räucherwerk. Das Wasser war blau und klar und ruhig. Ringsum brannten an Pfählen weiße Lichter. Kos Jacht hatte sich nicht von der Stelle gerührt, die Polizeiboote auch nicht. »Siehst du ihn?« fragte er.

Sie blickte angestrengt in die Menge. Sie schüttelte den Kopf. »Macht wahrscheinlich ein Mittagsschläfchen«, sagte sie leichthin.

Die Sonnenglut war höllisch. Als sie in die Schattenzone kamen, war es, als sei plötzlich die Dämmerung eingefallen, und als sie wieder ins Sonnenlicht traten, schlug es ihnen wie Flammenhitze ins Gesicht. Die Luft war erfüllt von Libellen. Der Abhang war mit großen Felsbrocken bestreut, aber dort, wo Büsche wuchsen, rankten und wucherten sie überall und trieben üppige Blütentrichter, rote und weiße und gelbe. Leere Konservendosen von Picknicks lagen in Mengen herum. »Und das ist das Haus, von dem du gesprochen hast?«

»Hab' ich dir doch gesagt«, sagte sie.

Es war eine Ruine: eine verfallene, braune Stuckvilla mit klaffenden Mauern, aber einer hinreißenden Aussicht. Sie stand stolz über einem ausgetrockneten Flußbett und wurde durch einen Betonsteg mit dem Weg verbunden. Der Schlamm stank und summte von Insekten. Zwischen Palmen und Farnkraut boten die Überreste einer Veranda einen weiten Blick über das Meer und die Bucht. Als sie über den Steg schritten, nahm er ihren Arm. »Also, dann wollen wir mal«, sagte er. »Kein Verhör. Du erzählst einfach.«

»Wir gingen hier herauf, wie ich schon gesagt habe. Ich, Drake und der verdammte Tiu. Die Boys trugen einen Korb und die Getränke. Ich sagte: >Wohin gehen wir?<, und er sagte >Picknick<. Tiu wollte mich nicht dabeihaben, aber Drake sagte, ich könne mitkommen. >Du haßt doch das Zufußgehen<, sagte ich. >Ich habe noch nie gesehen, daß du auch nur die Straße überquert hättest !< >Heute gehen wir zu Fuß<, sagte er und macht wieder einmal auf Industriekapitän. Also trotte ich mit und halte den Mund.« Eine dicke Wolke verdunkelte bereits den Gipfel über ihnen und rollte langsam bergab. Die Sonne war verschwunden. Im Handumdrehen hatte die Wolke sie erreicht, und sie waren allein am Ende der Welt und sahen nicht einmal bis zu ihren eigenen Füßen. Sie tasteten sich ins Haus. Lizzie setzte sich ein Stück von ihm entfernt auf einen herabgefallenen Dachbalken. Chinesische Sprichwörter waren mit roter Farbe an den Türpfosten aufgemalt. Auf dem Fußboden lagen überall Picknickabfälle und längliche Knäuel Verpackungspapier herum.