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Sir Togi hatte als Leiter von Landland hervorragende Arbeit geleistet und die Provinz binnen weniger Jahre zu einem der reichsten Gebiete des Vereinigten Königreichs gemacht. Die jährlich stattfindende Messe in Numbana zum Beispiel war ein wirtschaftliches Großereignis. Man sagte ihm nach, er sei zwar kein ökonomisches Genie, doch sein bernsteinfarbener Blick lasse Obst, Gemüse und Getreide dieses kargen Landes so üppig gedeihen, dass mehrmals im Jahr geerntet werden könne.

Der offizielle Teil des Empfangs näherte sich dem Ende, und meine ehrwürdigen Gäste verließen nacheinander die Residenz. Offenbar zogen sie es vor, anderswo zu Abend zu essen. Auch ich spürte mächtigen Hunger, musste mich aber zunächst noch mit meinen Untertanen treffen, um ihre Geschenke in Empfang zu nehmen. Wie herrlich wäre es gewesen, wenn sie ein paar süße Piroggen für mich vorbereitet hätten, aber das war reines Wunschdenken. Genauso vergeblich hätte ich hoffen können, dass es Edelsteine hagelt.

Ich ging zu Sir Juffin, der mit dem Empfang sichtlich zufrieden war.

»Es wäre schön, wenn Sie die Regie des restlichen Abends übernehmen würden«, sagte ich. »Sie können das sicher viel besser. Ich stoße erst später zu Ihnen, denn ich habe noch einen Termin mit meinen Untertanen. Vielleicht bekomme ich die kostbaren Reste ihres Throns überreicht.«

»Geschenke sind heilig«, sagte mein Chef. »Und merke dir: Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.«

»Womöglich verehren sie mir obendrein noch einen Kanten trocknes Brot. Mein Leben lang habe ich erfahren wollen, was Könige essen, und endlich ist die Gelegenheit da.«

»Trocknes Brot kann auch ich dir schenken. Aber wie ich dich kenne, wirst du diese Kleinigkeit mächtig aufbauschen und jungen naiven Mädchen von deinem königlichen Leben erzählen.«

Leider konnte ich das wunderbare Gespräch mit meinem Chef nicht fortführen, sondern musste ins ehemalige Büchermagazin. Dort saßen die Abgesandten des berühmten Volkes der Chencha friedlich auf dem Boden und verzehrten ihre Piroggen. Die Nomaden waren von Kopf bis Fuß mit süßer Creme bekleckert wie sonst nur Kurusch, der große Freund süßen Gebäcks.

Als sie mich sahen, sprangen sie panisch auf.

»Esst nur in Ruhe zu Ende«, sagte ich mit der Stimme einer gütigen Großmutter. »Ich freue mich, wenn sich meine Untertanen gut ernähren.«

Daraufhin nahm jeder meiner Besucher zwei Piroggen in die Hände und mümmelte geruhsam weiter. Offenbar hatten sie meine Höflichkeitsfloskel als Befehl aufgefasst. Der blinde Gehorsam dieser Nomaden erschütterte mich.

»Barcha und Fajriba, kommt bitte zu mir«, sagte ich. »Wir müssen über die Zukunft reden. Ihr könnt natürlich gern bis zu eurer Abreise hier im Palast bleiben. Ich übernachte derweil woanders. Wann wollt ihr eigentlich nach Hause zurück?«

»Wann immer Ihr es uns befehlt, Herr«, antwortete Barcha Batschoj und sah mich erstaunt an. In seinen Augen stand blankes Unverständnis über meine Frage.

»Dann macht euch morgen auf die Heimreise«, erklärte ich. »Schließlich habt ihr all meinen Landsleuten gute Nachrichten zu überbringen. Und nun gebt mir bitte eure Geschenke«, fügte ich hinzu und nahm mir eine Pirogge. Eigentlich mag ich keine rosige Füllung mit Honiggeschmack, aber Not kennt kein Gebot. Kaum war ich König geworden, musste ich mit Leckerbissen vorliebnehmen, denen ich sonst weiträumig ausgewichen wäre.

»Darf ich zuvor mit Euch sprechen, Herrscher von Fangachra?«, fragte mich der alte Fajriba leise und traurig.

»Natürlich«, sagte ich nickend. »Es ist leicht, sich mit mir zu unterhalten.«

»Genauso leicht, wie mit dem Tod ein Gespräch zu führen«, sagte der Alte streng. »Jahrhundertelang sagen wir zu ihm: »Hol mich bitte noch nicht heute«, und er lässt uns brav in Ruhe, doch eines Tages erfüllt er seine Pflicht, und zwar endgültig. Aber eigentlich wollte ich mit Euch über etwas anderes reden. Wir haben Euch etliche Geschenke mitgebracht, ohne Eure Vorlieben zu kennen. Außerdem wissen wir nicht mal, ob Ihr all diese Sachen braucht. Aber es entspricht eben der Überlieferung, dem neuen König Geschenke zu überreichen. Ich möchte Euch also bitten, sie anzunehmen - auch wenn sie Euch nicht alle gefallen sollten. Wenn der Herrscher die Geschenke seines Volkes ablehnt, fällt über seine Untertanen ein Fluch. Ich glaube nicht, dass Ihr uns etwas Böses wünscht, aber Ihr seid unter Barbaren aufgewachsen und kennt offenbar längst nicht alle Gesetze Eures Landes. Wir haben lange genug unter einem Fluch gestanden, Herr - lasst uns das bitte nicht schon wieder erleben.«

Er wandte sich an seine Landsleute, die noch immer pflichtbewusst an ihren Piroggen kauten.

»Holt eure Geschenke heraus. Der Herrscher ist bereit, sie zu empfangen.«

Zuerst bekam ich einige Körbe voll exotischer Frucht-und Gemüsesorten. Besonders erfreut war ich über einen riesigen Kürbis, den ich eifrig beschnupperte. Ich hatte zwar gute Erfahrungen mit der Küche des Vereinigten Königreichs gemacht, aber noch nirgendwo Kürbisse gesichtet.

»Toll«, rief ich begeistert. »Wenn ihr wüsstet, wie sehr ich Kürbis mag!«

»Kürbis? Das ist eine Steppenhimbeere! Habt Ihr das etwa vergessen?«, fragte der alte Mann, schüttelte erstaunt den Kopf und sah aus wie ein strenger Biologielehrer, der gerade den schwächsten Schüler der Klasse prüft.

Ich wollte den Korb mit der Steppenhimbeere anheben, doch der erste Versuch misslang, und auf einen zweiten verzichtete ich weise.

Natürlich beschränkten sich die Geschenke nicht auf Gartenfrüchte. So wurde ich stolzer Besitzer handgeflochtener Körbe, bunter Tücher, kurzer Hosen und anderer exotisch anmutender Kleidung. Manches sah neu, manches aber verdächtig getragen aus. Offenbar hatten die Mitglieder der offiziellen Gesandtschaft einige meiner Untertanen splitternackt ausgezogen. Innerlich zuckte ich zusammen, sagte aber kein Wort. Schließlich hatte ich dem alten Fajriba versprochen, alle Geschenke anzunehmen.

Mein Durchhaltevermögen wurde belohnt. Einer der Nomaden verehrte mir einen riesigen Hund mit zotteligem Fell. Er sah aus wie ein schneeweißer Bobtail, war aber fast so groß wie ein ausgewachsenes Nilpferd. Das gutmütig wirkende Monstrum hechelte mit seiner enormen Zunge.

»Sündige Magister, ist der schön!«, rief ich begeistert. »Ich habe immer davon geträumt, einen Hund zu haben, mir aber nie einen zugelegt. Offenbar habe ich geahnt, eines Tages so ein herrliches Exemplar geschenkt zu bekommen.«

»Das ist der schönste Schäferhund«, sagte Barcha Batschoj stolz. »Diese Hunde leben seit eh und je am Königshof. Da Ihr hier keines Schutzes bedürftig seid, Exzellenz, haben wir Euch nur eins dieser Tiere mitgebracht, um der Tradition wenigstens symbolisch Genüge zu tun. Normalerweise hat ein König hunderte davon.«

»Das habt ihr gut gemacht. Hundert Hunde dieses Kalibers - das wäre wirklich etwas viel.«

Ich kauerte mich neben den Hund und legte ihm behutsam die Hand auf die Mähne. Er sah mich unterwürfig an, drehte sich auf den Rücken und streckte alle viere in die Luft.

»Ihr wisst noch, wie man diese Tiere zähmen muss!«, rief Fajriba begeistert. »Nun ist er bereit, für Euch zu sterben.«

»Dazu kommt es hoffentlich nicht. Lebendig ist er mir entschieden lieber.«

»Wir freuen uns, Eure Wünsche erraten zu haben, und hoffen, dass Euch auch unser letztes Geschenk gefällt, Exzellenz.«

Ich hob den Blick und sah drei füllige Mädchen, die einander genau glichen. Sie wirkten tödlich erschrocken, hatten riesige Augen, eine schöne, lange Nase und kurz geschnittenes, dunkles Haar. Später erfuhr ich, dass die Frauen in den Leeren Ländern diesen Haarschnitt bevorzugen, da sie es für unter ihrer Würde halten, sich mit ihrer Frisur zu beschäftigen. Plötzlich fiel mir auf, dass vor mir nicht nur drei gleich aussehende Mädchen standen, sondern dass die drei fast perfekte Kopien von Liza Minelli waren. So ein Anblick kann jeden Menschen um den Verstand bringen.

Ich ließ mich neben meinem vierbeinigen Freund nieder, der mir prompt den Kopf unter die Hand schob. Ich streichelte ihn unwillkürlich, und der Hund war begeistert.