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Der Bankdirektor rückte an seiner Goldbrille. »Dr. Kutscher hat die Sperrung im Namen Ihrer Gattin durchgegeben.«

»Ja, natürlich.« Dahlmann atmete tief durch. Haltung, rief er sich zu. Haltung! »Dr. Kutscher hat einen Teil der Verwaltung übernommen. Ich bin durch Forschungsaufgaben völlig überlastet.« Er fand einen Teil seiner äußeren Sicherheit wieder. Er lachte sogar. »Na, dann erübrigt sich ja meine Sorge wegen der verlorenen Schecks.« Er verbeugte sich leicht. »Eine Empfehlung an die Frau Gemahlin -und guten Morgen, Herr Direktor -«

Dann stand Dahlmann wieder auf der Straße ... die fünf Stufen hinaus aus der Schalterhalle waren keine Stufen zu einem neuen Leben geworden. Ein wenig verwirrt starrte er auf den Straßenverkehr, zündete sich eine Zigarette an und versuchte, Klarheit in sein durcheinandergekommenes Innere zu bringen.

Er wollte sich nicht eingestehen, daß er das Rennen verloren hatte. Es ist nur eine Verzögerung, dachte er. Aber sie darf nicht länger dauern als einen Tag. Der dicke Faber ist gefährlich. Auch wenn er in der Jagdhütte nichts gefunden hat, ich bin ihm jetzt verdächtig. Monika wird man zwar nie finden, denn wer kommt schon auf den Gedanken, daß das Moor der beste Ort ist, eine Leiche lautlos und für immer verschwinden zu lassen? Aber das Leben ist oft unlogisch, es wäre völlig falsch, sich zu sicher zu fühlen.

Einen Tag noch! Das ist die höchste Frist. Und so kurz ein Tag sonst ist . dieser Tag wird lang werden . muß lang werden.

Er winkte ein Taxi heran und stieg ein.

»Ewaldstraße 17.«

Ist das nicht ein Witz, dachte er. Mein Leben hängt an einer kleinen Unterschrift -

Kapitel 25

»Was machen Sie denn hier?« fragte Dr. Kutscher, als Dahlmann durch den Privateingang das Büro betrat. »Ich denke, Sie haben in der Brust feingehackte Knochenbeilage.?«

Dahlmann setzte sich. Sein bleiches Gesicht war spitz und unbeweglich. Dr. Kutscher schob die Unterlippe vor. Das Schweigen, das zwischen ihnen lag, war voller Unheil.

»Sie haben gestern alle Bankkonten sperren lassen?« fragte Dahlmann endlich.

Dr. Kutscher nickte. »Ja.«

»Warum?«

»Ihre Frau wollte es so. Ich habe nicht gefragt, welche Gründe sie dazu hat ... ich habe es getan. Sie hat ja nach wie vor die Verfügungsgewalt -«

»Das weiß ich!« rief Dahlmann. Sein bleiches Gesicht rötete sich. »Sie brauchen mir nicht in Ihrer zartfühlenden Art immer wieder vorzuhalten, daß ich ein Trottel bin!«

»Ich würde mir nie als höflicher Mensch erlauben, das Wort Trottel auszusprechen.«

»Wann hat meine Frau Ihnen den Auftrag gegeben?«

»Gestern abend ... es war schon spät. Ich habe den Direktor privat angerufen.«

»Ohne mich zu benachrichtigen.?«

Dr. Kutscher schwieg und sah an die Decke. Natürlich, dachte Dahlmann giftig. Einem Trottel braucht man nichts zu sagen. Unverständlich war ihm nur, warum Luise plötzlich so anders war, so voller Widerstand, so abweisend und kalt. Er hatte sie immer höflich und liebevoll behandelt, und trotzdem hatte sie sich diesem Schauspieler Sanden zugewandt. Es war ein Rätsel um Luise, zu dessen Lösung er jetzt keine Zeit mehr aufwenden konnte.

»Wer bezahlt jetzt Lieferantenrechnungen, Wechsel, sonstige Verbindlichkeiten?« fragte Dahlmann.

»Ich -«

»Ach! Und von Ihnen bekomme ich jetzt auch mein Taschengeld.« Dahlmann sprang auf. Trotz der fest bandagierten Brust schmerzten die Rippen höllisch und hinderten ihn manchmal daran, tief zu atmen. »Lieber Onkel Rechtsanwalt, ich möchte mir ein Eis kaufen ... gib mir ein Gröschelchen. Und eine Tasse Kaffee möchte ich auch trinken . vielleicht auch ein Kännchen . macht zwei Mark mit Trinkgeld.« Dahlmann hieb auf die Schreibtischplatte. »Das geht doch wohl zu weit! Bin ich ein stammelnder Idiot?! Ist das das Ergebnis jahrelanger Mitarbeit in der Apotheke, daß ich jetzt dastehe wie ein Bettler?!«

»Klagen Sie nicht wie Hiob, mein Lieber . sprechen Sie sich mit Ihrer Frau aus. Aber auch das ist nur in meiner Gegenwart möglich. Ich habe Order, alle geschäftlichen Dinge zu regeln. Alle!«

»Danke!«

Dahlmann verzichtete auf weitere Vorhaltungen oder Fragen. Er kannte Dr. Kutscher zu gut. Am Ende würde man sich anschreien oder sich mit Sarkasmen beleidigen. Er brauchte seine Energie jetzt für andere Dinge.

»Was machen Sie eigentlich außerhalb Ihres Krankenbettes?« fragte Dr. Kutscher, als Dahlmann schon die Klinke in der Hand hatte.

»Sie werden lachen: Ich besuche eine Brieftaubenausstellung.«

»Sinnig. Und die fliegen vom Dach der Bank ab.?«

Ohne weitere Worte verließ Ernst Dahlmann die Praxis des Anwalts. Dr. Kutscher wartete, bis er noch eine Tür klappen hörte und wußte, daß er allein war. Dann rief er Luise an.

»Er war hier«, sagte er. »Ich vermute, daß er jetzt zu Ihnen kommt. Bitte, rufen Sie mich an, wenn etwas los sein sollte. Leider habe ich gleich einen Termin . aber in einer Stunde bin ich sowieso bei Ihnen. So lange werden Sie Ihren Mann wohl noch fesseln können -«

Es war ein kleiner zeitlicher Irrtum Dr. Kutschers. Dahlmann fuhr nicht gleich nach Hause, sondern machte einen Umweg über die Kriminalpolizei.

Kapitel 26

Der dicke Faber saß gemütlich und umweht von starkem Kaf-feedunst an seinem Tisch und frühstückte drei gekochte Eier.

»Ja, wer kommt denn da?« rief er und schien ausgesprochen beglückt. »Unser Rippenbruchträger! Sagen Sie mal - weiß der Arzt, daß Sie herumspazieren?«

»Nein.«

»Dachte ich mir's doch! Was treibt Sie hinaus ins feindliche Leben und vor allem zu mir?«

»Eine dumme Sache. Als man mich aus dem Wagen zog, sind aus meiner Brieftasche zwei Blankoschecks verschwunden.«

»Diebstahldezernat Zimmer 376-379, Kommissar Ernst Lachner. Übrigens hat der Mann den falschen Namen, denn er hat wirklich nichts zu lachen.«

»Ich habe die Schecks schon sperren lassen. Ich möchte nur feststellen lassen, wie sie verschwinden konnten. Vielleicht hat einer der Polizisten, die damals Straßendienst hatten, die Schecks, als sie aus der Tasche fielen, an sich genommen und dann vergessen.«

»Möglich. Auch Uniformträger sind nur Menschen.« Der dicke Faber lachte über diesen faden Aphorismus. »Ich werde mal den Kollegen vom Außendienst fragen und nachforschen lassen, wer die Knaben an diesem Tage waren.«

»Danke, Herr Kommissar -«

Dahlmann wandte sich ab und ging. Aber an der Tür, wie bei Dr. Kutscher, wurde er wieder von einem Zuruf festgehalten. Der dicke Faber klopfte dabei ein Ei auf und sah Dahlmann gar nicht an.

»Es wird Sie vielleicht interessieren . wir werden morgen zu einer Neuauflage des Arbeitsdienstes - wir legen ein Moor trocken.«

Durch Dahlmann zog eine glühende Welle. Es war Angst, unerträgliche, das Hirn wegtrocknende Angst.

»Moor -«, sagte er heiser.

»Ja.« Der dicke Faber roch an dem aufgeklopften Ei. Eier mit einem Fischgeschmack mochte er nicht, und ab und zu war eins dabei; dann hatte man die Hühner mit Fischmehl gefüttert. »Da ist ein versoffenes Loch in dem Nest Hetzwege. Onno Lütje heißt er. Der hat in der Nacht zwei riesige Teufelsaugen im Moor gesehen.

Sagen Sie selbst ... gibt es Teufel?! Ich ahne, daß es Scheinwerfer waren, von einem Auto. Was aber macht ein Auto nachts mitten im Moor?« Faber seufzte laut. »Wir müssen es auf uns nehmen, das Moorstück mit Stangen abzusuchen oder gar trockenzulegen. Eine schöne Sauarbeit -«

Dahlmann nickte. Die Kehle war ihm zugeschnürt, der Gaumen brannte, als habe er Pfeffer gegessen. Angst ... flammende Angst.

Auf der Straße war es ihm, als starrten ihn alle Leute an. Er ging langsam, kerzengerade, mit einer unwahrscheinlichen inneren Kraft zum Taxi zurück, das er hatte warten lassen. Erst als die Tür hinter ihm zufiel, wich die Haltung, er lehnte sich erschlafft zurück und schloß die Augen.