Wie Hongkongs Fischerei- und Dschunkenflotte sich eines doppelten Heimatrechts erfreute, in Hongkong und entlang der chinesischen Küste, und ungehindert in chinesischen Gewässern ein- und auslaufe -.
Enderby unterbrach ihn mit einer hilfreichen Frage:
»Und Ko besitzt eine eigene Dschunkenflotte. Sagten Sie nicht, er sei einer der letzten Wackeren der Gilde?«
»Ja, ja, das stimmt.«
»Aber er sucht das Festland nicht persönlich auf?«
»Nein, nie. Das tut sein Assistent, aber nach unseren Ermittlungen Ko selbst niemals.«
»Assistent?«
»Er hat einen Freund und Manager namens Tiu. Die beiden sind schon seit zwanzig Jahren beisammen. Länger. Sie kommen aus dem gleichen Stalclass="underline" Hakka, Schanghai und so weiter. Tiu ist in mehreren Firmen sein Strohmann.«
»Und Tiu sucht regelmäßig das Festland auf?«
»Mindest einmal im Jahr.«
»Größere Reisen?«
»Kanton, Peking und Schanghai sind aktenkundig. Aber die Akte ist nicht notwendigerweise vollständig.«
»Aber Ko bleibt zu Hause. Komisch.«
Da keine weiteren Fragen oder Kommentare hierzu kamen, fuhr Smiley in seiner Anpreisung der Reize Hongkongs als Spionagebasis fort. Hongkong sei einmalig, stellte er schlicht fest. Kein anderer Ort der Welt biete auch nur ein Zehntel der Voraussetzungen für ein Fußfassen in China.
» Voraussetzungen!« echote Wilbraham. »Versuchungen sollten Sie sagen.«
Smiley zuckte die Achseln. »Versuchungen, wenn Sie so wollen«, stimmte er zu. »Der sowjetische Geheimdienst ist nicht gerade berühmt für seine Widerstandskraft in dieser Hinsicht.« Und unter einigem wissenden Gelächter setzte er die Aufzählung dessen fort, was bisher an Vorstößen der Zentrale auf das chinesische Ziel als Ganzes bekannt war: ein kombinierter Abriß aus Connie und di Salis. Er schilderte die Bemühungen der Zentrale, einen Angriff von Norden her zu führen, mittels einer Groß-Anwerbung und Infiltration der eigenen Leute chinesischer Volkszugehörigkeit. Erfolglos, sagte er. Er schilderte ein gewaltiges Netz von Lauschposten entlang der viereinhalbtausend Meilen chinesisch-russischer Landgrenze: unproduktiv, sagte er, denn die Ausbeute sei militärischer Art, während die Gefahr politischer Natur sei. Er kolportierte die Gerüchte sowjetischer Annäherungsversuche an Taiwan, den Vorschlag, gemeinsame Sache gegen die chinesische Bedrohung zu machen durch kombinierte Operationen und geteilten Profit: abgelehnt, sagte er, und wahrscheinlich überhaupt nur als Störung geplant, um Peking zu ärgern, nicht zum vorgegebenen Zweck. Er gab Beispiele dafür, wie die Russen ihre Talentsucher auf Chinesengemeinden in London, Amsterdam, Vancouver und San Francisco ansetzten und streifte die verhüllten Vorschläge der Zentrale an die Vettern vor einigen Jahren, man solle einen »Nachrichten-Pool« schaffen, der den gemeinsamen Feinden Chinas zugänglich wäre. Fruchtlos, sagte er. Die Vettern zogen nicht. Und schließlich kam er noch auf die lange Geschichte wilder Verbrennungs- und Bestechungsoperationen der Zentrale gegen Amtsträger Pekings auf überseeischen Posten: Produkt unbestimmt, sagte er. Nachdem das gesagt war, lehnte er sich zurück und stellte nochmals die These auf, die an diesem ganzen Hin und Her schuld war.
»Früher oder später«, wiederholte er, »muß die Moskauer Zentrale in Hongkong auftauchen.«
Womit wiederum Ko an der Reihe war, und Roddy Martindale, der unter Enderbys Adlerauge den nächsten wirklichen Waffengang einleitete:
»Well, was glauben Sie, wofür das Geld ist, George? Ich meine, wir haben jetzt alles gehört, wofür es nicht ist, und wir haben gehört, daß es nicht ausgegeben wird. Aber wir sind keinen Schritt weiter, oder?, verdammt nochmal. Sieht nicht aus, als wüßten wir etwas. Es ist die gleiche alte Frage: wie wird das Geld verdient, wie wird es ausgegeben, was sollen wir tun?«
»Das sind drei Fragen«, sagte Enderby leise, aber hart.
»Eben weil wir nichts wissen«, sagte Smiley störrisch, »ersuchen wir um die Genehmigung, es festzustellen.«
Von den Schatzamtbänken her sagte jemand: »Ist eine halbe Million viel Geld?«
»Nach meiner Erfahrung beispiellos«, sagte Smiley. »Die Moskauer Zentrale« - er vermied pflichtschuldig den Namen Karla -»hat es schon immer gehaßt, Loyalität zu kaufen. Und ein Kaufpreis in dieser Höhe ist bei ihnen etwas Unerhörtes.«
»Aber wessen Loyalität wollen sie kaufen?« wehklagte jemand. Martindale der Gladiator warf sich erneut ins Getümmeclass="underline" »Sie sagen uns nicht alles, George. Das weiß ich. Sie haben irgendeinen Tip, ganz klar. Also rücken Sie schon raus damit. Seien Sie nicht so spröde.«
»Ja, könnten Sie nicht doch ein paar Karten aufdecken?« lamentierte auch Lacon.
»Bestimmt können Sie doch ein bißchen mehr auspacken«, flehte Hammer.
Selbst unter diesem Dreifrontendruck wankte Smiley noch immer nicht. Der Panik-Faktor tat endlich seine Wirkung. Smiley selbst hatte ihn ausgelöst. Wie ängstliche Patienten bestürmten sie ihn um eine Diagnose. Und Smiley weigerte sich, eine solche zu stellen, mit der Begründung, daß ihm die Daten fehlten. »Glauben Sie mir, ich kann nichts weiter tun, als Ihnen die Fakten mitteilen, soweit sie feststehen. Wenn ich in diesem Stadium laute Spekulationen anstellte, wäre niemandem gedient.« Zum erstenmal seit Beginn der Sitzung tat die Kolonialdame den Mund auf und stellte eine Frage. Ihre Stimme war wohlklingend und intelligent.
»Um auf den Punkt Präzedenzfälle zurückzukommen, Mr. Smiley -« Smiley zog den Kopf ein und machte eine altmodische kleine Verbeugung -. »Gibt es Präzedenzfälle dafür, daß geheime russische Gelder an einen Treuhänder gezahlt wurden? Auf anderen Schauplätzen, zum Beispiel?«
Smiley antwortete nicht sofort. Guillam, der nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt saß, hätte geschworen, eine plötzliche Spannung zu spüren, als hätte seinen Nachbarn ein jäher Energiestoß durchzuckt. Aber als er einen Blick auf das ungerührte Profil warf, konnte er an seinem Herrn und Meister nur zunehmende Schläfrigkeit und ein leichtes Absacken der müden Lider konstatieren.
»Es gab ein paar Fälle von dem, was wir als Alimente bezeichnen«, räumte er schließlich ein.
»Alimente, Mr. Smiley?« echote die Kolonialdame, während ihr rothaariger Gefährte noch fürchterlicher die Stirn runzelte, als gehörten auch Ehescheidungen zu den Dingen, die er mißbilligte. Smiley setzte die Schritte mit äußerster Behutsamkeit: »Es gibt selbstverständlich Agenten, die in feindlichen Ländern arbeiten - feindlich vom sowjetischen Standpunkt aus - und aus Gründen der Tarnung ihren Sold nicht nutzen können, solange sie im Einsatz sind.« Die braungewandete Dame nickte leicht, zum Zeichen, daß sie verstanden habe. »In derlei Fällen ist es üblich, das Geld in Moskau zu deponieren und dem Agenten zugänglich zu machen, sobald er in der Lage ist, es auszugeben. Ihm oder seinen Angehörigen, falls -«
»- falls es ihn erwischt hat«, ergänzte Martindale genießerisch. »Aber Hongkong ist nicht Moskau«, erinnerte ihn die Kolonialdame lächelnd.
Smiley hatte seine Ausführungen beinah abgeschlossen: »In seltenen Fällen, wenn das Motiv Geld ist und der Agent vielleicht keine spätere Rückkehr nach Rußland anstrebt, kam es vor, daß die Moskauer Zentrale, als Notlösung, sich zu einem ähnlichen Arrangement in, sagen wir, der Schweiz entschloß.«
»Aber nicht in Hongkong?« bohrte sie.
»Nein, das nicht. Und nach aller Erfahrung ist es unvorstellbar, daß Moskau sich zu einer Alimentenzahlung in dieser Größenordnung entschließen könnte. Allein schon, weil dies für den Agenten einen Anreiz böte, sich von seiner Tätigkeit zurückzuziehen.« Gelächter wurde laut, aber als es sich gelegt hatte, war die Dame in Braun schon mit ihren nächsten Fragen zur Hand. »Aber die Zahlungen fingen bescheiden an«, meinte sie mit höflicher Hartnäckigkeit. »Das steile Ansteigen ist erst verhältnismäßig neuen Datums?«