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»Alles kalter Kaffee,« wetterte Connie, als sie davon erfuhr. Sie und di Salis warteten bedrückt auf die Einladung zur Mitarbeit im Team der Vettern. Connie ließ sich sogar Injektionen verabreichen, um in Form zu sein, aber die Einladung erging nicht. Weitere Erklärungen. Die Vettern hätten einen neuen Mann in Harvard, sagten die Housekeepers, als Connie im Rollstuhl bei ihnen anrauschte. »Wer?« fragte sie zornig.

Ein Professor Soundso, jung, Moskau-Spezialist. Er habe sich die Beobachtung der dunklen Seite der Moskauer Zentrale zur Lebensaufgabe gemacht, sagten sie und erst unlängst eine Arbeit fertiggestellt - nur zur Verbreitung im Dienstbereich -, basierend auf geheimdienstlichen Archivstudien, worin er auf das Maulwurfprinzip und sogar, in verschleierten Wendungen, auf Karlas Privatarmee zu sprechen gekommen sei. »Klar ist er das, dieser elende Wurm!« entfuhr es Connie unter bitteren Tränen der Enttäuschung. »Und er hat es alles aus Connies verdammten Berichten zusammengeklaut, oder? Und der Kerl heißt Culpepper, und er weiß über Karla genausoviel wie mein großer Zeh!«

Die Housekeepers vermochte indes nicht einmal der Gedanke an Connies großen Zeh aus dem Tritt zu bringen. Der neue Ausschuß hatte sich für Culpepper entschieden, nicht für Sachs. »Wartet nur, bis George zurückkommt!« drohte Connie ihnen mit Donnerstimme. Die Drohung machte erstaunlich wenig Eindruck.

di Salis kam nicht besser weg. China-Spezialisten gingen in Langley zwölfe auf ein Dutzend, wurde ihm erklärt. Eine wahre Schwemme, alter Junge. Tut uns leid, aber es ist ein Befehl von Enderby, sagten die Housekeepers. »Von Enderby?« echote di Salis.

Vom Ausschuß, sagten sie vage. Ein Mehrheitsbeschluß. Also wandte sich di Salis an Lacon, der in solchen Fällen gern als Ombudsman der kleinen Leute auftrat, und Lacon ging mit di Salis zum Lunch, und danach teilten sie sich die Rechnung, denn Lacon war nicht dafür, daß Staatsdiener sich gegenseitig auf Kosten der Steuerzahler zum Essen einluden.

»Übrigens, was haben Sie alle für ein Gefühl in bezug auf Enderby«, fragte er einmal während der Mahlzeit, und unterbrach damit di Salis' Jereminade über seine Vertrautheit mit den Chiu-Chow- und Hakka-Dialekten. Gefühl spielte im Moment eine große Rolle. »Macht er sich gut dort drüben? Ich hätte gedacht, die Art, wie er die Dinge sieht, sage Ihnen zu. Ist er nicht ziemlich realistisch? Was würden Sie sagen?« Realistisch bedeutete in Whitehall in jenen Tagen: auf der Seite der Falken.

di Salis eilte zum Circus zurück und berichtete Connie Sachs getreulich von dieser erstaunlichen Frage - was Lacon natürlich beabsichtigt hatte -, und danach wurde Connie nur noch selten gesehen. Sie verbrachte die Zeit damit, still »ihr Bündel zu schnüren«, wie sie es nannte: will heißen, ihr Archiv über die Moskauer Zentrale für die Nachwelt zu ordnen. Es gab im Haus einen jungen Wühlmäuserich, der sich ihrer Gunst erfreute, einen linkischen, aber liebenswürdigen jungen Mann namens Doolittle. Dieser Doolittle durfte zu ihren Füßen sitzen, während sie ihm weise Lehren zuteil werden ließ.

»Die alte Ordnung wird aus dem Haus gejagt«, prophezeite sie jedem, der es hören wollte. »Dieser Arschkriecher Enderby schlängelt sich durch die Hintertür rein. Ein Pogrom.« Zunächst begegnete man ihr mit dem gleichen Spott, dem Noah sich ausgesetzt sah, als er anfing, seine Arche zu bauen. Inzwischen nahm Connie, die auch die neue Lage richtig beurteilte, Molly Meakin beiseite und überredete sie, um ihre Entlassung einzugeben. »Sagen Sie den Housekeepers, Sie wollten sich um etwas Befriedigenderes umsehen, meine Liebe«, riet sie unter vielem Zwinkern und Zwicken. »Zumindest werden Sie eine Gehaltserhöhung herausholen.«

Molly befürchtete, beim Wort genommen zu werden, aber Connie kannte das Spiel zu gut. Also schrieb Molly ihr Entlassungsgesuch und erhielt sofort Anweisung, nach Dienstschluß vorzusprechen. Gewisse Veränderungen lägen in der Luft, vertrauten ihr die Housekeepers unter dem Siegel der Verschwiegenheit an. Man beabsichtige, eine jüngere und energischere Dienststelle aufzubauen und sie enger an Whitehall zu binden. Molly versprach feierlich, ihre Entscheidung nochmals zu überdenken, und Connie Sachs machte sich mit noch größerer Entschlossenheit ans Packen. Und wo war George Smiley nun während dieser ganzen Zeit? Im Fernen Osten? Nein. In Washington? Unsinn! Er war wieder in der Heimat und drückte sich irgendwo auf dem Land herum - Cornwall gefiel ihm besonders -, wo er der wohlverdienten Ruhe pflegte und seine Versöhnung mit Ann betrieb! Dann entschlüpfte einem der Housekeeper die Äußerung, George könnte an einer kleinen Überanstrengung leiden, und dieses Wort jagte allen einen Schauder über den Rücken, denn sogar das kleinste Würstchen in der Bankabteilung weiß, daß Überanstrengung, genau wie Altsein, eine Krankheit ist, für die es nur eine Therapie gibt, und Heilung ist von ihr schwerlich zu erwarten. Guillam kam eines Tages zurück, aber nur, um Molly in einen Urlaub zu entführen. Er weigerte sich, überhaupt etwas zu sagen. Wer ihn bei seinem Blitzbesuch in der fünften Etage gesehen hatte, sagte, er wirkt angeschlagen und habe offensichtlich eine kleine Pause nötig. Außerdem schien er sich das Schlüsselbein gebrochen zu haben: seine rechte Schulter war schwer bandagiert. Über die Housekeepers wurde bekannt, daß er ein paar Tage in der Privatklinik des Circusarztes am Manchester Square verbracht hatte. Aber noch immer war kein Smiley zu sehen, und die Housekeepers zeigten lediglich stahlharte Liebenswürdigkeit, wenn sie gefragt wurden, wann er zurückkommen werde. Die Housekeepers wurden in diesen Wochen zu einer Art Sternkammer, gefürchtet, aber unentbehrlich. Eines schönen Tages war auch Karlas Porträt verschwunden; es sei in der Reinigung, sagten die Spaßvögel.

Es war seltsam und einigermaßen erschreckend, daß niemand auf die Idee kam, das kleine Haus an der Bywater Street aufzusuchen und einfach auf die Türklingel zu drücken. Wer das getan hätte, der hätte Smiley dort angetroffen, höchstwahrscheinlich im Morgenrock, entweder beim Abwaschen oder mit der Zubereitung von Speisen beschäftigt, die er dann doch nicht aß. Manchmal, gewöhnlich in der Abenddämmerung, unternahm er einen einsamen Spaziergang im Park und starrte Leute an, als erkenne er sie halb und halb, so daß diese Leute ihn ebenfalls anstarrten und dann den Blick senkten. Oder er setzte sich in eines der billigeren Cafes an der King's Road, mit einem Buch zum Zeitvertreib und gezuckertem Tee zur Labung, denn er hatte seine guten Vorsätze aufgegeben, der schlanken Linie zuliebe nur noch Süßstoff zu nehmen. Ein Beobachter hätte feststellen können, daß er viel Zeit damit zubrachte, auf seine Hände zu blicken und die Brille am Krawattenende zu putzen, oder zum soundsovielten Mal den Brief zu lesen, den Ann ihm hinterlassen hatte, und der sehr lang war, aber nur wegen der vielen Wiederholungen. Lacon machte ihm einen Besuch, desgleichen Enderby, und einmal kam Martello, der jetzt wieder als Londoner auftrat, gemeinsam mit den beiden. Denn man war einhellig der Meinung, die niemand aufrichtiger teilte als Smiley selber, daß die Übergabe im dienstlichen Interesse so kurz und schmerzlos wie möglich vor sich gehen sollte. Smiley äußerte gewisse Wünsche bezüglich der Mitarbeiter, und sie wurden von Lacon gewissenhaft notiert. Zudem ließ Lacon durchblicken, daß das Schatzamt, allerdings nur, was den Circus betreffe, zur Zeit in Geberlaune sei. Zumindest in der Geheimwelt war der Sterlingkurs im Steigen. Diesen Sinneswandel habe nicht nur der Erfolg von »Unternehmen Delphin« herbeigeführt, sagte Lacon. Die Begeisterung der Amerikaner über Enderbys Ernennung sei überwältigend. Man habe sie sogar auf höchster diplomatischer Ebene gefühlt. Spontaner Beifall, so drückte Lacon sich aus. »Saul weiß wirklich, wie man mit ihnen reden muß«, sagte er, »Ja? Ah, gut. Well, gut«, sagte Smiley und nickte heftig Zustimmung, wie es Schwerhörige tun.