Выбрать главу

»Mehr als das - und jeder auf eigene Weise. Außerdem hat König Gurig alle Würdenträger selbst fernster Provinzen eingeladen, die sich gegenwärtig in Echo aufhalten.«

»Gegenwärtig? Gibt es etwa keine ständigen diplomatischen Vertretungen?«

»Wozu denn?«, fragte Kofa zurück. »Max, es ist doch viel besser, dass sie nur dann nach Echo kommen, wenn sie etwas von uns wollen. Allerdings wollen sie fast immer etwas von uns.«

»Kofa, erzähl mir von diesen Provinzfürsten. Nach dem heutigen Tag kann ich sowieso nicht schlafen und brauche ein wenig Unterhaltung.«

»Es genügt nicht, von diesen Leuten zu erzählen - man muss sie erlebt haben. Morgen kannst du deine Neugier stillen. Hast du schon von deinem Landsmann gehört?«

»Meinst du Graf Gatschilo Wuk, auch Sir Dunkler Sack genannt? Natürlich habe ich schon von ihm gehört. Aber nichts Näheres, um ehrlich zu sein. Er soll sich in seinem Schloss schrecklich langweilen und froh sein, dass ich sein Nachbar werde. Ich fürchte allerdings, seine Hoffnungen werden sich nicht erfüllen. Außerdem soll er sehr streitlustig sein.«

»Der alte Graf Gatschilo hat sogar den friedliebenden Großvater unseres Königs noch in die Kriegskunst eingeführt. Darum glaube ich, das hundertjährige Durcheinander, das erst mit der Verabschiedung des Chrember-Gesetzbuchs zu Ende ging, war gewiss zur Hälfte dem Wirken des Dunklen Sacks zu danken. Egal, was der Große Magister Nuflin Moni Mach dazu sagen mag.«

»Warum nennt man den Grafen eigentlich Dunkler Sack?«

»Das ist eine andere Geschichte. Graf Gatschilo hat zwei Prinzipien: Erstens reist er mit möglichst wenig Gepäck, und zweitens widerspricht es seiner Vorstellung von Menschenwürde, auf Reisen materielle Bedürfnisse zu spüren. Und weil der alte Gatschilo ein recht passabler Zauberer ist - für jemanden aus der Nähe von Uguland zaubert er sogar sehr gut -, hat er eine einfache Methode gefunden, sich von diesen Bedürfnissen zu befreien: Er hat einfach seine alte Reisetasche verzaubert. Seither kommt er auf seinem Klepper in die Hauptstadt geritten und hat nur diese Tasche dabei, seinen dunklen Sack nämlich. Kaum braucht er etwas, greift er hinein und zieht es raus - egal, ob es sich um ein Festgewand oder um eine Armee handelt. Deshalb nennt man ihn den Dunklen Sack. Er soll von diesem Spitznamen ganz begeistert sein.«

»Dieser Mann ist ja ein Genie!«, rief ich. »Den muss ich kennenlernen und bei ihm in die Lehre gehen. Ich teile seine Prinzipien völlig. Was könnte praktischer sein, als alles nur Erforderliche in einem einzigen Sack zu transportieren!«

»Siehst du, so nette Menschen leben in der Grafschaft Wuk! Und vor kurzem hast du dich noch gesträubt, König der Leeren Länder zu werden.«

»Vielleicht sollte besser Graf Gatschilo dort König sein«, murmelte ich. »Das wäre sicher die ideale Beschäftigung für ihn.«

»Ich fürchte, du unterschätzt dein Volk, Max«, sagte Sir Kofa ernst. »Es ist eher bereit zu sterben, als sich von einem Barbaren regieren zu lassen. Und ein Barbar ist für diese Menschen jeder, der nicht in den endlosen Steppen zur Welt gekommen ist. Graf Gatschilo würde deinen Untertanen das Sterben sicher leichtmachen - man müsste ihm nur ein Schwert in die Hand drücken.«

Ich nickte gedankenverloren und musste dann so plötzlich gähnen, dass selbst ich darüber staunte.

»Sehnst du dich nach einem weichen Kissen?«, fragte Kofa einfühlsam. »Das ist verständlich, denn du hast einen harten Tag vor dir.«

»Hart wird nur der Abend«, sagte ich. »Die Zeremonie soll kurz vor Sonnenuntergang steigen. Aber ich gehöre wirklich ins Bett. Vielen Dank, Kofa - du hast mir den Abend versüßt.«

»Ich fürchte eher, deine Geduld mit meinen Geschichten über Gebühr strapaziert zu haben.«

Ich winkte nur ab, gähnte erneut und stand auf. »Sollte morgen jemand ein Dienst-A-Mobil vermissen: Ich nehme eins mit nach Hause, weil Lonely-Lokley meinen Wagen ruiniert hat. Gute Nacht, Kofa.«

»Gute Nacht, Max«, antwortete der Meister des Verhörs.

Ich hoffte inständig, sein Wunsch möge in Erfüllung gehen.

Und tatsächlich: Kaum im Schlafzimmer, hörte ich Techi leise atmen, kroch unter die Decke und schlummerte sofort ein. Meine Träume führten mich in geradezu paradiesische Gefilde, und ich schlief bis zum Mittagessen durch - wann ist man schon mal im Garten Eden zu Gast?

Auch das Erwachen war sehr angenehm, denn Techi stellte mir eine Tasse Kamra ans Kopfende des Bettes. Sie blieb lange warm, weil sie auf einer Heizplatte stand. Meine Freundin allerdings war ausgeflogen. Wahrscheinlich saß sie gerade in ihrem Gasthaus und blätterte in der neuesten Ausgabe der Königlichen Stimme. Ich meldete mich per Stummer Rede bei ihr, um mich zu bedanken.

»Keine Ursache, mein Lieber«, antwortete sie. »Ich versuche mich bereits an meiner neuen Rolle als Mätresse.«

»Kommst du zu mir?«

»Das geht leider nicht. Es sind Gäste da, und ich habe dem Personal freigegeben. Du musst also allein klarkommen.«

Ich seufzte nur, schlenderte ins Bad und legte mich in alle neun Wannen. Dann zog ich den schwarzgoldenen Todesmantel an und machte mich auf den Weg ins Armstrong und Ella.

Im Zwielicht des Lokals saßen einige Gäste, deren zerknitterte Mienen mich langweilten. Dann aber stellte ich erstaunt fest, dass mein Freund Ande Pu, dem ich noch immer keine Fahrkarte nach Tascher spendiert hatte, an der Theke hockte. Noch mehr überraschte mich, dass er Kamra trank, obwohl er alkoholischen Getränken immer entschieden den Vorzug gegeben hatte.

Techi begrüßte mich mit ihrem schönsten Lächeln, und mir fiel auf, dass sie eigentlich immer wunderschön lächelte.

»Zu den Magistern mit meinem Thron«, seufzte ich. »Es ist hier so nett, aber gleich muss ich los und mich mit Innenpolitik herumschlagen.«

Ande Pu schrak hoch und drehte sich zu mir um. »Max, was redest du da? König zu sein, ist das Beste, was es gibt. Alle werden vor Neid erblassen. Ich an deiner Stelle ...«

»Ja, du an meiner Stelle«, unterbrach ich ihn belustigt. »Das wäre wirklich großartig. Ich würde viel dafür geben, das erleben zu dürfen. Aber wie geht es dir, mein Freund? Du bist verdächtig nüchtern, und dein Aufzug ist bedenklich elegant. Was führst du im Schilde? Willst du zu meiner Krönung kommen?«

»Sir Rogro meint, nur ich sei fähig und würdig, die Zeremonie zu verfolgen und von ihr zu berichten«, antwortete Ande stolz.

»Verstehe. Du möchtest bei der Feier als bester Freund des neuen Königs erscheinen. Ich nehme an, du versprichst dir davon etwas für deine Karriere als Journalist.«

»So ein Unsinn«, meinte Ande traurig. »Manchmal bist du unglaublich zynisch. Das macht mich richtig fertig.«

Ich lachte auf, um meine Verwirrung zu kaschieren. Was war nur in mich gefahren? Ein angehender Dichter wie er war offenbar leicht zu verletzen.

Ande sank förmlich in sich zusammen, und es tat weh, ihn anzuschauen.

»Mach dir nichts aus meinem Gerede«, sagte ich und zwinkerte ihm zu. »Hauptsache, du kommst zu meiner Krönung, du zukünftiger Rogro Schill.«

»Ich hab dir schon mehrmals gesagt, du sollst mich nicht beim Namen anderer nennen«, sagte Ande und verzog das Gesicht. »Mein Name ist schließlich das Einzige, was mich hier hält.«

»Warum brauchst du überhaupt einen Halt?«, fragte ich leichthin. »Versuch doch mal, etwas unbeschwert zu sein. Das tut wirklich gut.«

Techi sah zu uns rüber, schüttelte den Kopf und lächelte mich an. Aber Ande ging nicht auf meinen Vorschlag ein, sondern sagte: »Das ist mir egal. Jedenfalls will ich nicht, dass du meinen Namen änderst.«

Die Nüchternheit, zu der ihn sein Schreibauftrag zwang, hatte seine Laune offenbar noch schlechter werden lassen als sonst. Meine Prophezeiung, ein gutes Gehalt und eine steile Karriere würden ihm die Schwermut schon austreiben, hatte sich als falsch erwiesen.

Ich winkte ab und trank meine ausgezeichnete Kamra. Manchmal hatte ich den Eindruck, die verbrecherische Energie von Lojso Pondochwa äußere sich bei seiner Tochter unter umgekehrtem Vorzeichen, als die Fähigkeit nämlich, die herrlichsten Getränke zu zaubern. Ich sah aus dem Fenster und merkte, dass ich allmählich gehen musste.