Выбрать главу

»Nehmen wir Ihre These einmal als gegeben an. Ein geheimdienstlicher Fonds, alles so, wie Sie sagen.« Smiley nickte vage.

»Gibt es Anhaltspunkte dafür, daß Ko in der Kolonie Wühlarbeit leistet?«

»Nein.«

Lacon warf einen Blick auf seine Notizen. Guillam fand, daß er fleißig Hausaufgaben gemacht haben mußte.

»Er predigt zum Beispiel nicht den Rückzug ihrer Sterlingreserven aus London? Was uns weitere neunhundert Millionen Pfund in die roten Zahlen bringen würde?«

»Meines Wissens: nein.«

»Er sagt nicht, daß wir die Insel räumen sollen. Er zettelt keine Aufstände an oder drängt auf Verschmelzung mit dem Festland oder hält uns den elenden Vertrag unter die Nase?«

»Nicht daß wir wüßten.«

»Er ist kein Gleichmacher. Er fordert keine einflußreichen Gewerkschaften, oder freies Wahlrecht, oder Mindestlöhne, oder allgemeine Schulpflicht, oder Rassengleichheit, oder ein eigenes Parlament für die Chinesen anstelle ihrer zahmen Körperschaften oder wie immer sie heißen?«

»Legco und Exco«, schnappte Wilbraham. »Und sie sind nicht zahm.«

»Nein, das tut er nicht«, sagte Smiley.

»Was tut er dann?« unterbrach Wilbraham erregt. »Nichts. Das ist die Antwort. Sie sind völlig auf dem Holzweg. Jagen Hirngespinsten nach.«

»Ich darf noch bemerken«, fuhr Lacon fort, als hätte er nichts gehört, »daß er vermutlich ebensoviel zum Wohle der Kolonie tut wie jeder andere reiche und angesehene chinesische Geschäftsmann. Oder ebensowenig. Er diniert mit dem Gouverneur, aber ich glaube nicht, daß er schon einmal den Safe geplündert hat. Er ist in der Tat nach außen hin so etwas wie ein Prototyp in Hongkong: Steward des Jockey Club, unterstützt karitative Einrichtungen, ist eine Säule der integrierten Gesellschaft, erfolgreich, wohltätig, besitzt den Reichtum eines Krösus und die Geschäftsmoral eines Bordells.«

»Hören Sie, das ist ein bißchen stark!« protestierte Wilbraham. »Langsam Oliver. Denken Sie doch an die neuen Sozialbauten.« Wiederum schenkte Lacon ihm keine Beachtung: »Abgesehen vom Victoriakreuz, einer Kriegsinvalidenrente und dem Baronstitel ist es daher schwer vorstellbar, wie er ein noch weniger geeignetes Ziel für die Verfolgung durch einen britischen oder die Anwerbung durch einen russischen Geheimdienst sein könnte.«

»In meiner Welt nennen wir das gute Legende«, sagte Smiley.

»Touche, Oliver«, sagte Enderby voll Genugtuung.

»Ach, heutzutage ist alles Legende«, sagte Wilbraham düster, aber das zog Lacon auch nicht aus der Affäre.

Runde eins an Smiley, dachte Guillam hocherfreut und erinnerte sich an das gräßliche Dinner in Ascot: Hitti-pitti an der Wand, und bums, da macht es Plumps, trällerte er im stillen mit gebührender Anerkennung für seine Gastgeberin.

»Hammer?« sagte Enderby, und das Schatzamt durfte sich kurz Luft machen und Smiley wegen seiner Abrechnungen die Leviten lesen, aber niemand außer dem Schatzamt schien Smileys Verfehlungen wichtig zu nehmen.

»Das entspricht nicht dem Zweck, für den Ihnen ein Überbrückungsfonds zugestanden wurde«, beharrte Hammer in zunehmender Entrüstung. »Das waren ausschließlich Post-mortem-Zahlungen -.«

»Schön, schön, Georgie ist also ein ganz böser Junge«, unterbrach Enderby schließlich und stopfte Hammer den Mund. »Hat er sein Geld ins Klo gespült oder hat er's beiseite geschafft? Das ist die Frage. Chris, höchste Zeit, daß das Empire mal wieder was zu sagen hat.«

Auf diese direkte Aufforderung hin ergriff Wilbraham in aller Form das Wort, moralisch unterstützt von seiner Dame in Braun und seinem rothaarigen Assistenten, dessen junges Gesicht bereits grimmige Entschlossenheit ausdrückte, seinen Gebieter zu beschützen.

Wilbraham gehörte zu den Leuten, die gar nicht bemerken, wie lange sie zum Denken brauchen. »Ja«, begann er nach einer Ewigkeit. »Ja. Ja, well, ich möchte zunächst noch bei dem Geld bleiben, wenn Sie gestatten, so wie Lacon.« Es war bereits klar, daß er die Eingabe als einen Übergriff auf sein Terrain betrachtete. »Schließlich ist dieses Geld alles, woran wir uns halten können«, bemerkte er treffend und blätterte eine Seite in seinem Hefter zurück. »Ja.« Worauf eine weitere endlose Unterbrechung folgte. »Sie schreiben hier, das Geld sei ursprünglich aus Paris über Vientiane gekommen.« Pause. »Dann schalteten die Russen auf ein anderes System um, sozusagen, und es wurde durch einen völlig anderen Kanal geleitet. Eine Hamburg-Wien-Hongkong-Route. Endlose Verwicklungen, Winkelzüge, und so weiter - wir setzen voraus, daß Ihre Version stimmt, - ja? Gleiches Karnickel, anderer Zylinder, sozusagen. Gut. Und warum, glauben Sie, haben sie das getan, sozusagen?«

Sozusagen, registrierte Guillam, der ein sehr scharfes Gehör für sprachliche Eigenarten hatte.

»Es ist eine wohldurchdachte Praxis, die Routine von Zeit zu Zeit zu wechseln«, erwiderte Smiley und wiederholte damit die Erklärung, die er bereits in der Eingabe geliefert hatte. »Verfahrenstechnik, Chris«, warf Enderby ein, der immer gern sein bißchen Fachjargon leuchten ließ, und Martindale, noch immer piano, warf ihm eine bewundernden, Blick zu. Wiederum brachte sich Wilbraham langsam in Gang. »Wir müssen uns davon leiten lassen, was Ko tut«, erklärte Wilbraham in verständnislosem Eifer und ließ die Fingerknöchel auf dem Filzbelag trommeln. »Nicht von dem, was er bekommt. Dabei bleibe ich. Schließlich, ich meine, zum Donnerwetter, das Geld gehört doch nicht Ko, oder? Dem Gesetz nach hat es nichts mit ihm zu tun.« Das Argument verursachte kurzes verwirrtes Schweigen. »Seite zwei, oben. Das ganze Geld ist auf einem Treuhandkonto.« Großes Geraschel, als alle, mit Ausnahme von Smiley und Guillam, nach ihren Heftern griffen. »Ich meine, es wird nicht nur nichts davon ausgegeben - was an sich schon reichlich sonderbar ist, ich komme gleich darauf -, es ist einfach nicht Kos Geld. Es wird treuhänderisch verwaltet, und wenn der Verfügungsberechtigte sich einstellt, wer immer er oder sie sein mag, dann gehört es dem Verfügungsberechtigten. Bis dahin bleibt es auf dem Konto. Sozusagen. Also, ich meine, was hat Ko Unrechtes getan? Ein Treuhandkonto eröffnet? Gibt kein Gesetz dagegen. Wird alle Tage gemacht. Besonders in Hongkong. Der Verfügungsberechtigte - oh, der könnte überall sein! In Moskau, in Timbuktu oder . . . « Es schien ihm kein dritter Ort mehr einzufallen, also gab er es auf, zum Mißbehagen seines feuerköpfigen Assistenten, der Guillam finster anstarrte, als wolle er ihn herausfordern. »Sache ist die: was liegt gegen Ko vor?« Enderby hatte ein Streichholz in den Mund gesteckt und rollte es zwischen den Vorderzähnen. Vielleicht im Bewußtsein dessen, daß sein Gegenspieler ein gutes Argument schlecht vorgebracht hatte - während seine eigene Spezialität im umgekehrten Verfahren lag -, nahm er das Streichholz heraus und betrachtete das angesabberte Ende.

»Was zum Teufel soll dieser ganze Schiet über Daumenabdrücke, George?« fragte er, vielleicht in dem Bestreben, Wilbrahams Erfolg zu schmälern. »Klingt wie aus Phillips Oppenheim.« Belgravia Cockney, dachte Guillam: das letzte Stadium sprachlichen Niedergangs.

Smileys Antwort klang ungefähr so leidenschaftlich wie die Zeitansage:

»Der Gebrauch von Daumenabdrücken ist bei den Banken an der chinesischen Küste eine altehrwürdige Praxis. Sie stammt aus den Tagen des weit verbreiteten Analphabetentums. Viele Überseechinesen bedienen sich lieber britischer Banken als ihrer eigenen, und die Struktur dieses Kontos ist keineswegs ungewöhnlich. Der Verfügungsberechtigte weist sich durch visuelle Mittel aus, zum Beispiel durch die Hälfte einer durchgerissenen Banknote, oder in diesem Fall durch den Abdruck seines Daumens, des linken, da angenommen wird, er sei weniger durch schwere Arbeit abgenutzt als der rechte. Die Bank wird kaum mit der Wimper zucken, vorausgesetzt, daß der Eröffner des Treuhandkontos sie von jeder Verantwortung im Fall einer irrtümlichen oder widerrechtlichen Auszahlung entbunden hat.«