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»Gute Nacht!«, gab ich zurück und konnte den Blick kaum von dieser seltsamen Person abwenden.

Graf Gatschilo verbeugte sich, drehte sich um und ging zur Tür. Ich bewunderte seine kerzengerade Haltung, die ihm alles Zwergenhafte nahm und die Leute um ihn herum eigenartig verwachsen wirken ließ.

Im nächsten Moment war ich von einer bunten Gesellschaft umringt. Zwei Männer stellten sich mir vor: Sir Rep Kibat und Graf Kajga Atalo Wulch, die beiden Abgesandten aus Iraschi, einer der vielen Städte mit eigener Sprache. Im Wirtshaus Gerb Iraschi, wo ich früher regelmäßig verkehrte, hatte ich einige Brocken davon aufgeschnappt und konnte die zwei nun mit einem »Chokota!« überraschen, der traditionellen Begrüßung dort.

Dann lächelte mir Sir Toi Gojochwi zu, der sympathische Abgesandte aus Tulan, einer weit entfernten Gegend, über die Sir Manga Melifaro mir interessante Dinge erzählt hatte. Kurz darauf stieß Werlago Gabajochi dazu, der Prinz von Gor. Er war fast wie meine Untertanen gekleidet, wirkte aber so ernst wie eine Professorenwitwe. Er war Abgesandter der Grafschaft Chota, deren Anschluss ans Vereinigte Königreich bevorstand. Danach lernte ich den extravagant gekleideten Marquis Niro Uwilguk van Baunba aus Lochri kennen, der trotz des schönen Wetters einen sehr warm wirkenden Mantel trug. Alsdann trat Burik Pepezzo aus Tarun vor mich, der mächtige Vorsteher der Malerzunft dieses fernen Landes, dessen Bewohner sich fast alle der Malerei widmen. Wenn ich recht verstanden hatte, war er eigentlich nur nach Echo gekommen, um bei den vielen hier lebenden Kollegen seiner Zunft, die uns Hauptstädtern mit dem Pinsel das Leben versüßten, eine Malsteuer einzutreiben. Am auffälligsten aber fand ich Maniwa Umonary, den Abgesandten des Kalifats Kuman, der zufällig in Echo weilte und sich auf einem Teppich in meine Residenz tragen ließ. Wollte er seinen Platz wechseln, hoben zehn Diener den Teppich und trugen ihn weiter. Dieser Mann strahlte etwas viel Majestätischeres aus als ich, und ihn umgab das Flair von Tausendundeiner Nacht.

Mein nächster Besucher hatte ein echtes Piratengesicht. Es handelte sich um den Abgesandten von Ukumbi, Sir Tschekimba Geblasenes Horn. Unaufgefordert erklärte er mir, Geblasenes Horn sei der Name seines Schiffes, den in Verbindung mit seinem Familiennamen zu tragen in dem kleinen Piratenstaat, aus dem er stamme, Privileg der ältesten und einflussreichsten Sippen sei.

Dann belagerten mich die Honoratioren des Vereinigten Tascher, nämlich Zunaki Tschuga Tlach und Tschumotschi Droch Wiwi. Angesichts der vielen neuen Gesichter und Namen war mir schon ganz flau, doch ich erinnerte mich daran, dass mein Freund Ande Pu davon träumte, nach Tascher auszuwandern, und machte die beiden Herrn mit dem Journalisten bekannt.

Die nächsten drei Besucher kamen mir bekannt vor. Sie stammten aus der schönen Stadt Isamon und trugen kurze Jacken und übergroße Wollmützen. Es handelte sich um die Herren Cicerinek, Machlasufis und Michusiris, die Melifaro neulich erst aus dem Fenster seines Wohnzimmers hatte werfen müssen. Stolz nannten sie mir ihre Titel. Cicerinek war Vorsitzender des Stadtrats von Isamon, Machlasufis sein Privatlehrer, Michusiris Spezialist für alle kulturellen Fragen, die das Vereinigte Königreich betrafen. Ich wusste zwar nicht, was diese drei vornehmen Herren bei meiner Krönung zu suchen hatten, tat diese Frage aber als belanglos ab und erfreute mich stattdessen an ihrer seltsamen Kleidung aus Elchleder.

Dann sah ich mich nach Melifaro um, denn es wäre lustig gewesen, die vier wieder aufeinandertreffen zu lassen. Ich entdeckte meinen Kollegen ganz in der Nähe. Er unterhielt sich mit zwei überaus sympathischen Gentlemen, die auf den ersten Blick ganz und gar nicht exotisch wirkten. Als einer von ihnen die Kapuze abstreifte - es gibt nämlich Völker, die unsere Turbane für einen höchst fragwürdigen Kopfschmuck halten -, war ich erneut überrascht. Die bunte, geschickt aufgetürmte Frisur meines Besuchers war ein echtes Kunstwerk, das mein Staunen vollauf verdient hatte.

Dann erfuhr ich, dass eine solche Pracht mit Eigenhaar allein nicht zustande zu bringen war, sondern dass man dazu auch auf das Fell von Haus- und Wildtieren sowie auf Federn zurückgreifen musste. Darüber hinaus waren ein paar starke Zaubersprüche nötig, damit sich die aus so unterschiedlichen Materialien zusammengesetzte Pracht auf dem Kopf hielt.

Ich ging zu den exotischen Gästen und lächelte meinem Tagesantlitz zu.

»Das sind Sir Ajoncha und Sir Dschifa, die Märchenprinzen aus der unglaublichen Grafschaft Schimara, deren Herrscher ich vor zwanzig Jahren hätte werden können, wenn ich mich nicht so dumm angestellt hätte«, sagte Melifaro rasch. »Stimmt's, meine Herren?«

»Kein Grund zur Eile«, rief einer der beiden Prinzen. »Es ist noch nicht zu spät. Überlegen Sie sich ruhig noch mal, ob Sie das Angebot annehmen wollen.«

Der zweite Prinz zuckte nur gleichgültig die Achseln. Er war offenbar zu erwachsen und zu ernst, um das Gespräch mit Melifaro längere Zeit genießen zu können.

Ich reicherte mein offizielles Lächeln mit möglichst viel Charme an und verbeugte mich sehr förmlich vor den Vertretern der Grafschaft Schimara.

»Eigentlich bin ich gekommen, um dich mit alten Bekannten zusammenzubringen«, sagte ich zu Melifaro. »Mit deinem Besuch aus Isamon, genauer gesagt. Du hast die drei erst kürzlich durchs Fenster aus deiner Wohnung geworfen.«

»Ach, die sind hier?«, fragte Melifaro erstaunt. »Na ja, heute möchte ich ihnen dieses Vergnügen ersparen. Einmal reicht fürs Erste.«

»Da hast du Recht«, pflichtete ich ihm großmütig bei. »Weißt du eigentlich, dass König Gurig und ich dich zum Essen einladen wollen?«, fuhr ich fort und wandte mich dann an die beiden Grafen von Schimara. »Sollten Sie unseren Spaßvogel Melifaro noch länger ertragen können, möchte ich auch Sie gerne zu uns an den Tisch bitten.«

Prinz Ajoncha kicherte, und Prinz Dschifa musterte mich mit kaum verhohlenem Erstaunen. Er hatte offenbar andere Vorstellungen davon, wie sich ein Monarch zu benehmen hatte. Aber ich konnte mich unmöglich anders verhalten, denn ich stand neben Melifaro. Hätte ich mich wie eine Majestät gebärdet, hätte er mich jahrelang mit seinem Spott verfolgt.

Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, die Bekanntschaft diverser Adliger des Vereinigten Königreichs zu machen. Mir wurden folgende Persönlichkeiten vorgestellt: Waliba Walibal, der Ehrwürdige Leiter von Gugland; Eki Banba Uriuch, der Lord von Uriuland; Jorich Maliwonis, der Ehrwürdige Leiter von Uguland; schließlich die beiden Bürgermeister der Hafenstadt Gazin, Sir Balda Kunyk und Sir Zebi Chipilosis. Gazin war eine sehr reiche Stadt, der ein Bürgermeister offenbar nicht genügte. Soweit ich verstanden hatte, war der fröhliche rothaarige Balda Kunyk der Vertreter der reichen, durchweg adligen Reeder, während der muntere, mit einer leuchtenden Glatze geschlagene Zebi Chipilosis die Interessen der bürgerlichen Kaufleute vertrat. Vielleicht war es auch umgekehrt, aber ich kann mir nicht alles merken.

Danach unterhielt ich mich mit Joka Jochtochop, dem Polizeichef der Insel Murimach. Juffin hatte mir mal erzählt, Sir Joka verfüge über das absolute Gedächtnis und erkenne die Dinge, wie sie wirklich sind - genau wie unser Lukfi Penz. Doch anders als der Freund der Buriwuche wirkte der Sheriff von Murimach eher wie ein übertrieben pflichtbewusster Soldat, den auch sein lustiger Dialekt nicht zu einem angenehmen Zeitgenossen machen konnte.

Am Ende des Empfangs kam Sir Togi Rachwa zu mir, der Ehrwürdige Leiter von Landland, der bei vielen den Spitznamen »Goldenes Auge« trug. Eins seiner Augen war tatsächlich so bernsteinfarben wie die der Buriwuche, während das zweite die in Echo allgemein übliche Farbe aufwies, also grau war.