Und Streb Grüntal war klug genug, um sich vieles davon zusammenreimen zu können. Unvermittelt starrte sie ihren Chef an. »Sie haben es schon gewusst, nicht wahr? Deshalb wollten Sie mich nicht bei der Gruppe bleiben lassen. Sie glauben, es sei ein Selbstmordunternehmen und mein Urteilsvermögen getrübt… Ja, es ist gefährlich, aber Sie verstehen Scherkaner Unterberg nicht: Selbstaufopferung steht nicht auf seinem Programm. Nach unseren Maßstäben ist er eher ein Feigling. Das meiste, was Ihnen und mir teuer ist, kümmert ihn nicht besonders. Er riskiert sein Leben aus purer Neugier — aber er ist sehr, sehr vorsichtig, wenn es seine eigene Sicherheit angeht. Ich glaube, die Gruppe wird Erfolg haben und überleben. Die Chancen wären nur besser gewesen, wenn Sie mich bei Ihnen gelassen hätten! Herr General.«
Ihre letzten Worte wurden von der einzigen Lampe im Zimmer unterstrichen, die drastisch dunkler wurde. »Ha!«, sagte Grüntal, »wir haben seit zwölf Stunden keinen Brennstoff mehr, wussten Sie das, Oberst? Jetzt sind die Bleisäurebatterien so ziemlich leer. In ein paar Minuten wird Hauptmann Diredr hier sein und die Letzten Worte der Instandhaltungsgruppe sprechen: ›Entschuldigen Sie, Herr General, aber die letzten Teiche werden jeden Moment zufrieren. Die Technik bittet Sie, dass Sie sich ihnen zum endgültigen Abschalten anschließen.‹« Er ahmte die hohe Stimme seines Adjutanten nach.
Grüntal stand auf, beugte sich über den Tisch. Seine Zweifel waren wieder verborgen, der alte Schwung in seinem Verhalten. »Bis dahin möchte ich ein paar Dinge bezüglich Ihrer Befehle und Ihrer Zukunft klarstellen. Ja, ich habe Sie zurückgeholt, weil ich Sie nicht bei diesem Einsatz gefährden will. Ihr Feldwebel Unnerbei und ich haben ein paar lange Unterredungen gehabt. Wir hatten neun Jahre Zeit, um Sie nahezu unbegrenzten Risiken auszusetzen und zu sehen, wie Ihr Geist funktioniert, wenn Tausende von Leben von den richtigen Antworten abhängen. Es ist Zeit, Sie von der Frontlinie der Sondereinsätze abzuziehen. Sie sind einer der jüngsten Oberste der Neuzeit; nach diesem Dunkel werden Sie der jüngste General sein.«
»Nur, wenn Unterbergs Einsatz gelingt.«
»Unterbrechen Sie nicht. Wie auch die Sache mit Unterberg ausgeht, die Berater des Königs wissen, wie gut Sie sind. Egal, ob ich dieses Dunkel überlebe oder nicht, Sie werden wenige Jahre nach dem Beginn der Neuen Sonne auf meinem Posten sitzen — und die Tage, da Sie persönliches Risiko übernommen haben, müssen für Sie vorbei sein. Wenn Ihr Herr Unterberg überlebt, heiraten Sie ihn, kriegen Sie Kinder mit ihm, das ist mir schnuppe. Doch Sie werden sich niemals wieder selbst der Gefahr aussetzen.« Er winkte mit seiner spitzen Hand zu ihrem Kopf hin, eine angedeutete Drohung mit einer Spitze. »Wenn Sie es doch tun, dann, schwöre ich, werde ich aus dem Grab zurückkehren und Ihre dicke Schale knacken.«
Es ertönten Schritte in dem schmalen Korridor. Hände kratzten an den schweren Vorhang, der die einzige Tür des Zimmers war. Es war Hauptmann Diredr. »Entschuldigen Sie, General. Die Technik besteht nachdrücklich darauf. Wir haben noch dreißig Minuten Strom, höchstens. Die Leute bitten, Herr General…«
Grüntal spuckte das letzte Aromatikum in einen fleckigen Spucknapf. »Sehr gut, Hauptmann. Wir kommen augenblicklich nach unten.« Er drängte sich an Viktoria vorbei und zog den Vorhang zurück. Als Schmid zögerte, vor ihm zu gehen, winkte er sie durch die Türöffnung. »In diesem Fall heißt Vorgesetzter Letzter, meine Liebe. Mir hat dieses Geschäft, das Dunkel zu betrügen, nie behagt, aber wenn wir es denn tun müssen, bin ich es, der die Lichter ausmacht!«
Sieben
Von Rechts wegen hätte sich Pham Trinli nicht auf der Brücke des Flottenkapitäns befinden dürfen, schon gar nicht während einer ernsten Operation. Der alte Mann saß an einem der Reserve-Kommunikationsposten, machte aber in Wahrheit gar nichts damit. Trinli war Gefechtsprogrammierer dritten Ranges, obwohl nie jemand ihn etwas Produktives hatte tun sehen, nicht einmal etwas seinem niedrigen Rang Gemäßes. Er schien zu kommen und zu gehen, wie es ihm passte, und verbrachte die meiste Zeit unten im Aufenthaltsraum der Angestellten. Flottenkapitän Park war bekanntermaßen ein wenig irrational, was ›Achtung vor dem Alter‹ betraf. Anscheinend durfte Trinli, solange er keinen Schaden anrichtete, auf der Gehaltsliste bleiben.
Jetzt eben saß Trinli halb von seinem Posten abgewandt da. Er lauschte mit saurer Miene den leisen Gesprächen, dem Fluss von Überprüfung und Reaktion. Er schaute an den Technikern und Waffenführern vorbei auf die allgemeinen Bildschirme.
Die Landungen von Schiffen der Dschöng Ho und der Aufsteiger waren ein Tanz der Vorsicht gewesen. Das Misstrauen gegenüber den Aufsteigern erstreckte sich über alle Schichten von Kapitän Parks Leuten. Daher gab es keine kombinierten Besatzungen, und die Kommunikationsnetze waren komplett doppelt angelegt. Kapitän Park hatte seine größeren Schiffe in drei Gruppen unterteilt, von denen jede für ein Drittel der planetaren Operationen verantwortlich war. Jedes Aufsteigerschiff, jeder Lander, jedes Besatzungsmitglied im Einzelflug wurde beobachtet, um Anzeichen für Verrat festzustellen.
Die Gemeinbilder der Brücke zeigten das meiste davon. Aus dem ›östlichen‹ Haufen sah Trinli ein Trio von Schwerhebern von der gefrorenen Ozeanoberfläche aufsteigen, im Schlepptau einen Viertelmillionentonnen-Block von Eis. Es war die sechste Hebung bei dieser Operation. Die Oberfläche wurde von Raketenfeuer hell erleuchtet. Trinli sah ein Hunderte von Metern tiefes Loch. Fließender Schaum verdeckte den Einschnitt im Meeresgrund. Sondierungen zeigten, dass sich in diesem Abschnitt des Kontinentalschelfs viele Schwermetalle befanden, und sie bauten sie mit derselben groben Gewalt ab, die sie einsetzten, wenn sie Eis herausschnitten.
Nicht wirklich Verdächtiges dabei, obwohl es anders werden kann, wenn es Zeit wird, die Beute zu teilen.
Er musterte die Komstatus-Fenster. Beide Seiten waren übereingekommen, die Kommunikation zwischen Schiffen unverschlüsselt zu senden; eine Anzahl von Spezialisten der Aufsteiger standen in ständiger Konferenzschaltung mit entsprechenden Dschöng-Ho-Offizieren; die andere Seite sog gierig alles über Diems Entdeckungen in dem trockenen Tal auf. Interessant, wie die Aufsteiger vorgeschlagen hatten, die Artefakte der Einheimischen einfach einzukrallen. Das passte gar nicht zur Dschöng Ho. Es passt eher zu etwas, das ich vielleicht täte.