»Von so was träumst du? Wozu brauchst du einen Harem? Was willst du mit all den Frauen anstellen?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber wenn ich Erfahrungen gesammelt habe, beantworte ich deine Frage gern.«
»Was? Stimmt das mit dem Harem wirklich?«, fragte mein Kollege sichtlich erstaunt.
»Ja«, meinte ich und breitete bedauernd die Arme aus. »Ich habe drei Mädchen geschenkt bekommen. Wahrscheinlich muss ich den Dienst beim Kleinen Geheimen Suchtrupp quittieren, denn ich habe jetzt jede Menge andere Dinge zu tun. Ich werde den Damen Eis kaufen und ihnen beim An- und Auskleiden helfen müssen. Wer weiß, vielleicht hüpfen wir sogar zusammen Seil.«
Melifaro schüttelte irritiert den Kopf, blinzelte nervös und wollte offenbar wissen, warum ich solche Witze riss.
»Das ist die lautere Wahrheit, mein Freund. Ich habe mir absolut nichts davon ausgedacht.«
»Komisch«, sagte Juffin kopfschüttelnd. »Dann hast du jetzt tatsächlich drei Frauen? Schade, dass du keine Königin bist - dann hättest du nun drei Männer. Aber es ist doch gut, dass deine Untertanen sie dir verehrt haben. Schließlich soll deine Residenz nicht leer stehen, oder?«
»Das hab ich mir auch gedacht«, sagte ich nickend. »Darum hab ich den dreien befohlen, bei mir zu bleiben.«
»Donnerwetter!«, rief Melifaro, der endlich begriffen hatte, dass es sich bei den drei Frauen nicht um einen Witz handelte. Er wirkte sichtlich erschüttert. »Manche Leute haben wirklich Glück. Warum ist die Welt nur so ungerecht eingerichtet? Einer bekommt alles, und die anderen gehen leer aus - egal, wie anständig sie sind!«
»Du willst ein anständiger Mensch sein?«, fragte ich frappiert. »Na gut, nicht weinen, Kollege. Wenn du willst, bitte ich meine Untertanen, auch dir ein paar Frauen zu bringen. Mir macht das nichts aus.«
»Tu das!«
»Ihr solltet Euch daran gewöhnen, lieber Sir Max, Untertanen Befehle zu geben und sie nicht um etwas zu bitten«, mischte sich Prinz Dschifa ein.
Das klang so überzeugend, dass ich mich ertappt fühlte.
»Natürlich«, pflichtete ich ihm eilig bei. »Vielen Dank für Ihre Belehrung. Unser Melifaro hat demnächst den größten Harem im Vereinigten Königreich«, setzte ich hinzu und wandte mich wieder an meinen Kollegen. »Also sei nicht traurig, mein Freund.«
»So ein Harem passt gar nicht zu ihm«, sagte Juffin mit listigem Lächeln. »Du, Max, bist nicht irgendwer, sondern ein ausländischer König. Aber der da«, fuhr er fort und zeigte auf Melifaro, »ist ein ganz normaler Bürger unserer Stadt - auch wenn er sich große Verdienste um Echo erworben hat. Man darf an euch beide nicht den gleichen Maßstab anlegen.«
»Ach so«, sagte ich bedrückt zu Melifaro. »Du bist nur ein ganz normaler Stadtbewohner. Dann wird aus dem Harem natürlich nichts.«
»Jetzt reicht's mir aber! Ajoncha, ich akzeptiere deinen Vorschlag und übernehme ein Amt in deiner Provinz. Hier nämlich weiß man mich offensichtlich nicht zu schätzen.«
»Na endlich!«, rief der Prinz erfreut. »Wir werden ein Gesetz verabschieden, demzufolge allerorten munter Harems eingerichtet werden können. Und wir werden lange und glücklich leben! Dschifa, hast du eine Idee, was wir sonst noch bei uns ändern sollten?«
»Das erzähle ich dir später«, antwortete der Angeredete gelassen und musterte seinen älteren Bruder und Melifaro mit jenem Wohlwollen, das man netten, aber recht albernen Kindern entgegenbringt.
In etwas gespannter Atmosphäre aßen wir zu Abend.
Schließlich gab ich Drupi in die Obhut der Diener und befahl ihm, sich nicht nach mir zu sehnen. Dann gingen Juffin und ich zum Haus an der Brücke, während Melifaro und die beiden Prinzen sich in der Stadt austoben wollten. Dschifas gesetzte Miene allerdings ließ kaum befürchten, dass die drei in dieser Nacht zu einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Stadt werden würden.
»Die Feier war rasch vorbei - viel schneller als erwartet«, sagte Juffin zufrieden und setzte sich ins A-Mobil. »Das hast du gut hingekriegt, Max.«
»Ich nicht, sondern der Unbekannte, der entschieden hat, den Gästen kein Büfett anzubieten, sondern im kleinen Kreis zu feiern. Sonst würden all die offiziellen Vertreter und Gesandten sicher bis morgen früh in meiner Residenz tafeln.«
»Stimmt«, stellte mein Chef fest. »Darum gibt es bei offiziellen Anlässen nur selten Essen und Trinken.«
»Nur darum?«, fragte ich erstaunt. »Das ist wirklich menschenfreundlich - jedenfalls, was uns arme Könige anlangt.«
»Natürlich nicht nur darum. In Echo hält man es für unter seiner Würde, alle eingeladenen Gäste zu bewirten. Wir setzen uns mit unsereinem zu Tisch - oder mit denen, die wir schätzen und deren Anwesenheit uns Freude bereitet. Jeder Gastgeber - auch seine Majestät Gurig VIII.
- hat das Recht, nur seine Freunde zu bewirten. Deshalb haben wir beide mehrmals am Hof zu essen bekommen. Alle Gäste zu füttern, ist Unsinn, denn der Hof ist kein Wirtshaus. Sollte jemand darauf erpicht sein, auf Kosten des Königs zu essen, kann er in ein beliebiges Gasthaus gehen und es auf Rechnung des Hofes tun. Laut Gesetz ist der König ja verpflichtet, für all seine Untertanen zu sorgen.«
»Und wenn jemand unbedingt auf meine Kosten essen möchte? Soll er dann in die Leeren Länder fahren und dort auf meine Rechnung ein mit Kürbis gefülltes Menkal essen?«, fragte ich. »Das wäre eine ausgezeichnete Idee.«
»Menkal mit Kürbis - was ist das eigentlich?«
»Das Menkal ist ein gehörntes Pferd, das in den Leeren Ländern als Last- und Reittier benutzt wird. Und den Kürbis kennt man in Echo als Steppenhimbeere.«
»Sei vorsichtig - dieser Kürbis ist wirklich gefährlich. Aber da du so begeistert von ihm bist, glaube ich fast, du wurdest tatsächlich in den Leeren Ländern geboren.«
»Ich kenne den Kürbis aus meiner alten Heimat und habe dort etliche gegessen, ohne je Probleme bekommen zu haben.«
Wir mussten unser bezauberndes Gespräch unterbrechen, da wir das Haus an der Brücke erreichten. Juffin sprang aus dem A-Mobil und verschwand im Gebäude. Ich dagegen schlug mir verärgert mit der flachen Hand an die Stirn, weil ich nicht an die Bücher für Sir Schürf gedacht hatte.
»Wo bleibst du, Junge?«, meldete sich Juffin ungeduldig per Stummer Rede bei mir.
»Ich habe den Lesestoff für Schürf vergessen. Wenn er mir jetzt den Hals umdreht, kann ich ihm das nicht verdenken. Ich fürchte, ich muss noch mal in meine Residenz zurück.«
»Wie du meinst. Aber dann musst du auf mindestens eine Tasse Kamra verzichten.«
»Wie schade. Aber ich bin gleich wieder da.«
Im selben Moment kam mir eine Idee. Ich schob die Hand unter meinen Sitz, um durch die Ritze zwischen den Welten zu greifen. Ab und zu sollte man das trainieren -sonst kommt man aus der Übung.
Ich vergegenwärtigte mir, wie ich spaßeshalber Zigarren für General Bubuta gefischt hatte. Damals hatte ich mir die Gesichter derer vorgestellt, denen ich etwas wegnehmen wollte, die Kaffeetassen auf dem Tisch und die Kiste mit den Zigarren.
Jetzt wandte ich die gleiche Methode an und stellte mir meine Bibliothek vor. Dabei kam mir Stephen Kings Kurzroman Der Bibliothekspolizist in den Sinn, bei dem säumige Benutzer der Bücherei es mit einem Ordnungshüter zu tun bekommen, der keinen Spaß versteht. In so eine Bibliothek zu geraten, wäre kein Vergnügen, mein Freund, sagte ich mir. Diese Überlegung beeinträchtigte meine Konzentration, doch nach einigen Minuten hielt ich ein Buch in der Hand. Es handelte sich um den Roman Unsere Zeit ist vorbei von Ingvar Steffson. Titel und Verfasser waren mir unbekannt, aber was bedeutete das schon? Auf Erden war ich zwar ein leidenschaftlicher Leser gewesen, aber ich konnte schließlich nicht alles lesen, was andere geschrieben hatten.
Mit meiner Beute unterm Arm ging ich ins Haus an der Brücke. In unserem Büro traf ich auf den Boten aus dem Fressfass, denn Juffin hatte beschlossen, den Gefangenen zu füttern. Der kurzzeitig aus seinem Arrest befreite Lonely-Lokley hielt gedankenverloren seine Tasse in Händen.