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Die Worte und das endlose Lied sangen ihn schließlich in den Schlaf.

Fünf

Bis zum Landeskommando brauchte Scherkaner noch zwei Tage. Es hätte vielleicht länger gedauert, aber seine Veränderungen am Treibriemen des Autos machten es sicher, in den Kurven bergab schnell zu fahren. Es hätte schneller gehen können, aber dreimal hatte er mechanische Schäden, darunter ein geborstener Zylinder. Es war eher eine Halbwahrheit als eine Lüge gewesen, als er Dame Enclearre sagte, seine Ladung bestünde aus Ersatzteilen. Er hatte tatsächlich ein paar mitgenommen, die Dinge, von denen er glaubte, dass er sie nicht selbst bei einem Grobschmied bauen könnte.

Es war spät am Nachmittag, als er um die letzte Kurve kam und den ersten Blick auf das lange Tal warf, das das Landeskommando beherbergte. Es zog sich meilenweit hin, geradewegs in die Berge hinein, mit so hohen Talwänden, dass Teile des Grundes schon im Halbdunkel lagen. Das andere Ende lag in blauer Ferne, der Königsfall kam in majestätischer Zeitlupe von den Gipfeln darüber herab. Näher kam nie ein Tourist heran. Die Königliche Familie hielt an diesem Land und an der Tiefe unter den Bergen fest, und das schon seit vierzig Dunkelzeiten, als sie noch ein emporgekommenes Herzogtum war.

Scherkaner aß im letzten kleinen Gasthaus ein gutes Mahl, tankte sein Auto auf und fuhr in die Königliche Reservation. Der Brief seines Vetters brachte ihn durch die äußeren Kontrollpunkte. Die Schlagbäume wurden angehoben, gelangweilte Soldaten in graugrünen Uniformen winkten ihn durch. Es gab Kasernen, Exerzierplätze und, hinter massiven Wällen verborgen, Munitionsbunker. Doch das Landeskommando war nie ein gewöhnliches Militärobjekt gewesen. In der Frühzeit des Einklangs war es größtenteils ein Tummelplatz für die Königliche Familie gewesen. Dann waren von Generation zu Generation die Regierungsangelegenheiten geordneter und rationaler und unromantischer geworden. Das Landeskommando wurde seinem Namen gerecht, indem es ein Schlupfwinkel für das oberste Hauptquartier des Einklangs wurde. Schließlich wurde es etwas mehr: der Schauplatz der fortgeschrittensten Militärforschung des Einklangs.

Das war es, was Scherkaner Unterberg am meisten interessierte. Er fuhr nicht langsamer, um zu gaffen; die Polizeisoldaten hatten sehr entschieden verlangt, dass er sich unverzüglich zu seinem offiziellen Ziel begeben solle. Doch nichts konnte ihn daran hindern, nach allen Seiten zu schauen und sich dabei auf seinem Sitzgitter leicht hin und her zu drehen. Die einzigen Kennzeichnungen an den Gebäuden waren diskrete kleine Ziffern, doch der Zweck von manchen war ziemlich offensichtlich. Drahtlose Telegraphie: eine lange Kaserne, aus der die absonderlichsten Antennenmasten sprießten. He, wenn es ordentlich und praktisch zuging, dann war das Gebäude daneben das Verschlüsselungs-Institut. Auf der anderen Seite der Straße lag ein Asphaltstreifen, der breiter und glatter als jede Straße war. Er war keine Überraschung, dass am anderen Ende zwei Eindecker mit tief liegenden Flügeln standen. Scherkaner hätte viel darum gegeben, sehen zu können, was sich dahinter unter den Tarnplanen befand. Ein Stück weiter ragte die Schnauze eines großen Gräbers steil aus der Wiese vor einem Gebäude. Der unmögliche Winkel ließ an Geschwindigkeit und Gewalt bei etwas denken, was doch eigentlich die denkbar langsamste Methode war, von einem Ort zum anderen zu kommen.

Er näherte sich dem Ende des Tals. Weit oben lag der Königsfall. Ein Regenbogen von tausend Farben schillerte in der Gischt. Er fuhr an etwas vorbei, das wahrscheinlich eine Bibliothek war, fuhr in einer Parkschleife mit den königlichen Farben und dem üblichen Strebennach-Einklang-Ding. Die Steingebäude rings um die Schleife waren ein besonderer Teil der Mystik des Landeskommandos. Durch eine glückliche Anordnung von Schatten und Abschirmung überstanden sie jede Neue Sonne ohne nennenswerte Schäden; nicht einmal ihr Inhalt verbrannte.

GEBÄUDE 5007 stand auf der Tafel. Amt für Materialforschung, stand auf dem Laufzettel, den ihm der Wachtposten überreicht hatte. Ein gutes Vorzeichen, dass es genau in der Mitte von allem lag. Er parkte zwischen zwei anderen Autos, die schon an der Straßenseite standen. Lieber nicht auffallen.

Als er die Stufen hinaufstieg, sah er, wie die Sonne fast exakt in der Richtung unterging, aus der er gekommen war. Sie stand schon über den höchsten Bergkuppen. Im Zentrum der Parkschleife warfen die Statuen in ihrem Streben nach Einklang lange Schatten über den Rasen. Irgendwie hatte er den Verdacht, ein durchschnittlicher Militärstandort wäre wohl nicht ganz so schön.

Der Feldwebel hielt Scherkaners Brief mit sichtlichem Abscheu am äußersten Rand fest. »Wer also ist dieser Hauptmann Unterberg…«

 »Oh, kein Verwandter, Feldwebel. Er…«

 »… und warum sollten wir uns einen Dreck um seine Wünsche scheren?«

 »Ah, wenn Sie weiterlesen, werden Sie sehen, dass er Adjutant von Oberst A. G. Burgwert ist, Quartiermeister vom Königlichen Sitzgitter.«

Der Feldwebel murmelte etwas, das wie ›Arschlöcher vom Einlassdienst‹ klang. Er ließ seine ansehnliche Körpermasse resigniert in die Hocke sinken. »Sehr gut, Herr Unterberg, worin besteht also Ihr beabsichtigter Beitrag zu den Kriegsanstrengungen?« Etwas an dem Kerl war schief. Dann bemerkte Scherkaner, dass der Feldwebel an allen linken Beinen Verbände trug. Er hatte einen Gefechtsveteranen vor sich.

Es würde schwierig werden, hier anzukommen. Scherkaner wusste, dass er sogar bei einem wohlgesonnenen Publikum keine sehr imposante Figur machte: jung, zu dünn, um gut auszusehen, so ein schlaksiger Alleswisser. Er hatte gehofft, an einen Technikoffizier zu geraten. »Also, Feldwebel, seit mindestens drei Generationen versucht ihr vom Militär, einen Vorteil zu erlangen, indem ihr euch länger in das Dunkel vorarbeitet. Erst waren es nur ein paar hundert Tage, lange genug, um unerwartete Minen zu legen oder Befestigungen zu verstärken. Dann war es ein Jahr, zwei, lange genug, um Truppen in großer Zahl in Angriffsposition für die nächste Neue Sonne zu bringen.«

Der Feldwebel — HRUNKNER UNNERBEI stand auf dem Namensschild — starrte ihn nur an.

 »Es ist allgemein bekannt, dass auf beiden Seiten an der Ostfront massive Tunnelbauarbeiten im Gang sind, was dazu führen kann, dass bis zu zehn Jahre in die kommende Dunkelzeit hinein große Schlachten ausgetragen werden.«

Unnerbei hatte eine glückliche Eingebung, und sein Blick wurde noch finsterer. »Wenn Sie das glauben, dann sollten Sie mit den Gräbern reden. Hier ist die Materialforschung, Herr Unterberg.«

 »Oh, das weiß ich. Aber ohne Materialforschung haben wir keine Chance, durch die wirklich kalten Zeiten zu kommen. Und außerdem… haben meine Pläne überhaupt nichts mit Graben zu tun.« Das Letzte sagte er etwas hastig.

 »Was dann?«

 »Ich… ich schlage vor, dass wir geeignete Ziele in Basville auswählen, uns im Tiefsten Dunkel wecken lassen, an der Oberfläche zu den Zielen gehen und sie zerstören.« Also das häufte alle Unmöglichkeiten in einem knappen Satz an. Er hob beschwichtigend die Hände. »Ich habe über alle Schwierigkeiten nachgedacht, Feldwebel. Ich habe Lösungen oder Lösungsansätze…«

Unnerbeis Stimme war fast leise, als er ihn unterbrach. »Im Tiefsten Dunkel, sagen Sie? Und Sie sind Forscher an der Königsschule in Weißenberg?« So hatte es Scherkaners Vetter im Brief formuliert.

 »Ja, in Mathe und…«

 »Schweigen Sie! Haben Sie die leiseste Ahnung, wie viel Millionen die Krone an Orten wie der Königsschule für Militärforschung ausgibt? Haben Sie eine Ahnung, wie genau wir die ernsthafte Arbeit verfolgen, die dort getan wird? Gott, wie ich euch Rotzlöffel aus dem Westen hasse! Eure größte Sorge ist es, euch auf das Dunkel vorzubereiten, und selbst damit kommt ihr kaum zurecht. Im Osten sterben jetzt Leute, Kupp. Es gibt weitere Tausende, die sterben werden, weil sie nicht auf das Dunkel vorbereitet sind, weitere werden in den Tunneln sterben und vielleicht noch viel mehr, wenn die Neue Sonne aufflammt und es nichts zu essen gibt. Und hier sitzt du und versprühst Hirngespinste.«