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»Jetzt fragen Sie mich, woher sie es hat«, sagte Mrs. Pelling, ließ die Tür hinter sich offen und schlurfte vor sich hinbrummelnd den Korridor entlang. Smiley, der ihr nachblickte, sah, wie sie stehenblieb, den Kopf wandte und ihm aus dem dämmrigen Gang zuzunicken schien. Man hörte eine weit entfernte Tür knallen. »Es stimmt«, sagte Pelling hartnäckig, aber ruhiger. »Ja, ja und nochmals ja. Meine Tochter war eine höhere und geschätzte Kraft unseres britischen Nachrichtendienstes.«

Smiley antwortete zunächst nicht, er war viel zu sehr ins Schreiben vertieft. Eine ganze Weile hörte man nichts als das langsame Kratzen seiner Feder über das Papier, und das Rascheln, als er die Seite umwendete.

(»Gut. Also, dann notiere ich diese Details auch noch, wenn Sie gestatten. Streng vertraulich, versteht sich. Bei unserer Arbeit kommt uns allerhand unter, das sage ich Ihnen ganz ehrlich.«

»Also«, sagte Mr.. Pelling, ließ sich nachdrücklich auf einen plastikbezogenen Hocker nieder, zog ein einzelnes Blatt Papier aus der Tasche und drückte es Smiley in die Hand. Es war ein Brief, handgeschrieben, eineinhalb Seiten lang; die Schriftzüge waren zugleich pompös und kindlich, die Ichs für die erste Person Singular schwungvoll, während die übrigen Buchstaben zurückhaltender wirkten. Der Brief begann mit »Mein lieber geliebter Pops« und endete »Deine Einzige Treue Tochter Elizabeth«, und die Botschaft dazwischen, die Smiley im wesentlichen seinem Gedächtnis anvertraute, lautete so: »Ich bin in Vientiane angekommen, das eine uninteressante Stadt ist, ein bißchen französisch und wild, aber sorg Dich nicht, ich habe wichtige Nachricht für Dich, die ich Dir sofort mitteilen muß. Es ist möglich, daß Du eine Zeitlang nichts von mir hörst, aber sorg Dich nicht, auch nicht, wenn Du Schlimme Dinge hörst. Mir gehts prima und ich bin in guten Händen und tue es für eine Gute Sache, auf die Du stolz wärst. Gleich nach meiner Ankunft habe ich mich beim britischen Handelsattache Mister Mackervoor, einem Engländer gemeldet, und er hat mich wegen eines Postens zu Mellon geschickt. Ich darf Dir nichts sagen, Du mußt also Vertrauen zu mir haben, aber er heißt Mellon und er ist ein wohlhabender englischer Kaufmann in dieser Stadt, aber das ist nur die halbe Geschichte. Mellon beordert mich jetzt nach Hongkong und ich> soll Barrengold und Drogen ermitteln, aber nach außen hin etwas anderes, und er hat überall seine Leute, die auf mich aufpassen, und er heißt in Wirklichkeit nicht Mellon. Mackervoor gehört nur heimlich dazu. Wenn mir etwas passiert, dann war es das wert, denn Du und ich wir wissen, daß es um das Vaterland geht und was ist ein Menschenleben unter sovielen in Asien, wo das Leben ohnehin nichts gilt? Es ist eine Gute Tat, Dad, etwas wovon Du und ich immer geträumt haben und besonders Du, wo Du im Krieg für Deine Familie und Deine Lieben gekämpft hast. Bete für mich und sei gut zu Mam. Ich werde Dich immer lieben, auch im Gefängnis.«

Smiley gab den Brief zurück. »Er ist nicht datiert«, bemerkte er beiläufig. »Können Sie mir das Datum angeben, Mr. Pelling? Wenigstens annähernd?«

Pelling gab es nicht annähernd an, sondern genau. Nicht umsonst hatte er sein ganzes berufliches Leben bei der Königlichen Post gearbeitet.

»Seitdem hat sie mir nie mehr geschrieben«, sagte Mr. Pelling stolz, faltete den Brief wieder und steckte ihn in die Brieftasche. »Kein Wort, keinen Pieps hab' ich seit damals bis auf den heutigen Tag von ihr gehört. Völlig überflüssig. Wir sind eins. Es war ausgesprochen, ich machte nie eine Bemerkung darüber, sie auch nicht. Sie hat mir den Wink gegeben. Ich wußte. Sie wußte, daß ich wußte. Ein besseres Verstehen zwischen Tochter und Vater als das unsrige gibt es nicht. Alles, was danach kam: Ricardo oder wie er hieß, lebendig, tot, was tut's? Irgendein Chinese, mit dem sie was hat, egal. Freunde, Freundinnen, Geschäfte, kümmern Sie sich um nichts, was Sie hören. Das Ganze gehört zu ihrer Legende. Lizzie ist ihr Eigentum, sie haben sie völlig in der Hand. Sie arbeitet für Mellon, und sie liebt ihren Vater. Ende.«

»Sie waren sehr freundlich«, sagte Smiley und packte seine Papiere zusammen. »Bitte bemühen Sie sich nicht, ich finde den Weg schon.«

»Meinetwegen können Sie ihn auch verlieren«, sagte Mr. Pelling mit einem Anflug seiner früheren Laune. Als Smiley die Tür schloß, hatte er wieder seinen Platz im Lehnstuhl eingenommen und suchte verbissen die Stelle im Daily Telegraph, wo er stehengeblieben war.

Im dunklen Korridor war der Schnapsgeruch stärker. Smiley hatte neun Schritte gezählt, ehe die Tür zugeknallt war, also mußte es die letzte Tür links sein, die am weitesten von Mr. Pelling entfernte. Es hätte die Klotür sein können, aber das Klo war durch ein Schild mit der Aufschrift »Buckingham Palace, Hintereingang« bezeichnet, also klopfte er sehr leise an und hörte sie plärren »Raus da«. Er trat ein und fand sich in ihrem Schlafzimmer und Mrs. Pelling auf dem Bett liegen, ein Glas in der Hand und einen Haufen Ansichtspostkarten vor sich, in dem sie herumsuchte. Das ganze Zimmer war, genau wie das ihres Mannes, für ein unabhängiges Leben eingerichtet, mit Kocher und Waschbecken und einem Stapel schmutzigen Geschirrs. An allen Wänden hingen Schnappschüsse eines sehr schönen Mädchens, manchmal mit einem Freund, manchmal allein, meist vor einem exotischen Hintergrund. Es roch nach Gin und Katze. »Er läßt sie nicht in Ruh«, sagte Mrs. Pelling. »Nunc, meine ich. Hat er nie gekonnt. Hat's versucht, aber nicht gekonnt. Sie ist sehr schön, wissen Sie«, erklärte sie zum zweitenmal und rollte sich auf den Rücken, hielt eine Postkarte über ihren Kopf und las sie. »Wird er hier hereinkommen?«

»Nicht für viel Geld, darling.«

Smiley schloß die Tür, setzte sich auf einen Stuhl und zückte wiederum sein Notizbuch.

»Sie hat einen lieben süßen Chinesen«, sagte sie und starrte weiter auf die verkehrt herum gehaltene Postkarte. »Sie ist zu ihm gegangen, um Ricardo zu retten, und dann hat sie sich in ihn verliebt. Er ist ein wirklicher Vater für sie, der erste, den sie hat. Alles ist am Ende doch noch gut geworden. Alle die schlimmen Dinge. Sie sind jetzt vorbei. Er nennt sie Liese«, sagte sie. »Er findet es hübscher für sie. Wirklich komisch. Wir mögen die Deutschen nicht. Wir sind Patrioten. Und jetzt schanzt er ihr den prima Job zu, wie?«

»Soviel ich weiß nennt sie sich jetzt Worth, nicht mehr Worthington. Wissen Sie, warum sie das tun könnte?«

»Will wohl diesem langweiligen Schulmeister den Schwanz stutzen.«

»Als Sie sagten, sie habe es getan, um Ricardo zu retten, meinten Sie natürlich . . . «