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Bis jetzt war Old Craw so leblos gewesen wie ein Dodo. Nun blickte er jäh auf.

»Wähl nochmal, du Narr«, befahl er scharf wie ein Feldwebel beim Exerzieren.

Achselzuckend wählte Deathwish wiederum Thesingers Nummer, und ein paar von ihnen gingen hinüber und sahen ihm dabei zu. Craw blieb, wo er war, und beobachtete. Es gab zwei Apparate. Deathwish probierte es mit dem zweiten, aber das Ergebnis blieb das gleiche.

»Ruf die Vermittlung an«, befahl Craw quer durch das Lokal. »Steh nicht da wie die schwangere Jungfrau. Ruf die Vermittlung an, du afrikanischer Baumaffe.«

»Kein Anschluß unter dieser Nummer«, sagte die Vermittlung. »Seit wann, Menschenskind?« fragte Deathwish. »Keine weiteren Angaben«, sagte die Vermittlung. »Haben die vielleicht ne neue Nummer gekriegt? Hallo! Vermittlung!« heulte Deathwish in die Muschel. Niemand hatte ihn je so aufgebracht gesehen. Das Leben war für Deathwish etwas, was sich vor dem Sucher abspielte: an dieser Leidenschaftlichkeit konnte nur der Taifun schuld sein. »Keine weiteren Angaben«, sagte die Vermittlung. »Ruf Shallow Throat an«, befahl Craw, der jetzt richtig wütend war. »Ruf jeden verdammten Protokollhengst in der Kolonie an.« Deathwish. schüttelte zweifelnd den langen Kopf. Shallow Throat war der offizielle Regierungssprecher, ihnen allen ein Dorn im Auge. Ihn um irgend etwas angehen hieß das Gesicht verlieren. »Los, gib ihn mir«, sagte Craw, stand auf, schob die anderen beiseite, griff nach dem Telefon und hob ein makabres Werben um Shallow Throat an. »Ihr ergebener Craw hier, Sir, Ihnen stets zu Diensten. Wie geht's Euer Eminenz an Leib und Seele? Sehr erfreut, Sir, sehr erfreut. Und die Frau Gemahlin und die Kleinen, Sir? Essen schön ihren Teller leer, will ich hoffen? Kein Kopfgrind, kein Typhus? Wundervoll. Also dann, vielleicht würden Sie die Güte haben, mir mitzuteilen, warum zum Teufel Tufty Thesinger sich aus dem Staub gemacht hat?«

Sie beobachteten ihn, aber seine Züge waren wie versteinert, und es gab nichts aus ihnen zu lesen.

»Danke sehr, gleichfalls, Sir!« schnaubte er schließlich und hieb den Hörer so hart auf die Gabel, daß der ganze Tisch einen Satz machte. Dann wandte er sich an den alten schanghainesischen Kellner. »Monsignore Goh, Sir, besorgen Sie mir eine Benzinkutsche, seien Sie so freundlich! Ehrwürdens, lüftet eure Ärsche, die ganze Bande!«

»Warum zum Teufel?« fragte der Zwerg, in der Hoffnung, der Befehl gelte auch für ihn.

»Weil's 'ne Story gibt, du rotziger kleiner Kardinal, 'ne Story, ihr versoffenen Eminenzen. Und Reichtum, Ruhm, Weiber und ein langes Leben!«

Seine grimmige Laune war ihnen allen ein Rätsel.

»Was hat Shallow Throat denn so Schlimmes gesagt?« fragte der zottige kanadische Cowboy ratlos.

Der Zwerg echote: »Ja, was hat er denn gesagt, Bruder Craw?«

»Er hat gesagt: Kein Kommentar«, erwiderte Craw mit schöner Würde, als wären diese Worte der gemeinste Schandfleck auf seiner Berufsehre.

Also fuhren sie alle zum Peak hinauf, nur die schweigende Mehrheit der Säufer blieb friedlich sitzen. Der zerfahrene Deathwish, der lange Luke, der zottige kanadische Cowboy, ein malerischer Anblick mit seinem mexikanischen Revoluzzer Schnurrbart, der Zwerg, wie immer nicht abzuschütteln, und schließlich Old Craw und die beiden Armyweibchen: eine Plenarsitzung des Shanghai Junior Baptist Conservative Bowling Club also, nebst Damen - obwohl der Club auf Ehelosigkeit eingeschworen war. Wunderbarerweise brachte der lustige kantonesische Chauffeur sie alle unter, ein Triumph der Masse über physikalische Gesetze. Er war sogar einverstanden, drei Quittungen über den jeweils vollen Fahrpreis auszustellen, eine für jeden beteiligten Journalisten: was kein Taxichauffeur von Hongkong jemals getan hatte oder in Zukunft tat. Ein Tag, der alles bisher Dagewesene über den Haufen warf. Old Craw saß vorn, auf dem Kopf den berühmten weichen Strohhut mit den Eton-Farben am Band, den ihm ein alter Kamerad testamentarisch vermacht hatte. Der Zwerg kauerte über dem Schalthebel, die drei anderen Männer saßen hinten und die beiden Mädchen hatten sich Luke auf den Schoß gesetzt, so daß er Mühe hatte, sich die Lippen abzutupfen. Der Rocker war offenbar nicht am Mitkommen interessiert gewesen. Er hatte die Serviette in den Kragen gestopft und harrte der Spezialität des Clubs in Form von gegrilltem Lamm mit Pfefferminzsoße und reichlich Kartoffeln. »Und noch ein Bier! Aber diesmal kalt, verstanden? Sehl kalt, und zwar luck zuck!«

Aber sobald die Luft rein war, benutzte auch der Rocker das Telefon und sprach mit einer zuständigen Stelle, nur um ganz sicher zu gehen, obwohl beide Teilnehmer der Meinung waren, daß sich gar nichts machen lasse.

Das Taxi war ein roter Mercedes, ziemlich neu, aber nirgends geht ein Wagen so schnell vor die Hunde wie am Peak, wo es im Schneckentempo mit voll aufgedrehter Klimaanlage endlos bergauf geht. Das Wetter war und blieb mörderisch. Als sie langsam die Zementklippen hinaufwimmerten, umfing sie ein Nebel, an dem man fast erstickte. Und als sie ausstiegen, war es sogar noch schlimmer. Ein heißer, unbeweglicher Vorhang, geschwängert von Benzingestank und getränkt mit dem Lärm aus dem Tal hatte sich über den Gipfel gebreitet. Die Feuchtigkeit wallte in dünnen heißen Schwaden. An einem klaren Tag hätten sie nach beiden Seiten Aussicht gehabt, eine der schönsten der Welt: im Norden auf Kaulun und die blauen Berge der New Territories, hinter denen sich die achthundert Millionen Chinesen, denen nicht das Glück britischer Herrschaft lächelte, den Blicken entzogen; im Süden auf Repulse und Deep Water Bays und hinaus aufs offene Chinesische Meer. Die Royal Navy hatte schließlich in der ihr eigenen Naivität in den zwanziger Jahren High Haven erbaut, damit es das Gefühl von Macht repräsentiere und ausstrahle. Doch befände sich das Haus nicht in einer Mulde, von Bäumen umstanden, die danach strebten, den Himmel zu erreichen, und hätten sie nicht den Nebel abgehalten, dann wäre an jenem Nachmittag nichts weiter zu sehen gewesen als die beiden weißen Betonsäulen mit den Klingelknöpfen für »Tag« und »Nacht« und die abgesperrten Gittertor dazwischen. Doch dank der Bäume sahen sie das Haus ganz deutlich, obwohl es fünfzig Yards zurückgesetzt war. Sie konnten die Regenrinnen unterscheiden, die Feuertreppen und die Wäscheleinen, und sie konnten die grüne Kuppel bewundern, die die japanische Armee während ihres vierjährigen Aufenthalts draufgesetzt hatte. Der Zwerg, der sich nützlich machen wollte, lief hin und drückte die Klingel mit dem Schildchen »Tag«. Eine Sprechanlage war in die Säule eingebaut, und sie starrten alle darauf und warteten, daß sie tönen würde, oder, wie Luke sich ausdrückte, Opiumrauch ausstoße. Am Straßenrand hatte der kantonesische Fahrer das Autoradio auf volle Lautstärke gedreht, es spielte unermüdlich ein winselndes chinesisches Liebeslied. Die zweite Säule war kahl bis auf ein Messingschild mit der Aufschrift Inter Services Liaison Staff, Thesingers fadenscheinige Legende. Deathwish der Hunne hatte eine Kamera gezückt und fotografierte so methodisch, als wäre er auf einem seiner vertrauten Schlachtfelder. »Vielleicht arbeiten sie sonnabends nicht«, gab Luke zu bedenken, während sie weiter warteten, worauf Craw ihn einen blutigen Esel nannte: Spione arbeiteten sieben Tage in der Woche rund um die Uhr, sagte er. Auch äßen sie niemals, ausgenommen Tufty. »Wünsche einen schönen guten Tag,« sagte der Zwerg. Er hatte die Nachtklingel gedrückt und die gespitzten roten Lippen den Schlitzen der Sprechanlage genähert. In, wie man ihm zubilligen mußte, überraschend gekonntem Oberklassen-Englisch flötete er hinein:

»Mein Name ist Michael Hanbury-Steadly-Heamoor, ich bin Erster Bumsboy bei Big Moo. Ich würde, biete, gern Major Thesinger in einer wichtigen Angelegenheit sprechen, biete, da ist eine pilzförmige Wolke, die der Herr Major vielleicht noch nicht gesehen haben, schoint über dem Perrifluß aufzusteigen und beeinträchtigt Big Moos Golfplatz. Tanke schön. Würden Sie freundlicherweise das Tor öffnen?« Eines der blonden Mädchen kicherte.