Auf der Wand hinter ihm wurde ein Licht immer größer, glitt langsam seitwärts. Ein Taxi näherte sich der Andockbucht. Das Licht glitt um die Krümmung der Wand herum, und eine Sekunde später ertönte ein gedämpftes Klonk. Flache Wellen liefen vom Andockzylinder her über den Stoff. Die Schleusenpumpen sprangen an. Hier war ihr Heulen lauter als am Eingang des Docks selbst. Ezr zögerte. Der Lärm reichte aus, um gegenüber dem Truppchef ihr Gespräch zu übertönen. Klar, and jede Wanze würde durch den Lärm hindurch besser hören als wir selber. Also sprach er nicht in einem geheimniskrämerischen Murmeln, sondern laut gegen den Pumpenlärm an. »Benny, es ist eine Menge passiert. Ich möchte dir nur versichern, dass ich mich nicht verändert habe. Ich bin kein…« Ich bin kein Verräter, verdammt!
Einen Augenblick lang war Bennys Gesichtsausdruck undurchdringlich… und dann lächelte er plötzlich. »Ich weiß, Ezr. Ich weiß.«
Benny führte ihn die Wand entlang in die allgemeine Richtung auf den Chef seines Arbeitstrupps zu. »Lass mich dir zeigen, was wir noch vorhaben.« Ezr folgte ihm, während der andere hierhin und dorthin zeigte, die Veränderungen schilderte, die die Aufsteiger an den Dockprotokollen vornahmen. Und plötzlich verstand er ein wenig mehr von dem Spiel. Der Feind braucht uns, rechnet damit, uns jahrelang arbeiten zu lassen. Es gibt eine Menge, was wir zueinander sagen können. Sie werden uns nicht umbringen, nur weil wir Informationen austauschen, um ihre Aufträge auszuführen. Sie werden uns nicht umbringen, weil wir darüber spekulieren,’ was vor sich geht.
Das Heulen der Pumpen erstarb. Irgendwo jenseits des Kunststoffs des Andockzylinders stiegen wohl Leute aus, wurde Fracht ausgeladen.
Wen schwang sich nahe an die offene Luke des Versorgungsschachtes. »Sie bringen eine Menge von ihren Leuten herüber, höre ich.«
»Ja, vierhundert demnächst, vielleicht mehr.« Dieses Temp bestand nur aus ein paar Ballons, vor etlichen Megasekunden aufgeblasen, als die Flotte angekommen war. Doch es war groß genug für alle Besatzungen, die den Flug über fünfzig Lichtjahre von Triland im Kälteschlaf zugebracht hatten. Das waren dreitausend Menschen gewesen. Jetzt lebten nur dreihundert darin.
Benny zog eine Augenbraue hoch. »Ich dachte, die hätten ihr eigenes Temp, und besser als dieses.«
»Ich…« Der Truppchef war fast in Hörweite. Aber das ist keine Verschwörung. Herr Allen Handels, wir müssen über unsere Arbeit reden können. »Ich glaube, sie haben mehr verloren, als sie zugeben.« Ich glaube, wir hätten um ein Haar gesiegt, obwohl wir hinterhältig überfallen wurden, obwohl sie uns mit ihrer biologischen Waffe flachgelegt hatten.
Benny nickte, und Ezr erriet, dass er es schon wusste. Doch wusste er dies: »Das lässt immer noch eine Menge Platz übrig. Tomas Nau erwägt, mehr von uns aus dem Kälteschlaf zu holen, vielleicht ein paar Offiziere.« Gewiss, die höheren Ränge würden für die Aufsteiger ein größeres Risiko darstellen, doch wenn Nau wirklich effektive Zusammenarbeit wollte… Leider war der Hülsenmeister in Bezug auf die ›Fokussierten‹ weitaus weniger entgegenkommend. Trixia.
»Oh?« Bennys Stimme klang unverbindlich, doch sein Blick wurde plötzlich scharf. Er schaute beiseite. »Das würde viel bedeuten, besonders für einige von uns… wie die kleine Dame, die in diesem Schacht arbeitet.« Er steckte den Kopf halb durch die Luke und rief: »He, Qiwi, bist du da drin fertig?«
Das Balg? Ezr hatte sie seit dem Überfall nur zwei, drei Mal gesehen, genug, um zu wissen, dass sie nicht verletzt und keine Geisel war. Doch mehr als die meisten hatte sie Zeit außerhalb des Temps und bei den Aufsteigern verbracht. Vielleicht wirkte sie einfach zu jung, um für sie eine Bedrohung zu sein. Ein Moment verging; eine winzige Figur in einem irren Harlekinanzug schlüpfte aus dem Schacht.
»Ja, ja, ich bin schon fertig. Ich habe die Fummelsicherung über die ganze…« Sie erblickte Ezr. »Hallo, Ezr!« Diesmal fiel das kleine Mädchen nicht über ihn her. Sie nickte nur und zeigte so etwas wie ein Lächeln. Vielleicht wurde sie älter. Wenn ja, dann war das die schwierige Art, es zu tun. »Ich habe es die ganze Strecke an den Schleusen vorbeigelegt, kein Problem. Man fragt sich bloß, wieso diese Kerle keine Verschlüsselung verwenden.« Sie lächelte, hatte aber dunkle Schatten um die Augen. Es war ein Gesicht, das Ezr bei jemand Älterem erwartet hätte. Qiwi hatte die entspannte Schwerelosigkeits-Hocke eingenommen, einen der karierten Schuhe unter eine Halterung an der Wand geklemmt. Doch die Arme hielt sie dicht am Körper, die Hände um die Ellbogen gekrallt. Das mitteilsame, grapschende und hauende kleine Ungeheuer, das sie vor dem Überfall gewesen war, war verschwunden. Qiwis Vater gehörte zu den noch immer Infizierten, wie Trixia. Wie Trixia würde er vielleicht nie genesen. Und Kira Pen Lisolet war eine leitende Waffenführerin.
Das kleine Mädchen redete weiter über die Anordnung innerhalb des Versorgungskanals. Andere Kinder hatten vielleicht Spielzeug und Spielgefährten; Qiwis Zuhause war ein nahezu leeres Staustrahlschiff gewesen, das zwischen den Sternen unterwegs war. Diese lange Zeit allein hatte sie auf mehreren Gebieten nahezu zur Spezialistin gemacht.
Sie hatte mehrere Ideen, wie man bei der Kabelverlegung, die die Aufsteiger verlangten, Zeit sparen könnte. Benny nickte, machte sich Notizen.
Dann war Qiwi bei einem anderen Thema. »Ich höre, wir kriegen neue Leute ins Temp.«
»Ja…«
»Wen? Wen?«
»Aufsteiger. Dann ein paar von unseren Leuten, denke ich.«
Ihr Lächeln wurde für einen Augenblick strahlend, und dann bezwang sie ihre Begeisterung mit sichtlicher Anstrengung. »Ich… ich war drüben in Hammerfest. Hülsenmeister Nau wollte, dass ich die Kälteschlaf-Vorrichtungen überprüfte, bevor sie auf die Ferner Schatz gebracht werden. Ich… ich habe Mama gesehen, Ezr. Ich konnte ihr Gesicht durch den Deckel sehen. Ich konnte sehen, wie sie sachtatmete.«
Benny sagte: »Mach dir keine Sorgen, Kleine. Wir werden… Es wird alles in Ordnung kommen für deine Mutti und den Vati.«
»Ich weiß. Das hat mir Hülsenmeister Nau auch gesagt.«
Er sah die Hoffnung in ihren Augen. Nau machte ihr also vage Versprechungen und wurde so zum Rettungsanker der armen Qiwi. Und manche von den Versprechungen waren vielleicht sogar wahr. Vielleicht würden sie ihren Vater endlich von ihrer verdammten Krankheit heilen. Doch Waffenführer wie Kira Pen Lisolet wären für jeden Tyrannen schrecklich gefährlich. Wenn es nicht gerade zu einem Gegen-Überfall kam, konnte Kira Lisolet lange, lange Zeit schlafen…Zu einem Gegen-Überfall. Sein Blick huschte hinüber zu Benny. Der Blick seines Freundes war völlig leer, die frühere Undurchdringlichkeit war wieder da. Und auf einmal wusste Ezr, dass es wirklich eine Verschwörung gab. In höchstens ein paar Megasekunden würden einige von der Dschöng Ho zur Tat schreiten.
Ich kann helfen; ich weiß, dass ich es kann. Die offizielle Koordination aller Befehle der Aufsteiger lief über Ezr Vinh. Wenn er eingeweiht wäre… Doch er wurde auch am genauesten von allen beobachtet, auch wenn Tomas Nau ihn nicht wirklich respektierte. Einen Moment lang stieg Wut in Ezr hoch. Benny wusste, dass er kein Verräter war — doch es gab für ihn keine Möglichkeit, zu helfen, ohne die Verschwörung zu verraten.