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Er starrte den Schrank immer noch an, als Herrick, der die anderen Kommandanten zur Fallreepspforte begleitet hatte, zurückkam.

«Das ging ja ganz gut«, sagte der Flaggkapitän mit einem kleinen Seufzer. Dann sah er den Schrank und stieß einen leisen Pfiff aus.»Das ist aber ein wunderschönes Stück!»

«Ein Geschenk«, lächelte Bolitho,»und oft nützlicher als viele andere Geschenke, Thomas.»

Herrick sah sich den Schrank genau an.»Ihr Neffe ist draußen, Sir«, sagte er dann.»Ich habe die Geschichte bereinigt. Er macht Extradienst, damit er nicht wieder auf dumme Gedanken kommt. Aber ich dachte, Sie würden ihn sprechen wollen. «Bewundernd strich Herrick über das polierte Holz.»Von wem haben Sie dieses schöne Stück, wenn ich fragen darf?»

«Von Mrs. Pareja«, antwortete Bolitho.»Sie werden sich noch an sie erinnern.»

Erstaunt sah er, wie ein Schleier über Herricks Augen fiel.»Jawohl, Sir«, erwiderte er knapp.»Sehr gut sogar.«»Was ist denn, Mann?»

Herrick sah ihm offen ins Gesicht.»Jedesmal, wenn ein Schiff aus England kam, gab es Gerede — Klatsch, wenn Sie wollen. Zum Beispiel darüber, daß Sie mit dieser Dame in London eine Affäre hatten.»

Verblüfft starrte Bolitho ihn an.»Mein Gott, Thomas, das sieht Ihnen aber gar nicht ähnlich.»

Doch Herrick gab nicht auf.»Das war nämlich der Grund, weshalb Ihr Neffe mit dem anderen Leutnant die Waffen kreuzte. Einen Ehrenhandel nennt man das wohl.»

Bolitho sah zur Seite. Und er hatte gedacht, es hätte etwas mit Adam Pascoes Herkunft zu tun gehabt, mit seinem toten Vater, dem Verräter und Renegaten.

«Danke, daß Sie es mir gesagt haben.»

«Einer mußte es ja tun, Sir. «Herricks blaue Augen blickten beschwörend.»Sie haben so viel für uns alle getan; ich will nicht, daß wegen einer.»

«Ich habe Ihnen dafür gedankt, daß Sie es mir gesagt haben, Thomas. Nicht für Ihre Meinung über die Dame.»

Herrick öffnete die Tür.»Ich rufe ihn herein, Sir. «Er sah sich nicht um.

Bolitho setzte sich auf die Bank vor den Heckfenstern und beobachtete ein Fischerboot, das unter dem überhängenden Heck des Zweideckers durchfuhr. Mit ausdruckslosem Gesicht blickte der Fischer zu ihm empor. Wahrscheinlich stand er im Sold des spanischen Kommandeurs drüben in Algeciras, notierte die Namen der Schiffe und sammelte Bruchstücke von Informationen, aus denen sich etwas machen ließ.

Die Tür ging auf; Adam Pascoe, den Hut vorschriftsmäßig unterm Arm, stand in der Kajüte.

Bolitho erhob sich und schritt auf ihn zu; fast verspürte er selbst Schmerz, als er sah, daß der junge Mann den Arm etwas von den Rippen abhielt. Noch in der Leutnantsuniform sah Adam wie der schmächtige Junge aus, als der er zum erstenmal zu Bolitho an Bord gekommen war.

«Willkommen an Bord, Sir«, sagte er.

Bolitho vergaß die Last seiner neuen Verantwortung, seinen unseligen Zusammenstoß mit Herrick — alles außer diesem Jungen, der ihm so lieb geworden war wie ein Sohn.

Er umarmte ihn und sagte:»Du hast Ärger gehabt, Adam. Tut mir leid, daß es meinetwegen war.»

Pascoe sah ihn ernsthaft an.»Ich hätte ihn schon nicht getötet, Onkel.»

Bolitho trat zurück und lächelte melancholisch.»Nein, Adam, aber vielleicht er dich. Achtzehn Jahre — das ist der Anfang, noch nicht das Ende.»

Achselzuckend strich sich Pascoe das schwarze Haar aus der Stirn.»Der Kommandant hat mir genügend Extradienst dafür aufgebrummt. Was macht deine Verwundung, Onkel?»

«Vergessen. «Bolitho führte ihn zu einem Stuhl.»Deine auch -

eh?»

Sie lächelten sich wie Verschwörer an, und Bolitho schenkte zwei Gläser Rotwein ein. Er bemerkte, daß Pascoes Haar nach der neuen Mode geschnitten war, ohne den Zopf im Nacken, wie ihn die meisten Seeoffiziere trugen. Wie mochte die Marine wohl erst aussehen, wenn sein Neffe eines Tages den Kommodorestander hißte?

Pascoe nippte am Wein.»Es heißt, Nelson hätte den Befehl über dieses Geschwader gekriegt, wenn er nicht den Arm verloren hätte.»

«Möglich«, lächelte Bolitho. In der Flotte gab es wenig Geheimnisse.

Nachdenklich entgegnete Pascoe:»Eine große Ehre für dich, Onkel, aber.«»Aber was?»

«Auch eine große Verantwortung.»

Herrick erschien wieder in der Tür.»Darf ich fragen, Sir, wann die Kommandanten zum Essen an Bord kommen sollen?«Er blickte von einem zum anderen und war seltsam gerührt. Ungefähr zwanzig Jahre Altersunterschied, und doch sahen sie wie Brüder aus.

«Das überlasse ich Ihnen«, antwortete Bolitho.

Als Herrick gegangen war, fragte Adam unverblümt:»Stimmt etwas nicht zwischen dir und Kapitän Herrick, Onkel?»

Bolitho legte ihm die Hand auf den Arm.»Nichts kann unsere Freundschaft trüben, Adam.»

«Das freut mich«, sagte Pascoe erleichtert.

Bolitho griff nach der Karaffe.»Und jetzt erzähl mir, was du inzwischen gemacht hast.»

II Ein bescheidener Anfang

Ruhelos die ihm noch ungewohnten Möbelstücke betastend, wanderte Bolitho in der Kajüte umher. Um ihn und über ihm knarrten und stöhnten die siebzehnhundert Tonnen Planken und Spieren, Kanonen und Menschen unter dem Druck des auffrischenden Nordwestwindes.

Widerstrebend versagte er es sich, mit einem Blick aus dem Fenster zu kontrollieren, wie weit die anderen Schiffe des Geschwaders mit den Vorbereitungen zum Ankerlichten waren. Er hörte ab und zu einen Ruf, dem das Trappeln nackter Füße folgte — Matrosen rannten hierhin und dorthin, um im letzten Augenblick noch etwas in Ordnung zu bringen. Er konnte sich vorstellen, daß sich Herrick ebenso über jede Verzögerung ärgerte. Dennoch blieb ihm nichts weiter übrig, als ihn auf seinem Achterdeck in Ruhe zu lassen.

Als Kommandant war Bolitho mit Schiffen aller Art und unter den verschiedensten Bedingungen ankeraufgegangen. Von der flinken Schaluppe bis zum turmhohen Dreidecker Euryalus, auf dem er Flaggkapitän gewesen war, hatte er auf jedem Schiffstyp die spannungsgeladenen Minuten vor dem Loskommen des Ankers durchlebt.

Für Herrick mußte es ebenso schlimm sein, wenn nicht noch schlimmer. Wenn der Kommandant auf dem Achterdeck stand, hoch über dem ganzen Getriebe, vor jeder Kritik durch seine Autorität und seine glänzenden Epauletten geschützt, mochte ein unbeteiligter Zuschauer irrtümlicherweise glauben, er stünde über allen menschlichen Ängsten und Gefühlen.

So war es Bolitho als Midshipman vorgekommen, auch noch als jungem Leutnant: Ein Kommandant mußte ein gottähnliches Wesen sein. Er lebte unerreichbar in seiner Heck-Kajüte, und vor seinem Stirnrunzeln zitterte jeder gewöhnliche Offizier oder Matrose.

Aber jetzt wußte Bolitho es besser, genau wie Herrick. Je größer die Verantwortung, um so größer zwar die Ehre. Aber wenn etwas schiefging, dann fiel man um so tiefer, je höher man stand.

Allday kam herein, sich die großen Hände reibend. Auf seinem blauen Jackett glänzten Tropfen von Sprühwasser, und die Erregung leuchtete ihm aus den Augen. Bolitho spürte es auch selbst:

Endlich ließen sie das Land hinter sich — wie ein Jäger, der aufbricht, sich mit dem Unbekannten zu messen, weil er muß, der aber nie weiß, ob es nicht das letzte Mal ist.

«Die Mannschaft arbeitet ganz gut, Sir«, grinste der Bootsführer.»Ich war eben oben und habe Ihre Gig kontrolliert. Ganz nette Brise aus Nordwest. Großartig werden wir aussehen, wenn das Geschwader erst vom Felsen klarkommt.»

Nervös fuhr Bolitho zusammen und horchte mit schiefem Kopf: ein Rasseln oben an Deck, etwas schleifte über die Planken, und eine grobe Stimme brüllte:»Beleg die Leine da, du Saukerl!»

Er biß sich auf die Lippen. Da ging doch alles mögliche schief!

Allday musterte ihn nachdenklich.»Captain Herrick kommt schon klar, Sir.»