Anne und Pham trafen exakt zur festgelegten Zeit ein. Das Bankett mochte zwar klein sein, doch die Gastgeber hatten es als förmlich deklariert. Sie schwebten die Erhebung hinan, vorbei an Stufe um Stufe, berührten hin und wieder die Treppen, um Richtung auf den runden Tisch an der Spitze zu halten. Die Gastgeber waren bereits zugegen, Trixia und Viki, Qiwi und Ezr, ebenso die anderen Gäste, Arachner wie auch Menschen. Anne und Pham kamen wie vorgesehen als Letzte, die Gäste des Abschieds.
Nachdem sie Platz genommen hatten, kamen Spinnen als Servierer aus der Basis der Erhebung und brachten eine Auswahl verschiedener Spinnen- und Menschenspeisen. Die beiden Arten konnten tatsächlich miteinander essen, wenngleich jede die Nahrung der anderen größtenteils grotesk fand.
Sie aßen die Hors d’ceuvres nach Spinnentradition schweigend. Dann erhob sich Trixia Bonsol von ihrem Platz unter den Spinnen und hielt eine vorbereitete Rede, so würdevoll wie nur irgendeine bei Jirlibs Abschied. Pham stöhnte lautlos. Außer Belga Untersiedel waren hier alle eng befreundet. Er wusste, dass sie wohl kaum förmlicher als er selbst waren. Doch dem Anlass eignete eine Traurigkeit, und die schien größer zu sein, als es selbst bei einem normalen Abschied sein sollte. Er schaute sich verstohlen am Tisch um. So ernst, die Menschen in der Gesellschaftskleidung für Schwerelosigkeit, die mindestens tausend Jahre zurückreichte. Doch es war unwahrscheinlich, dass sie hier diplomatische Feinheiten beachten müssten. Untersiedel war wahrscheinlich das heikelste Wesen hier, doch sogar sie hielt es nicht sehr mit Förmlichkeit. Wenn jetzt nicht jemand das Wort ergriff, konnte das ganze Bankett ablaufen, ohne dass sie sich wirklich unterhielten.
Als Trixia fertig war und sich setzte, schüttete also Pham sacht einen halben Liter Wein in die Luft über seinem Platz am Tisch. Die dunkelrote Flüssigkeit schwabbelte in sich hin und her, peinlicherweise verschüttet, würde sie noch peinlicher werden, je nachdem, wen sie schließlich traf. Pham steckte den Finger in das zitternde Nass und drehte ihn ein bisschen hin und her. Der Flüssigkeitsklumpen streckte sich, bildete unter der eigenen Oberflächenspannung einen Kranz. Jetzt hatte er jedenfalls ihre Aufmerksamkeit erregt, bei den Spinnen noch mehr als bei den Menschen. Pham winkte einen Servierer weg, der mit einer Vakuumserviette bereitstand. Er grinste sein Publikum an. »Hübscher Trick, was?«
Qiwi beugte sich vor und schaute zu ihm herüber. »Es wäre ein hübscherer Trick, wenn du das Zeug sauber wieder herunterbringst.« Sie grinste ebenfalls. »Ich muss es wissen, meine Tochter spielt auch mit ihrem Essen.«
»Ja. Also, ich werde es beisammenhalten, solange ich kann.« Er hatte aus dem rotierenden Kranz wieder eine schwabbelnde Kugel geformt. Bisher hatte er nicht einmal die Spitze seiner Manschetten befleckt. Qiwi schaute mit angespanntem, professionellem Interesse zu. Das war die Art Trick, den sie einmal mit Milliarden Tonnen schweren Felsen ausgeführt hatte. Er zweifelte nicht daran, dass Kira Vinh-Lisolet mit ihrem Essen spielte; Qiwi ermutigte den kleinen Racker wahrscheinlich.
Er ließ das glänzend rote Zeug über seinem Platz schweben und winkte den Servierern, den nächsten Gang zu bringen. »Ich werde euch später ein paar Tricks zeigen, passt nur auf.«
Viktoria Lichtberg erhob sich ein kleines Stück von ihrem Sitzgitter. Ihre Mundhände modulierten ihre Stimme zu einem traurigen Zwitschern. »Tricks… lange traurig vergangen… drexip.« Zumindest glaubte Pham, das habe sie gesagt. Selbst nach all der Zeit — sogar mit dem Umsetzergerät, das die Tonlage senkte und alle Phoneme hörbar machte — war die Spinnensprache schwieriger als jede menschliche Sprache, von der er wusste. Trixia, die neben Lichtberg saß, lächelte und gab ihre eigene Übersetzung. »Wir werden deine Tricks vermissen, Zauberer.« In ihrer Stimme lag dieselbe Traurigkeit, die er in den Spinnenklängen hörte. Verdammt. Bei denen klingt das wie eine Totenfeier.
Also lächelte Pham strahlend und tat so, als habe er nicht verstanden. »Ja. In weniger als einer Megasekunde werden Anne und ich fort sein.« Zusammen mit tausend anderen, Aufsteigern, ehemals Fokussierten und sogar ein paar von der Dschöng Ho. Drei Sternenschiffe und tausend Mann Besatzung. »Wenn wir zurückkehren, werden vielleicht zwei Jahrhunderte vergangen sein. Aber he! Bei der Dschöng Ho gibt es oft längere Trennungen. Ich weiß, dass in euren Werften Schiffe im Bau sind.« Er deutete auf das Flackern am Himmel hinter Viktoria Lichtberg. »Viele von euch werden auch auf Reise gehen. Sehr wahrscheinlich werden sich manche von uns wiedersehen — und wenn es so weit ist, werden wir neue Geschichten auszutauschen haben, wie es bei der Dschöng Ho und anderen Sternenfahrern immer der Fall ist.«
Ezr Vinh nickte. »Ja, es wird künftige Begegnungen geben, selbst wenn wir nicht wissen, wo wir uns treffen werden und wann. Doch für viele von uns wird dies das letzte Treffen sein.« Ezr wich seinem Blick aus. Im Grunde zweifelt sogar Ezr. Und Ezr hatte die Hälfte seines Gewinns aus dieser Mission hergegeben, um Pham und Anne bei den Vorbereitungen zu helfen.
Doch Qiwi legte Ezr die Hand auf die Schulter. »Ich sage, wir legen ein paar Fixpunkte für ein Treffen fest, ganz so, wie es die Großen Familien tun.« Eine Zeit und einen Ort und eine Lebensspanne, die vergangen sein würde. Sie schaute zu Anne hinüber und lächelte. Jetzt war Qiwi Mutter und Ingenieur. Meistens schien sie der glücklichste Mensch ringsum zu sein. Doch manchmal sah Pham noch einen Schatten, vielleicht, wenn sie an ihre Mutter dachte, die andere Kira. Qiwi billigte diese Mission nach Balacrea. Verdammt, er war sicher, sie würde mitfliegen, wenn nicht Ezr und ihre Kinder wären und die neue Welt, die sie hier erschuf. Ezr hatte viel gelernt, was die Führung von Menschen anging, sogar noch mehr, seit er jetzt wirklich der Flottenverwalter für alle Menschen war. Doch Qiwis Genie war der Rahmen, den Ezr brauchte. Sie war es, die herausfinden konnte, welche Technik die Spinnen am höchsten schätzen würden. Ohne die Geschäfte, die sie zustande gebracht hatte, wäre die Werft der Spinnen noch ein Traum. Ezr hatte sich selbst immer als gescheiterten jüngeren Sohn betrachtet. Ichfrage mich, ob er und Qiwi wirklich verstehen, was sie hier erschaffen. Sie hatten Kinder, ebenso Jau und Rita und viele andere. Gonle und Benny hatten einen Kindergarten für all die neuen Kleinen gebaut, einen Ort, wo Kinder und Kupplinge spielten, während ihre Eltern zusammen arbeiteten. Das Unternehmen der Menschen und Spinnen wuchs von Jahr zu Jahr. Wie vor langer Zeit Sura Vinh, würden Qiwi und Ezr vielleicht selber nicht viel reisen, doch diesem Teil des Dschöng-Ho-Raums stand eine Explosion von Licht bevor, die Geburt von etwas Neuem, das Canberra und Namqem in den Schatten stellen würde.
Eine Explosion von Licht. Ja! »Also legen wir den Fixpunkt fest! Die nächste Neue Sonne — oder vielleicht ein paar Megasek danach, weil ich mich zu erinnern glaube, dass es ein bisschen ungemütlich ist, wenn die Sonne gerade aufflammt.« Ungefähr zwei Jahrhunderte. Das wird gut zu meinen anderen Plänen passen.