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»Ich wünsche mir, dass ihr mein Volk glücklich macht«, sagte ich zu den beiden Auserwählten. »Ihr müsst mir von nun an alles berichten, was euch zustößt. Und weil ihr der Stummen Rede nicht wirklich mächtig seid, müsst ihr mir regelmäßig Boten schicken. Ich verspreche euch, sofort zu antworten. Wie lange braucht ein guter Reiter eigentlich von den Leeren Ländern bis nach Echo?«

»Vierzig Tage, wenn ihm kein Unglück widerfährt«, antwortete Barcha Batschoj.

»Das ist ja gar nicht lange«, log ich froh. Zwar war es leichtfertig, meine Gefühle so offen zu zeigen, aber ich war wirklich glücklich, meinen königlichen Pflichten nur selten nachkommen zu müssen.

»Wir haben Euch Geschenke mitgebracht, Fangachra«, sagte der alte Fajriba. »Unsere Sitten verlangen, dass sie unter vier Augen übergeben werden müssen. Aber wenn Ihr die Freude mit Euren Gästen teilen wollt, habe ich nichts dagegen.«

»Warum sollten wir gegen die alten Sitten verstoßen? Es ist sogar besser, Geschenke unter vier Augen zu übergeben. Aber jetzt muss ich den übrigen Gästen etwas Aufmerksamkeit widmen. Bringt eure Geschenke darum besser ins Büchermagazin, also in das große Zimmer auf der rechten Seite des Flurs. Die Diener sollen euch den Weg zeigen. Ich komme gleich nach.«

Die Nomaden nahmen ihre Reisetaschen und zogen ab. Mindestens zehn Diener schienen sich um sie zu kümmern. Die Großzügigkeit von König Gurig war grenzenlos, doch seine Vorstellungen von meinen Bedürfnissen entsprachen ganz und gar nicht der Realität.

Ich war sehr angetan von der Idee, meine exaltierten Untertanen in einen anderen Raum zu lotsen, um sie von der übrigen Festgesellschaft zu trennen, denn ich glaubte nicht, dass sie eine gemeinsame Sprache mit anderen Provinzfürsten des Vereinigten Königreichs oder mit Vertretern aus dem Ausland finden würden.

Zwar hatte auch ich meine Zweifel, ob es mir gelänge, mich mit all diesen Besuchern zu unterhalten, doch ich konnte mich der Situation ohnehin nicht entziehen.

Als das letzte Piratenkopftuch durch die Tür verschwunden war, stand ich auf und sah mich nach meinen Kollegen um. Sir Juffin kam zu mir und rief begeistert: »Das hast du bravourös gelöst! König Gurig sollte bei dir Nachhilfe in höfischer Etikette nehmen. Gerade weil er sich für einen Demokraten hält, sollte er dich auf der Türschwelle sitzen sehen - auch wenn es nicht demokratische Überzeugung, sondern Bescheidenheit gewesen sein dürfte, die dich dazu gebracht hat, dich dort hinzusetzen.«

»Ich freue mich, dass mein Auftritt Ihnen gefallen hat. Aber haben Sie gesehen, was mit meiner Hand geschehen ist?«, fragte ich und zeigte sie Juffin.

»Da steht doch nur dein neuer Name«, meinte er nickend. »Und das sogar in alter Schreibweise, also auf Chon-Chonisch. Diese Buchstaben waren zu alter Zeit in Gebrauch, als alle noch nomadisch lebten. Beim Volk der Chencha hat sich dieses alte Wissen offenbar gehalten. Das ist interessant.«

»Ach so«, seufzte ich. »Und diese Buchstaben - bleiben sie für immer auf meiner Handfläche?«

»Ja, aber das ist auch besser für dich. Es gibt kein stärkeres Amulett als den Wirklichen Namen, noch dazu in fast vergessener Schrift. Du hast mal wieder viel Glück gehabt.«

»Ich glaube nicht, dass es sich um meinen Wirklichen Namen handelt. Er hat sicher dem jungen Thronfolger gehört, den meine Untertanen vor langer Zeit in der Steppe verloren haben. Ich habe mit dieser ganzen Sache nichts zu tun.«

»Wenn das nicht dein Wirklicher Name wäre«, meinte Sir Juffin und tippte mir auf die Handfläche, »dann würde er jetzt nicht da stehen. Woher willst du überhaupt wissen, dass du kein echter Thronfolger bist? Langsam komme ich zu der Überzeugung, es würde zu dir passen, in der Steppe vergessen worden zu sein«, sagte mein Chef und lächelte listig.

»Was Sie nicht sagen! Dabei wissen Sie doch am besten, woher ich stamme. Wenn ich von einer Sache wirklich überzeugt bin, dann davon, nie in der Steppe herumgetobt zu haben.«

»An deiner Stelle würde ich von gar nichts mehr voll und ganz überzeugt sein«, meinte Juffin augenzwinkernd. »Mit einer Ausnahme allerdings: Dein Wirklicher Name klingt genauso, wie der alte Mann ihn ausgesprochen hat.«

»Das ist ja furchtbar«, sagte ich und musste lachen. »Ajot Mao ... oder Moa - das kann sich doch niemand merken!«

»Das brauchst du dir auch nicht zu merken. Und laut aussprechen sollst du deinen Namen auch nicht - schließlich handelt es sich dabei um ein schreckliches Geheimnis. In früheren Zeiten hättest du den alten Mann töten müssen, damit dein Wirklicher Name einzig und allein dir bekannt gewesen wäre, doch in letzter Zeit pflegt man einen etwas laxen Umgang mit Geheimnissen. Wenn aber Ewigkeit mit dir reden möchte, wirst du ihr zu Diensten stehen. Ewigkeit, musst du wissen, ist eine hervorragend ausgebildete Lady, deren Steckenpferd vergessene Sprachen sind. Da kennt sie sich fantastisch aus. Und nur für diesen Fall brauchst du deinen Wirklichen Namen.«

»Das wird ja immer schlimmer«, murmelte ich. »Mit der Ewigkeit Bekanntschaft zu machen, hat mir gerade noch gefehlt. Ich würde mich lieber darauf beschränken, den Vertretern des Auslands die Hand zu schütteln. Was meinen Sie - wie würden diese Leute reagieren, wenn ich kein Wort mit ihnen reden, sondern ihnen nur die mystischen Zeichen in meiner Hand zeigen würde?«

»Das würden sie schon ertragen. Hauptsache, du entlässt sie nicht zu spät nach Hause«, versicherte mir Juffin. »Bei offiziellen Anlässen wie diesem ist es nämlich nicht üblich, ein Büfett aufzubauen, und es gibt kaum jemanden, der freiwillig bis Mitternacht mit leerem Bauch schwadroniert.«

»Warum auch?«, fragte ich erstaunt. »Ich würde schließlich auch gern eine Kleinigkeit essen.«

»Das darfst du. Schließlich bist du hier zu Hause. Aber wenn ich dir einen guten Rat geben darf: Mach dich rasch mit den Gästen bekannt. Sie sind nur hier, um sich dem neuen König vorzustellen. Kaum haben sie dir ihren unvergesslichen Namen genannt, ist ihre Mission erfüllt. Ich würde auch gern eine Kleinigkeit essen, aber dazu müsstest du Melifaro und mich erst einladen.«

»Ihr wollt euch auf meine Kosten den Bauch vollschlagen? Kommt nicht in Frage!«, sagte ich und setzte die Miene eines verwirrten Geizhalses auf.

»Manchmal bist du dem Großen Magister Nuflin wirklich zum Verwechseln ähnlich«, kicherte mein Chef. »Jetzt verstehe ich: Du bist nicht König von Fangachra, sondern Enkel von Moni Mach. Weißt du eigentlich, dass König Gurig für alle Kosten aufkommt, die in deiner Residenz anfallen?«

»Wirklich? Das ändert alles«, sagte ich und lächelte gastfreundlich. »Ich bin erfreut, mein bescheidenes Abendessen mit euch beiden teilen zu dürfen.«

»Ausgezeichnet«, sagte Juffin zufrieden. »Und jetzt geh und frag all deine Besucher nach ihrem Namen. Ich mach mich unterdessen über das versteckte Büfett her, denn mein Magen ist so leer wie das Tor zwischen den Welten.«

Hinter mir stand ein Mann, der einen halben Kopf kleiner war als ich. Sein Aufzug war ein Kompromiss zwischen der eleganten Hauptstadtmode und der Kleidung meiner Landsleute. Unterm klassischen schwarzen Lochimantel trug er Kniehose und Kettenhemd, und um den Kopf hatte er einen Schal gewickelt, dessen Enden beinahe den Boden berührten.

»Sie sind es wirklich! Wie schön, mich Ihnen vorstellen zu dürfen. Mein Name ist Rich-Chiri Gatschilo, Graf von Wuk. Schade, dass wir nicht Nachbarn werden. Ich hörte, mit Ihnen langweile man sich bestimmt nicht«, erklärte der kleine Mann.

»Das habe ich von Ihnen auch gehört«, gab ich zurück und musterte ihn interessiert. Ich hatte nicht bedacht, dass der Graf, den man auch Dunkler Sack nannte, Lehrer des friedfertigen Königs Gurig VII. gewesen war, und staunte nun darüber, dass eine der seltsamsten Personen des Vereinigten Königreichs so klein war.

»Ganz zu Recht«, sagte der Graf. »Aber ich will Ihnen nicht Ihre kostbare Zeit rauben. Womöglich können wir uns irgendwann länger sehen. Ihre Untertanen sind übrigens sehr unzuverlässig. An denen werden Sie noch viel Freude haben. Ich muss zugeben, mich auf diesem Empfang gelangweilt zu haben. Es gibt hier schrecklich viele Menschen, aber nichts zu trinken. Und jetzt gute Nacht!«