Выбрать главу

»Er ist wirklich tot«, versicherte ihr Smiley, und sie glaubte ihm dankbar. Er unterließ es, hinzuzufügen, daß Controls Frau schon vor elf Jahren von hinnen geschieden war, in dem festen Glauben, ihr Mann sei irgend etwas bei der Energie-Aufsichtsbehörde. Ob Karla in Ausschüssen Hokuspokus machen mußte? Sich mit Kabalen herumschlagen, die Dummen hinters Licht führen, den Schlauen schmeicheln, sich in Zerrspiegeln á la Peter Worthington erblicken, gehörte das alles zu seinem Job? Er blickte auf die Uhr, dann hinüber zu Fawn. Neben der WC-Tür war ein Münzfernsprecher. Aber als Smiley den Wirt um Kleingeld bat, lehnte er ab, er habe keine Zeit. »Rück's raus, du mieser Flegel!« schrie ein ganz in Leder gekleideter Fernfahrer. Der Wirt gehorchte schleunigst. »Glück gehabt?« fragte Guillam, der den Anruf auf dem direkten Apparat im Circus entgegennahm.

»Nicht schlecht für den Anfang«, sagte Smiley.

»Hurra«, sagte Guillam.

Ein weiterer Vorwurf, der später gegen Smiley erhoben wurde, lautete, er habe Zeit für untergeordnete Erledigungen verschwendet, anstatt sie seinen Untergebenen zu übertragen.

In der Nähe des Town-and-Country-Golfplatzes am nördlichen Stadtrand von London gibt es Wohnblöcke, die den Aufbauten ständig im Sinken begriffener Schiffe ähneln. Sie liegen hinter langen Rasenstreifen, wo die Blüten niemals so richtig angehen, die Ehemänner stürzen jeden Morgen gegen halb neun in höchster Panik zu den Rettungsbooten, und die Frauen und Kinder halten sich den Tag hindurch über Wasser, bis ihre Mannsleute wiederkommen, zu müde, um noch irgendwohin zu segeln. Diese Häuser wurden in den dreißiger Jahren erbaut und haben seitdem ein schmutziges Weiß beibehalten. Ihre länglichen stahlgerahmten Fenster blickten auf die saftiggrünen Wellen der Golfplätze hinaus, wo wochentags Frauen mit Augenschirmen wie Schiffbrüchige umherirren. Einer der Blocks nennt sich Arcady Mansions, und die Pellings wohnten dort in Nummer sieben, von wo man unter einigem Halsverrenken das neunte Grün sehen konnte, solange die Buchen kein Laub trugen. Als Smiley geklingelt hatte, hörte er nach dem dünnen elektrischen Bimmeln nichts mehr: keine Schritte, keinen Hund, keine Musik. Die Tür ging auf, und aus dem Dunkeln sagte eine krächzende Männerstimme »Ja?«, aber die Stimme gehörte einer Frau. Sie war groß und gebückt. In der Hand hielt sie eine Zigarette.

»Mein Name ist Oares«, sagte Smiley und hielt ihr einen großen grünen Ausweis in einer Zellophanhülle hin. Zu einer anderen Legende gehört ein anderer Name.

»Oh, Sie sind das, wie? Kommen Sie rein. Zum Essen, zur Fernsehshow. Am Telefon haben Sie jünger geklungen« schrie sie mit schriller Stimme, die um eine feinere Tonart rang. »Er ist dort drinnen. Hält Sie für einen Spion«, sagte sie und blinzelte den grünen Ausweis an. »Aber das sind Sie nicht, oder?«

»Nein«, sagte Smiley. »Leider nicht. Bloß ein Schnüffler.« Die Wohnung bestand vorwiegend aus Korridoren. Die Frau ging voraus und zog eine Ginfahne hinter sich her. Ein Bein schleifte sie beim Gehen nach, und ihr rechter Arm war steif. Smiley nahm an, sie müsse einen Schlaganfall gehabt haben. Sie war gekleidet, als hätte nie jemand ihre Gestalt oder ihren Sex bewundert. Und als wäre es ihr auch egal. Sie trug flache Schuhe und einen Männerpullover mit Gürtel, der sie bullig machte.

»Er sagt, er hat nie von Ihnen gehört. Er sagt, er hat Sie im Telefonbuch nachgeschlagen und es gibt Sie gar nicht«, sagte Smiley.

»Wir wahren gern die Diskretion«, sagte Smiley.

Sie stieß eine Tür auf. »Es gibt ihn doch«, meldete sie laut, noch ehe sie das Zimmer betrat. »Und er ist kein Spion, er ist ein Schnüffler.«

Am anderen Ende des Zimmers saß ein Mann auf einem Stuhl und las den Daily Telegraph, den er so vors Gesicht hielt, daß Smiley nur den kahlen Schädel und den Schlafrock und die kurzen übergeschlagenen Beine, die in ledernen Hausschuhen endeten, sehen konnte, aber irgendwie wußte er sofort, daß Mr. Pelling zu jenen kleinen Männern gehörte, die unweigerlich große Frauen heirateten. Das Zimmer enthielt alles, was er zum alleinigen Überleben nötig haben könnte. Seinen Fernsehapparat, sein Gas, einen Eßtisch und eine Staffelei zum Ausmalen vorgezeichneter Bilder. An der Wand hing in schreienden Farben das Porträtfoto eines sehr schönen Mädchens, mit einer Widmung schräg in eine Ecke gekritzelt, so wie Filmstars sie den Unberühmtheiten zukommen lassen. Smiley erkannte Elizabeth Worthington. Er hatte schon eine Menge Fotos von ihr gesehen. »Mister Oates, das ist Nunc«, sagte die Frau und schien nahe daran, zu knicksen.

Der Daily Telegraph senkte sich langsam wie eine Garnisonsfahne und enthüllte ein aggressives, glänzendes kleines Gesicht mit dichten Brauen und Managerbrille.

»Ja. Und wer sind Sie nun wirklich?« sagte Mr. Pelling. »Sind Sie vom Secret Service oder nicht? Keine langen Faxen, raus damit und Schwamm drüber. Für Schnüffelei hab ich nichts übrig. Was ist das?« fragte er.

»Seine Karte«, sagte Mrs. Pelling und hielt sie hoch. »Grün getönt.«

»Oh, wir tauschen unsere Karten, wie? Dann brauche ich auch eine, Cess, wie? Laß doch gleich welche drucken, meine Liebe. Hüpf mal runter zu Smith, ja?«

»Trinken Sie gern Tee?« fragte Mrs. Pelling und linste mit schräg gehaltenem Kopf auf ihn herab.

»Wozu willst du ihm Tee geben?« fragte Mr. Pelling als er sah, daß sie sich am Kocher zu schaffen machte. »Er braucht keinen Tee. Er ist kein Gast. Er ist nicht mal vom Geheimdienst. Ich hab' ihn nicht hergebeten. Bleiben Sie die Woche über«, sagte er zu Smiley. »Ziehen Sie zu uns, wenn Sie wollen. Sie können ihr Bett haben. Bullion Universal, Sicherheitsberatung oder was beißt mich.«

»Er möchte über Lizzie sprechen, darling«, sagte Mrs. Pelling und richtete ein Tablett für ihren Mann her. »Jetzt sei ausnahmsweise einmal ein Vater.«

»In ihrem Bett würden Sie jede Menge Spaß haben, glauben Sie mir«, sagte Mr. Pelling und nahm seinen Telegraph wieder auf. »Danke für die Blumen«, sagte Mrs. Pelling und lachte. Das Lachen bestand aus zwei Tönen, wie ein Vogelruf, und war nicht lustig gemeint. Ein lastendes Schweigen folgte. Mrs. Pelling reichte Smiley eine Tasse Tee. Er nahm sie und richtete seine Worte an die Rückseite von Mr. Pellings Zeitung. »Sir, Ihre Tochter Elizabeth wird für einen wichtigen Posten bei einer großen Überseefirma in Erwägung gezogen. Meine Organisation ist vertraulich damit beauftragt - heutzutage eine normale, aber höchst notwendige Formalität -, sich mit Bekannten und Verwandten hierorts in Verbindung zu setzen und Leumundszeugnisse einzuholen.«

»Das sind wir, Lieber«, erklärte Mrs. Pelling, falls ihr Mann nicht begriffen hätte.

Die Zeitung senkte sich klatschend.

»Wollen Sie andeuten, meine Tochter sei charakterlich nicht in Ordnung? Sitzen Sie deshalb hier und trinken meinen Tee, um solche Andeutungen zu machen?«

»Nein, Sir«, sagte Smiley.

»Nein, Sir«, assistierte Mrs. Pelling nutzlos.

Ein langes Schweigen folgte, um dessen Beendigung Smiley sich nicht besonders bemühte.

»Mr. Pelling«, sagte er schließlich in festem und geduldigem Ton.

»Soviel ich weiß, waren Sie viele Jahre im Postdienst beschäftigt und brachten es zu einem hohen Posten.«

»Viele, viele Jahre«, pflichtete Mrs. Pelling bei.