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»Und ich dachte, du wärst in deine Residenz gefahren, um Bücher zu holen«, sagte mein Chef. »Und natürlich, um deinen Harem zu beaufsichtigen«, fügte er lachend hinzu.

»Finden Sie nicht, dass es reicht, wenn Melifaro mich in dieser Angelegenheit mit Anspielungen überschüttet?«, fragte ich leicht gereizt. »Ich bin mir sicher, dass er mich morgen, übermorgen und die nächsten zehn Jahre lang mit solchen Bemerkungen verfolgen wird.«

Dann wandte ich mich an Schürf. »Dieser Band ist für dich, mein Freund. Zwar hab ich dir nur ein Buch mitgebracht, aber dafür stammt es aus der anderen Welt. Wer außer mir kann dir schon so ein Buch besorgen?«

»Stimmt«, sagte er, und in seiner sonst so versteinerten Miene hielt ein leichtes Erstaunen Einzug. »Ein Buch aus der anderen Welt ist sicher besser als alles, was sich in der ehemaligen Bibliothek finden lässt.«

»Nicht unbedingt. Ich habe es nicht gelesen und den Namen des Autors nie gehört. Ich kann also für nichts garantieren.«

»Deine Garantie brauche ich auch nicht. Ich habe noch nie ein Buch aus der anderen Welt gelesen. Also ist es für mich zwangsläufig viel mehr als ein x-beliebiger Band.«

Darauf konnte ich nur nicken. Zugleich versuchte ich mir vorzustellen, wie ich reagiert hätte, wenn mir vor fünf, sechs Jahren, als ich noch nicht Sir Max war, sondern brav auf der Erde gelebt hatte, ein Buch aus Echo in die Hände gefallen wäre. Hätte ich überhaupt an die Existenz anderer Welten geglaubt? Hätte mich der literarische Wert des Bandes interessiert, oder wäre es für mich weit mehr als nur ein Buch gewesen? Wahrscheinlich hätte ich so reagiert wie Schürf.

»Ist das tatsächlich ein Buch aus deiner Welt?«, fragte mich Juffin erstaunt. »Habt ihr denn Zeit, binnen eurer kurzen siebzig Jahre Bücher zu verfassen?«

»Wir sind sehr fleißig«, erklärte ich. »Das sehen Sie doch an mir.«

»Allerdings. Bist du nun bereit, eine Reise durch das Chumgat zu machen?«

»Lassen Sie uns doch beim üblichen Begriff bleiben«, schlug ich vor. »Das Wort Chumgat riecht mir zu sehr nach alter Mystik. Das haben Sie auch schon gesagt. Ich bin aber gern bereit, einen Spaziergang durch das Tor zwischen den Welten zu machen.«

»Gut, brechen wir auf. Offenbar bist du kämpferisch gestimmt. Genau das ist jetzt vonnöten.«

»Wo soll's denn hingehen? Ich dachte, Sie könnten überall die Welten wechseln.«

»Ich schon, wenn auch nur fast überall. Aber heute müssen wir dein Tor nehmen, und das liegt bekanntlich im Schlafzimmer deiner alten Wohnung.«

»Ist es wirklich wichtig, wessen Tor zwischen den Welten wir benutzen? Ich dachte ...«

»Lass das besser. Wenn zwei Menschen eine Reise durch das Tor zwischen den Welten unternehmen, muss der eine den anderen führen. Und wir müssen in die Welt deiner Träume reisen. Also bist du es, der uns den Weg weist. Deshalb gehen wir jetzt in die Straße der alten Münzen.«

»Dort müssen wir allerdings zwei Ladys vertreiben, und das dürften sie uns kaum verzeihen.«

»Das bekommen wir schon hin. Also los, mein Held. Sir Schürf, leider muss ich Sie zuvor wieder mit ihrem mystischen Stück Literatur in die Verhörzelle sperren.«

Lonely-Lokley leistete keinen Widerstand, sondern seufzte nur pflichtbewusst.

Das bevorstehende Abenteuer beunruhigte mich nicht. Ich war zwar nie ein großer Held gewesen, aber in Gesellschaft von Sir Juffin hätte ich mich sogar in die Hölle getraut. Seine Anwesenheit wirkte einfach ungemein beruhigend auf mich. Deshalb schob ich meine Befürchtungen beiseite und unterhielt mich mit meinem Chef sorglos über unwichtige Dinge.

»Warum sind zu meinem gestrigen Empfang eigentlich keine Frauen erschienen?«, wollte ich wissen, weil mich diese Frage seit dem Vortag beschäftigt hatte. »Gibt es unter all den Provinzfürsten nicht eine Frau? Dürfen sie im Vereinigten Königreich etwa keine politischen Ämter bekleiden?«

»Kannst du eigentlich noch an etwas anderes denken als an Frauen? Ich verstehe deine Obsession ja - schließlich bist du frischgebackener Besitzer eines Harems. Und teilweise hast du sogar Recht. Überall in den Provinzen regieren Männer, und auch am Königshof sind Frauen deutlich unterrepräsentiert. Aber nichts und niemand verbietet es ihnen, solche Funktionen zu übernehmen. Sie wollen es allerdings nicht. Weißt du, so ein Amt verlangt, ständig in der Öffentlichkeit zu stehen. Kluge Frauen mögen das nicht, und Dummköpfe - ob männlichen oder weiblichen Geschlechts - sind in Führungspositionen nicht zu gebrauchen. Es hat allerdings ein paar Frauen gegeben, die sich in solche Bereiche vorgewagt und so manchen königlichen Empfang besucht haben. Weißt du, die Frauen von Echo sind viel radikaler als wir Männer. Sie wollen alles oder nichts. Du hast mich mal gefragt, warum in keinem Orden eine Frau das Amt des Großen Magisters bekleidet. Wenn eine Frau in einen Orden eintritt, hat sie kein Interesse an Nebensächlichkeiten wie dem ewigen Hickhack mit den lieben Kollegen. Und wenn sie eine politische Karriere einschlägt, ernennt man sie bald zur geheimen Ministerin.«

»Alles klar«, sagte ich lächelnd. »Dort, wo ich geboren wurde, glaubt man, Frauen seien nicht klug genug, um Karriere zu machen, und hier sind sie zu klug dafür. Beides läuft auf dasselbe hinaus.«

»Denk nicht voreilig, du hättest alles verstanden«, seufzte Juffin. »Es läuft ganz und gar nicht auf dasselbe hinaus, doch das merkt man nicht so schnell. Einmal hat mich Magister Nuflin Moni Mach nur deshalb zu sich gerufen, weil Lady Sotowa es so wollte. Er selbst hätte meine Anwesenheit höchstens als Haupt auf einem Silbertablett goutiert. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie mächtig Frauen sein können.«

»Steht also hinter jedem bedeutenden Mann in diesem Lande eine Frau?«

»Beinahe, doch es gibt Ausnahmen. Ich zum Beispiel lebe allein, und das ist auch besser so. Aber jetzt Schluss mit dem Thema Frauen. Denk lieber darüber nach, was du deinen beiden Freundinnen sagst, um sie von ihren DVDs zu trennen. Wir sind nämlich schon fast da.«

Ich hatte Recht gehabt: Im Schlafzimmer meiner alten Wohnung saßen Melamori und Techi vor dem Fernseher und kicherten wie Gymnasiastinnen. Sie sahen sich einen Film an, der fast nur unter spärlich bekleideten Athleten spielte. Zudem redeten die Schauspieler in einer seltsamen, mir unbekannten Sprache. Was manche Leute sich für ein Zeug zusammenfilmen!, dachte ich erstaunt.

Die DVD war offenbar zufällig in meine Sammlung geraten und dürfte meiner Ex-Freundin gehört haben. Tja, da glaubt man, jemanden zu kennen, und erlebt dann so eine Überraschung.

Kaum hatten die beiden Ladys uns bemerkt, wurden sie verlegen und erröteten sogar.

»Oh weh, sie haben uns auf frischer Tat ertappt!«, rief Techi und lehnte sich an Melamoris Schulter. Sofort kicherten die beiden wieder los.

»Kein Wunder - schließlich sind wir beim Kleinen Geheimen Suchtrupp«, brummte ich. »Was seht ihr euch da eigentlich an?«

»Ach das?«, meinte Melamori und machte eine abfällige Handbewegung Richtung Fernsehgerät. »Ich hab in meinem Leben noch nichts Unanständigeres gesehen als diese schnaufenden, halbnackten Kraftpakete. Gilt so was in deiner Heimat als Unterhaltung, Max? Bist du etwa selbst so unterwegs gewesen?«

»Wie du siehst, fehlt mir dazu die Statur. Außerdem ist das keine Unterhaltung, sondern eine Methode herauszufinden, wer der Stärkste ist - eine recht unsinnige Methode, wie man sieht, aber Juffin verfolgte schweigend, wie ein Mann in himbeer-rotem Trikot versuchte, zweihundertvierzig Kilo zu stemmen.

»Wie ekelhaft«, sagte er dann. »Ladys, gefällt Ihnen das wirklich?«

»Und wie!«, rief Techi. »Wir sehen uns das schon zum dritten Mal an.«

»Stellen Sie das bitte sofort aus, gehen Sie nach unten, und kochen Sie sich eine Tasse Kamra. In einer halben Stunde können Sie wieder so viele DVDs schauen, wie Sie mögen.«

»Ihr wollt noch woandershin, stimmt's?«, fragte mich Melamori.

»Nein, wir wollen uns diese Männer selber ansehen, schämen uns aber in eurer Gegenwart unserer niederen Triebe.«