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Der Artikel im Goldenen Orient hatte sie als »anfängliche Geschäftspartnerin« bezeichnet. Jerry glaubte, zwischen den Zeilen lesen zu dürfen, daß sie eines der Mädchen im Ritz Ballroom gewesen war. Das Gebrüll der Menge schwoll an.

»Haben Sie auf ihn gesetzt, Westerby? Haben Sie, Mann?« Schotte Clive Porton segelte auf ihn zu, schweißbedeckt vom Trinken. »Open Space, Herrgott! Sogar bei den jetzigen Odds verdienen Sie immer noch ein paar Dollar! Los Mann, das ist todsicher!«

Das »Ab« ersparte ihm eine Antwort. Das Gebrüll stockte, erhob sich wieder und schwoll weiter an. Rings um ihn plätscherte ein Durcheinander von Namen und Zahlen auf den Tribünen, die Pferde schossen aus den Startboxen, von ohrenbetäubendem Lärm angefeuert. Die erste geruhsame Achtelmeile hatte begonnen. Warten: Raserei folgt dem Müßiggang. Wenn sie im ersten Morgengrauen trainierten, erinnerte Jerry sich, sind ihre Hufe umwickelt, damit die Anwohner nicht im Schlaf gestört wurden. Manchmal, in den alten Tagen, wenn Jerry zwischen Kriegsberichten der Stoff ausging, stand er früh auf und kam hier herunter, nur um ihnen zuzusehen, und wenn er Glück hatte und einen einflußreichen Freund fand, ging er mit den Tieren zu den klimatisierten vielgeschossigen Stallungen, in denen sie lebten, um zuzusehen, wie sie versorgt und verwöhnt wurden. Tagsüber indessen übertönte das Brausen des Straßenlärms ihr Donnern vollständig, und die glänzende Traube, die so langsam näherkam, machte überhaupt kein Geräusch, sondern schwamm auf dem dünnen smaragdenen Fluß.

»Open Space allerwege«, verkündete Clive Porton unsicher, als er durch das Glas blickte. »Der Favorit hat's geschafft. O ja. Open Space, gut gemacht, Junge.« Sie bogen in die lange Kurve vor der Zielgeraden ein. »Komm schon, Open Space, reiß dich zusammen, Mann, reite! Nimm doch die Peitsche, du Trottel!« schrie Porton, denn jetzt war auch dem bloßen Auge klar, daß die himmelblauen und meergrauen Farben von Lucky Nelson sich nach vorn schoben und daß seine Konkurrenten ihm höflich Platz machten. Ein zweites Pferd setzte zu einer kurzen Herausforderung an, fiel dann zurück, aber Open Space lag bereits drei Längen hinten, während sein Jockey wütend mit der Peitsche auf die Luft rings um die Kruppe seines Pferdes einschlug.

»Schiebung!« brüllte Porton. »Wo ist die Rennleitung, verdammt nochmal? Dieses Pferd wurde gepullt! Ich habe im ganzen Leben noch nie gesehen, daß ein Pferd so offenkundig gepullt wurde!« Als Lucky Nelson elegant am Zielpfosten vorbeizog, wandte Jerry den Blick rasch wieder nach rechts und nach unten. Ko schien ungerührt. Es war nicht orientalische Unergründlichkeit: von diesem Mythos hatte Jerry nie etwas gehalten. Bestimmt war es nicht Gleichgültigkeit. Er wohnte einfach der zufriedenstellenden Abwicklung einer Zeremonie bei: Mr. Drake Ko nimmt einen Vorbeimarsch seiner Truppen ab. Seine kleine verrückte Frau stand mit steifem Rücken neben ihm, als würde endlich, nach all den Kämpfen ihres Lebens, ihre Siegerhymne gespielt. Einen Augenblick mußte Jerry an Old Pet in ihren besten Jahren denken. Genau wie Pet, dachte Jerry, wenn Sambos Stolz auf einen guten achtzehnten Platz kam. Genauso hatte sie dagestanden und die Niederlage mit Fassung getragen.

Die Siegerehrung war wie aus dem Bilderbuch. Man vermißte vielleicht ein Kuchenbuffet, aber der Sonnenschein übertraf gewiß alle Erwartungen auch des optimistischsten Organisators einer englischen Dorffete; und die Silberpokale waren weit großzügiger als der verkrätzte kleine Becher, den der Squire dem Sieger im Dreibeinwettlauf überreichte. Die sechzig uniformierten Polizisten waren ebenfalls vielleicht eine Spur angeberisch. Aber die huldvolle Dame mit dem Turban á la dreißiger Jahre, die der langen weißen Tafel vorsaß, war so gräßlich und arrogant, daß sie den Anforderungen auch des anspruchsvollsten Patrioten Genüge getan hätte. Sie kannte das Protokoll genau. Der Vorsitzende der Rennleitung reichte ihr den Pokal, und sie hielt ihn sofort weit von sich ab, als wäre er zu heiß für ihre Hände. Drake Ko und seine Frau, beide gewaltig grinsend, Ko noch immer mit der Baskenmütze, tauchten aus einer Traube entzückter Supporters auf und schnappten sich den Pokal, aber sie trippelten so rasch und fröhlich über den abgesperrten Grasfleck hin und zurück, daß der Fotograf nicht vorbereitet war und die Akteure bitten mußte, den Augenblick der Krönung noch einmal zu spielen. Der huldvollen Dame war dies ungemein lästig, und Jerry fing über das Geplapper der Zuschauer hinweg ein affektiertes »verdammter Schwachkopf« auf. Dann war der Pokal Ko endgültig zu eigen, die huldvolle Dame trennte sich mißmutig von Gardenien im Wert von sechshundert Dollar, Ost und West kehrten erleichtert in ihre getrennten Quartiere zurück. »Auf ihn gesetzt?« erkundigte sich Captain Gram liebenswürdig. Sie schlenderten zu den Tribünen zurück. »Hm, ja, hab' ich«, gestand Jerry feixend. »Freudige Überraschung sozusagen, wie?«

»Oh, es war Kos Rennen, all right«, sagte Grant nur. Sie spazierten eine Weile dahin. »Eine gute Nase haben Sie. Besser als wir. Möchten Sie mit ihm sprechen?«

»Mit wem sprechen?«

»Ko. Solange er noch siegestrunken ist. Vielleicht kriegen Sie ausnahmsweise etwas aus ihm raus«, sagte Grant mit seinem wohlwollenden Lächeln. »Kommen Sie, ich stelle Sie ihm vor.« Jerry zögerte nicht. Als Reporter hatte er allen Grund, »ja« zu sagen. Als Spion - nun ja, in Sarratt sagen sie manchmal, nichts sei an sich gefährlich, erst das Denken mache es dazu. Sie schlenderten zu der Gruppe zurück. Die Ko-Lobby hatten einen unvollkommenen Kreis um den Pokal gebildet, und das Gelächter war sehr laut. Im Mittelpunkt, direkt neben Ko, stand der fette Philippino mit seinem schönen Mädchen, und Ko alberte mit dem Mädchen herum, küßte es auf beide Wangen, küßte es dann nochmals, während alle lachten, ausgenommen Kos Frau, die sich demonstrativ an den Rand zurückgezogen hatte, um mit einer Chinesin ihres eigenen Alters zu plaudern.

»Das ist Arpego«, sagte Grant Jerry ins Ohr und wies auf den fetten Philippino. »Ihm gehören Manila und das Großteil der umliegenden Inseln.«

Arpegos Wanst thronte stramm über seinem Gürtel, wie ein kleiner Felsen, den er sich unters Hemd gestopft hatte.

Grant hielt nicht direkt auf Ko zu, sondern wandte sich an einen vierzigjährigen, stämmigen Chinesen mit sanften Zügen, der einen stratoblauen Anzug trug und eine Art Adjutant zu sein schien. Jerry hielt sich wartend abseits. Der rundliche Chinese kam zu ihm herüber, Grant an seiner Seite.

»Das ist Mr. Tiu«, sagte Grant ruhig. »Mr. Tiu, das ist Mr. Westerby, Sohn des Großen.«

»Sie möchten mit Mr. Ko sprechen, Mr. Wessby?«

»Wenn es möglich ist.«

»Natürlich ist es möglich«, sagte Tiu begeistert. Die pummeligen Hände wedelten ruhelos vor seinem Magen herum. Am rechten Handgelenk trug er eine goldene Uhr, die Finger waren gekrümmt, als wollten sie Wasser schöpfen. Er war glatt und glänzend und hätte ebensogut dreißig wie sechzig sein können. »Mr. Ko gewinnt Rennen. Ich bringe ihn herüber. Bleiben Sie hier. Wie heißt Ihr Vater?«

»Samuel«, sagte Jerry.