Was Mr. Pelling sehr erzürnte. »Sie baut sich eine Karriere auf, Cess«, schrie er und klatschte sich mit dem Formular aufs Knie. »Allmächtiger, du blöde Kuh, möchtest du vielleicht, daß sie zu ihm zurückgeht?«
»Was hat sie nun genau im Nahen Osten gemacht?« fragte Smiley.
»Kurse genommen. Handelsschulen. Arabisch gelernt«, sagte Mr. Pelling und wurde plötzlich weitherziger in seinen Ansichten. Zu Smileys Überraschung stand er sogar auf und wanderte herrisch gestikulierend durchs Zimmer. »Was sie ursprünglich dorthin trieb, war, offengesagt, eine unglückliche Ehe.«
»Mein Gott«, sagte Mrs. Pelling.
Im Stehen zeigte sich seine ganze Bulligkeit und machte ihn furchteinflößend. »Aber wir haben sie da wieder rausgeholt. O ja. Ihr Zimmer ist jederzeit für sie bereit, wenn sie heimkommen will. Neben dem meinen. Sie kann mich jederzeit hier finden. O ja. Wir haben ihr über diese Hürde geholfen, nicht wahr, Cess? Dann habe ich eines Tages zu ihr gesagt -«
»Sie hat einen reizenden Englischlehrer mit lockigem Haar mitgebracht«, unterbrach ihn seine Frau. »Andrew.«
»Schotte«, korrigierte Mr. Pelling sie automatisch. »Andrew war ein netter Junge, aber nicht nach Nuncs Maßstäben, wie, darling?«
»Er war nicht gut genug für sie. Dieser ganze Yoga-Quatsch. Sich am eigenen Schwanz aufhängen, nenn ich das. Dann sag' ich eines Tages zu ihr: >Lizzie: Araber. Dort ist deine Zukunft.<« Er schnalzte mit den Fingern und wies auf seine imaginäre Tochter: »>Öl. Geld. Macht. Ab mit dir. Eingepackt. Kauf dein Billett. Los.<«
»Ein Nachtclub hat ihr die Reise bezahlt«, sagte Mrs. Pelling. »Hat sie auch ordentlich reingelegt.«
»Papperlapapp!« grollte Mr. Pelling und schob die breiten Schultern vor, um sie anzubrüllen, aber Mrs. Pelling redete weiter, als wäre er gar nicht vorhanden.
»Sie hat auf diese Annonce geantwortet, wissen Sie. Eine Frau in Bradford, redete honigsüß. Kupplerin. >Hostessen gesucht, aber nicht das, was Sie denken<, hatte sie gesagt. Sie zahlten ihr den Flug, und sofort nach der Landung in Bahrein mußte sie einen Vertrag unterschreiben, daß ihr ganzes Gehalt für ihre Wohnungsmiete einbehalten werde. Damit hatten sie sie, oder? Sie konnte sich nirgendwohin wenden, oder? Die Botschaft konnte ihr nicht helfen, niemand konnte ihr helfen. Sie ist sehr schön, müssen Sie wissen.«
»Du dämliche alte Hexe. Wir sprechen hier über eine Karriere. Liebst du sie denn nicht? Deine eigene Tochter? Du Rabenmutter! Herrgott!«
»Sie hatte ihre Karriere«, sagte Mrs. Pelling. »Die schönste auf der Welt.«
Er gab es auf und wandte sich wieder Smiley zu. »Schreiben Sie >Arbeit als Empfangsdame und Erlernung der Sprache< und schreiben Sie -«
»Vielleicht könnten Sie mir sagen«, warf Smiley vorsichtig dazwischen, während er seinen Daumen ableckte und die Seite umwandte, »so kommen wir wohl am besten weiter: hat Ihre Tochter bereits Erfahrung im Transportwesen?«
»Und schreiben Sie« - Mr. Pelling ballte die Fäuste, starrte zuerst Smiley an, dann seine Frau, und schien unschlüssig, ob er weiter machen solle oder nicht -, »schreiben Sie qualifizierte Tätigkeit für den britischen Secret Service«. Unter Legende. Los, schreiben Sie's hin. So. Jetzt ist es raus.« Er fuhr wieder zu seiner Frau herum. »Der da ist auch in einem Sicherheitsdienst, er hat es gesagt, Er hat ein Recht darauf, es zu wissen, und sie hat ein Recht darauf, daß man es weiß. Meine Tochter will keine unbesungene Heldin sein. Auch keine unbezahlte! Sie wird den Georgsorden kriegen, noch eh sie abdankt, das sag ich Ihnen!«
»Ach Scheiße«, sagte Mrs. Pelling müde. »Das war doch auch nur eine von ihren Geschichten. Du weißt es doch.«
»Könnten wir vielleicht eines nach dem anderen durchnehmen?«
fragte Smiley in nachsichtigem Ton. »Wir sprachen zuletzt, glaube ich, über Erfahrung im Transportwesen.«
Mr. Pelling legte Daumen und Zeigefinger in Denkerpose ans Kinn.
»Ihre erste kaufmännische Erfahrung«, begann er sinnend, »als sie sich völlig auf eigene Füße stellte, verstehen Sie - als alles zusammen und zum Klappen kam und sich endlich bezahlt machte, abgesehen von der Geheimdienstsache, von der ich sprach -, und sie Angestellte unter sich hatte und mit großen Barbeträgen umging und die Verantwortung ausübte, die ihren Fähigkeiten entspricht - das war in, wie spricht man das aus?«
»Vi-e-n-zi-a-n e« buchstabierte seine Frau.
»Hauptstadt von Laos«, sagte Mr. Pelling, und es reimte sich auf Chaos.
»Und wie war der Name der Firma, bitte?« erkundigte sich Smiley und hielt den Bleistift über der entsprechenden Spalte gezückt. »Eine Großbrennerei«, sagte Mr. Pelling hochtrabend. »Meine Tochter Elizabeth besaß und leitete Brennereiunternehmen in diesem krieggeplagten Land.«
»Und der Name?«
»Sie verkaufte ungelagerten Whisky in Fässern an dort stationierte Amerikaner«, erzählte Mrs. Pelling dem Fenster. »Auf Provisionsbasis, zwanzig Prozent. Sie kauften die Fässer und ließen sie in Schottland reifen, als Investition für später.«
»Sie, das wären in diesem Fall . . .?« fragte Smiley. »Dann ist ihr Liebhaber mit dem Geld abgehauen«, sagte Mrs. Pelling. »Es war ein Schiebergeschäft. Ein ziemlich gutes.«
»Pures, haltloses Geschwätz!« schrie Mr. Pelling. »Diese Frau weiß nicht, was sie sagt. Hören Sie nicht darauf.«
»Und wie lautete ihre damalige Adresse, bitte?« fragte Smiley. »Schreiben Sie Generalvertretung««, sagte Mr. Pelling und schüttelte den Kopf, als wäre die Sache völlig aus dem Konzept geraten. »Generalvertretung einer Großbrennerei und Geheimagentin.«
»Sie lebte mit einem Piloten zusammen«, sagte Mrs. Pelling. »Tiny nannte sie ihn. Ohne Tiny wäre sie verhungert. Er war fabelhaft, aber der Krieg hat ihn völlig aus der Bahn geworfen. . War schließlich nur natürlich! Ging unseren Jungs genauso, wie? Einsätze fliegen, Nacht für Nacht, Tag für Tag.« Sie legte den Kopf zurück und kreischte lauthals: »Alarm!«
»Sie spinnt«, erklärte Mr. Pelling.
»Nervenbündel mit achtzehn, die Hälfte von ihnen. Aber sie haben's ausgehalten. Sie liebten Churchill, wissen Sie. Sie liebten seinen Mumm.«
»Spinnt komplett« wiederholte Mr. Pelling. »Durchgedreht. Total übergeschnappt.«
»Tut mir leid«, sagte Smiley und schrieb emsig. »Tiny und wie noch? Der Pilot? Wie hieß er?«
»Ricardo. Tiny Ricardo. Ein Opferlamm. Er starb, wie du weißt«, sagte sie zu ihrem Mann gewandt. »Lizzie war untröstlich, nicht wahr, Nunc? Trotzdem, es war vielleicht besser so.«
»Lizzie lebte mit niemandem zusammen, du Affenweib! Es war nur ein Vorwand. Lizzie arbeitete für den britischen Geheimdienst!«
»Mein Gott!« sagte Mrs. Pelling resigniert. »Nicht dein Gott. Mein Mellon. Schreiben Sie das hin, Oates. Ich will sehen, daß Sie es hinschreiben. Mellon. Der Name ihres vorgesetzten Offiziers im britischen Geheimdienst war M-e-l-l-o-n. Gab sich als schlichten Handelsmann aus. Und war auch darin nicht schlecht. Für einen intelligenten Menschen ganz natürlich. Aber darunter -« Mr. Pelling hieb mit der Faust in die flache Hand, was ein erstaunlich lautes Geräusch verursachte -, »aber unter dem höflichen und liebenswürdigen Äußeren eines britischen Geschäftsmanns kämpfte dieser gleiche Mellon einen geheimen und einsamen Krieg gegen die Feinde Ihrer Majestät, und meine Lizzie half ihm dabei. Drogenhändler, Chinesen, Homosexuelle, alle diese fremden Elemente, die sich zusammenrotteten, um unsere Inselheimat ins Verderben zu stürzen - meine tapfere Tochter Lizzie und ihr Freund, Colonel Mellon, fochten Seite an Seite, um diesen schnöden Machenschaften Einhalt zu gebieten! Und das ist die reine Wahrheit!«