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»Wo ist der Weg?« fragte Faber.

»Geradeaus. Er endet nach ungefähr fünfzig Metern.«

»Und dann?«

»Moor -«

»Da kann keiner weitergehen?«

Hermes-Fiedje lächelte breit. »Versuchen Sie's mal, Herr Kommissar.«

»Un hier war d'Düwel!« sagte Onno Lütje wieder. »Genau hier.«

Der dicke Faber wölbte die Lippen vor, als wolle er pfeifen. Ein Moor absuchen ist eine große Schweinerei, er kannte es von einem Fall her, wo ein Mörder tatsächlich sein Opfer darin hatte verschwinden lassen. Man mußte mit flachen Moorrutschern über die trügerische Fläche gleiten und mit langen Stangen im Erdbrei herumstochern. Die Erfolgsaussichten waren dabei gleich Null, denn man wußte nie, wie tief ein Körper versinken kann, bis das Moor ihn festhält und mumifiziert.

Zunächst fuhr die Mordkommission nach Hannover zurück. Ein enttäuschter Postinspektor blieb zurück, und an den Stammtischen zwischen Soltau und Hetzwege hatte man Gesprächsstoff genug. Es ist unerschöpflich, auf die Polizei zu schimpfen.

»Irgend etwas ist dran!« sagte der dicke Faber, je länger er über den Spuk im Moor nachdachte. »Es waren Autolichter, so wahr ich hier sitze! Wir werden nicht drum herumkommen und das Moor absuchen müssen! Ich sage ja, ein schöner Mist!«

Noch einmal las Faber alle Aussagen durch, die er in den vergangenen Tagen gesammelt hatte. Dabei stieß er auf eine interessante Bemerkung. Das Hausmädchen von Ernst Dahlmann hatte ausgesagt, daß ihr Chef an dem Abend, als Monika Horten zum letztenmal gesehen wurde, noch einmal mit dem Auto wegfuhr. Er war erst spät wiedergekommen . wann, das wußte sie nicht. Sie hatte schon geschlafen. Von Dahlmann wiederum lag über diese Nacht keinerlei Aussage vor.

Der dicke Faber klappte den Aktendeckel zu und griff zur Bierflasche. Ihm war plötzlich heiß geworden.

Kapitel 24

Im Krankenzimmer roch es nach Sagrotan und Apfelsinen. Dahlmann saß etwas aufgerichtet und mit drei Kissen im Kreuz im Bett und las in der Zeitung. Er blickte verwundert hoch, als es kurz und militärisch klopfte und der dicke Faber hereinkam. Er war allein, die Stationsschwester hatte Auftrag, nicht eher zu stören, als bis sie herbeigeschellt wurde.

»Guten Tag«, sagte Faber und schob sich einen Stuhl ans Bett. »Was machen die Rippchen? Wußte gar nicht, daß Sie Selbstversorger sind ... wollte eigentlich Sauerkraut mitbringen. Rippchen mit Sauerkraut . delikat.«

Ernst Dahlmann verzog sein Gesicht zu einem müden Lächeln. Er war nicht aufgelegt, dumme Späße über sich ergehen zu lassen.

»Was führt Sie zu mir, Herr Kommissar?« fragte er geradezu. Der dicke Faber räusperte sich kräftig.

»Eine Routinesache, mein Lieber. Ich habe Ihre Aussage noch einmal durchgelesen und finde da eine Lücke.«

»Eine Lücke?« Dahlmanns Augen wurden lauernd. »Wieso?«

»Für eine Nachtfahrt fehlt uns eine Erklärung.«

»Nachtfahrt?«

»Ja. Sie waren in der Nacht vom dreiundzwanzigsten zum vierundzwanzigsten unterwegs. Sie kamen sehr spät - oder früh, wie man's nimmt - zurück. Wo waren Sie da?«

Ernst Dahlmann lächelte verzerrt. »Muß ich das sagen, Herr Kommissar?«

»Besser wär's, ehe wir anfangen, alles durch die Mangel zu drehen.« »Wenn es sich um eine Kavaliersangelegenheit handelt?«

Der dicke Faber betrachtete Dahlmann äußerst verblüfft. Man ist doch dämlich, dachte er dabei. An so etwas hätte ich eher denken müssen! Mal sehen, was dabei herauskommt.

»Vor der Polizei gibt es keine Kavaliere«, sagte er weise. »Nur Verdächtige -«

»Also muß ich?«

»Nur, wenn Sie sich nicht dabei schaden.«

»Nein. Also.« Dahlmann faltete umständlich die Zeitung zusammen. »Ich habe von einem Bekannten, von Dr. Forster, eine einsame Jagdhütte gemietet. Sie wissen, Herr Kommissar, eine solche Hütte, die flotte Ehemänner -« Er schwieg und blinzelte Faber zu. Der Kommissar nickte verständig.

»Weiter.«

»In dieser Hütte hatte ich ein Rendezvous.«

»Sehr schön. Mit wem?«

»Das Mädchen hieß Eva.«

»Sehr sinnig. Und weiter.«

»Weiter nichts.«

»Wieso?«

»Ich kenne den Nachnamen nicht.«

Der dicke Faber drückte das Kinn an den Kragen. »Sie waren mit einem Mädchen Eva in einer Waldhütte und wissen nicht den Nachnamen? Mein lieber Dahlmann, Sie müssen die Polizei nicht für Hornochsen halten.«

»Ich versichere, daß ich den Namen nicht kenne. Ich traf dieses Mädchen Eva am Tage vorher am Bahnhof, ein süßes Püppchen übrigens, wir tranken Kaffee zusammen, und ich lud sie ein zu einer Abendfahrt. Die machten wir dann auch ... und ich habe mich nie darum gedrängt, den Namen zu erfahren, weil es eine einmalige Episode bleiben sollte.«

»Sie sind ein tief moralischer Mensch, ich merke es.« Der dicke Faber kratzte sich die Nase. »Und diese Eva kennt auch Ihren Namen nicht?« »Nein.«

»Sie haben keine neue Verabredung getroffen?«

»Nein.«

»Schade. Diese Eva wäre etwas für das Sittendezernat. Schwamm drüber. Wo liegt die Jagdhütte?«

Dahlmann beschrieb Faber den Weg. Auf den Rand der Zeitung kritzelte er sogar eine kleine Lageskizze, die Faber abriß und in die Tasche steckte.

»Was werden Sie nun tun, Herr Kommissar?« fragte Dahlmann. Er atmete auf. Faber schien ihm die Geschichte mit der mysteriösen Eva abzukaufen.

»Wir sehen uns das Liebesnest mal an.«

»Aber zu meiner Frau kein Wort darüber.«

»Herr Dahlmann!« Der dicke Faber erhob sich ächzend. Krankenhausstühle sind immer unbequem. »Wenn wir Polizisten auch ungehobelte Knochen sind ... diskret sind wir! Auf Wiedersehen.«

»Guten Tag -« Dahlmann ließ sich in die Kissen zurücksinken. An der Tür drehte sich Faber noch einmal um.

»Ich habe ganz vergessen, zu fragen, wie es Ihnen geht.«

»Gesundheitlich ganz gut.«

»Das ist eine Einschränkung.«

Dahlmann hob die Schultern. Faber trat einen Schritt zum Bett zurück.

»Ärger zu Hause?« fragte er. »Mit Ihrer Frau?«

»Sie war seit sechs Tagen nicht mehr im Krankenhaus.« Dahlmanns Gesicht wurde hart und kantig. »Sie hat einen Geliebten . wissen Sie das, Herr Kommissar?«

»Nein. Wen denn?«

»Den Schauspieler Robert Sanden.«

»Sieh an, sieh an . von der Pille zum Kothurn -«

»Lassen Sie bitte die faden Witze, Herr Kommissar. Mir ist das nicht zum Lachen. Ich leide unter diesem Fehltritt meiner Frau -« »Aber sie hat keine Jagdhütte, mein Lieber!« Der dicke Faber lächelte gehässig. Dahlmann schwieg verbissen. »Lassen Sie sich scheiden«,

riet Faber und ging wieder zur Tür. »Es gibt so viele Evas.«

»Danke für den Rat.«

»O bitte. Bei einem Anwalt kostet er dreißig Mark.«

Dann war Dahlmann wieder allein. Die Schwester kam, rückte den Stuhl wieder an die Wand und legte drei rosa Pillen auf den Nachttisch.

»Haben Sie noch einen Wunsch, Herr Dahlmann?« fragte sie freundlich.

»Ja, Schwester. Ruhe! Völlige Ruhe!« Dahlmann sank ins Bett zurück. »Vor allem vor so greulichen Menschen, wie es dieser widerliche Faber ist -«

Jeden Tag, wie er versprochen hatte, sah Robert Sanden nach, wie es Luise Dahlmann ging. Fräulein Pleschke sorgte rührend für sie . es hatte sich nach außen hin ja nichts geändert, das Leben einer Blinden ging weiter wie bisher, mit Radio, mit Schallplatten, mit Tonbändern, mit Vorlesen, mit Blindenschriftüben, mit tastendem Gehen. Nur für Luise war es eine fast unerträgliche Belastung, blind zu sein und zu wissen, daß sie sehen konnte.

Daß sie ihren Mann im Krankenhaus nicht besuchte, fiel nicht auf. Sie schützte Augenschmerzen vor oder Übelkeit; nur wenn sie dann allein war, wurde sie unruhig und litt unter der Untätigkeit, zu der sie verurteilt worden war.