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»Schöner Mann, ich verrate dir deine Zukunft. Lass uns sehen, ob du ein langes Leben hast und reich wirst.«

Die Handleserin näherte sich blitzschnell. Wie kann man so rasch über den Sand laufen?, fragte ich mich, tröstete mich aber damit, dass es vieles gab, was ich nicht für möglich gehalten hätte.

Dann verlor ich den Verstand.

Damals wusste ich nicht, warum ausgerechnet diese Frauen mit ihren Kindern mich so aus der Fassung brachten. Wer das Gefühl hat, angegriffen zu werden, sollte sich beherrschen können. Mich dagegen überkam blinde Raserei.

Das Erstaunlichste war, dass mir meine Wut gefiel. Ich ritt auf der Welle meines Zorns und spürte dabei ein intensives Gefühl der Befriedigung. Jede Zelle meines Körpers zitterte in wonniger Erwartung des Sturms. Genauso süß zitterte die Luft ringsum, und ich wusste nicht, wo mein Körper aufhörte und die Außenwelt begann. Auch wenn es seltsam klingen mag: Ich hatte mich noch nie so großartig gefühlt.

Die Frauen belagerten mich, als spürten sie die Wut nicht, die sich in mir zusammengebraut hatte. Dabei murmelten sie etwas über mein Geschick und den Hunger ihrer Kinder.

»Du willst Wahrsagerin sein, meine Liebe?«, fragte ich die lauteste von ihnen und staunte, wie unangenehm meine Stimme klang. »Obwohl du den eigenen Tod nicht vorhersiehst?«

Ich hatte nicht vor, die Frauen anzuspucken, obwohl mein Gift sie sicher umgebracht hätte. In dieser Lage aber wollte ich nicht auf eine so primitive Art des Tötens zurückgreifen. Wohlig streckte ich ihnen die Arme entgegen, als würde ich mich nach einem herrlichen Schläfchen genüsslich räkeln. Auf meinen Unterarmen waren scharfe Stacheln zu sehen, und mir war klar, dass jeder von ihnen so tödlich wie meine Spucke war.

Die Frau fiel leblos zu Boden und löste sich auf. Nur ihre farbenfrohe Kleidung blieb auf dem Strand zurück. Das waren gar keine Menschen, sondern Dämonen! Darauf hätte ich wirklich früher kommen können.

Die lauten Freundinnen meines Opfers zögerten, und ich nutzte die Gelegenheit, ihrem erneuten Angriff zuvorzukommen. Die linke Hälfte meines Mundes lächelte wollüstig, während die rechte Hälfte teilnahmslos blieb, als hätte ich dort ein Betäubungsmittel gespritzt bekommen. Den Magistern sei Dank, dass mir in diesem Moment niemand einen Spiegel vors Gesicht hielt! Dem sympathischen Sir Max aus Echo hätte sein Anblick sicher gar nicht gefallen.

Nach ein paar Sekunden war alles vorbei. Nur ein Haufen bunter Lumpen war am Strand zurückgeblieben. Ich zuckte die Achseln und ging weiter, um mir die nächsten Dämonen vorzunehmen, die sich im flachen Wasser tummelten. Um ehrlich zu sein, hätte ich es auch echten Menschen nicht verziehen, wenn sie sich hierher verirrt hätten.

Das Erstaunlichste bei meinem privaten Feldzug war, dass die Luft um meine Hände herum hörbar vibrierte. Das gefiel mir, ermüdete mich aber zugleich. Die seltsamen Stacheln an meinen Armen verschwanden plötzlich, doch ich wusste, dass sie unversehens wieder auftauchen würden, wenn ich auf ein neues Opfer träfe.

Ich ahnte, welcher Anblick mich am Wasser erwarten würde. Als ich nah genug gekommen war, um alle Details zu erkennen, stockte mir der Atem. Das ist zu viel für mich, dachte ich. Am Strand war alles versammelt, worauf ich je ohnmächtigen, mitunter nur flüchtigen und unerklärlichen, stets aber ermüdenden Hass verspürt hatte. Ich sah unfassbar dicke Matronen in grellen Badeanzügen, die sich sonnten und dabei aus Plastikbehältern Essen in sich hineinschaufelten. Ihre dünnbeinigen Begleiter tranken mit finsterer Miene warmes Flaschenbier. Ich sah krebsrote Mädchen in schlabbernden Bikinis, die sich Blätter auf die Nase gelegt hatten, um einen drohenden Sonnenbrand zu verhindern, und ihre x-beinigen Begleiter in zu engen Badehosen. Ich sah betrunkene Teenies, finster dreinblickende ältere Männer in Jogginghose und draufgängerische Rentnerinnen.

Plötzlich erinnerte ich mich an einen Strandurlaub mit meinen Eltern. Ich war damals höchstens fünf. Das ist ein schreckliches Alter, denn man beginnt die absurde Abhängigkeit von den Erwachsenen zu erkennen, hat dagegen aber noch keine Partisanenstrategie. Tagsüber geschah nichts Besonderes. Am Abend kehrten wir in unser Ferienhaus zurück, und ich lief in die Vorratskammer und hüllte mich in einen nach Mottenpulver riechenden Mantel. »Ich will nicht erwachsen werden! Bringt mich sofort weg von hier!«, rief ich immer wieder unter Tränen. Ich wusste nicht, an wen ich mich wandte, aber mich ekelte der Gedanke, durch das Zusammensein mit den Erwachsenen zu werden wie sie. Ich würde einen Bauch und Falten bekommen und irgendwann sterben - was sonst? Damals wusste ich noch nichts von Magie und Lojso Pondochwa.

»Das ist ja ausgezeichnet«, sagte ich leise zu mir. »Ich weiß zwar nicht, wer sich entschlossen hat, meine wunderbare Welt mit diesem Abschaum zu vermüllen, aber nun habe ich die Gelegenheit, die ganze Sippschaft auf einen Sitz zu töten.«

Dann roch ich die mir bekannte Mischung von Stranddüften - Schweiß, Sonnencreme, warmes Bier und gekochte Eier - und verlor alles Menschliche. Das ist keine bloße Redewendung, sondern eine kühle Feststellung der Tatsachen. Wie hätte das Wesen, das nun über den Strand tobte, noch ein Mensch sein können? Es vernichtete alles, was ihm in die Hände geriet, und fand größten Gefallen daran.

»Das ist meine Welt, ist das klar?«, rief ich. »Hier hat alles zu sein, wie ich es wünsche. Ich will euch nicht sehen. Verschwindet, ihr Missgeburten! In die Hölle, nach Antalya oder an die Costa Brava!«

Als ich wieder zur Besinnung kam, war alles vorbei, und ich saß allein im nassen Sand. Träge Wellen leckten an meinen Schuhen. Ich war ganz ruhig und fühlte mich sehr einsam. Was passiert war, erschien mir wie ein wirrer, aber durchaus angenehmer Traum, der mich nicht weiter beschäftigte.

»Du kannst ganz schön aggressiv werden«, hörte ich Sir Juffin hinter meinem Rücken belustigt sagen. »Schade nur, dass unser Schatzmeister Dondi Melichais dich nicht gesehen hat. Sonst würde er dein Gehalt bestimmt verdreifachen. Du bist doch sonst so ein netter Junge, Max -

wie konntest du dich so verwandeln? Schämst du dich gar nicht?«

«Sollte ich das?«, fragte ich gleichgültig.

»Eigentlich nicht«, sagte mein Chef lächelnd und setzte sich neben mich. »Was du gerade getan hast, war für dich offenbar nur eine Kleinigkeit. Also kommst du selbst mit Dämonen zurecht. Es war geradezu eine Augenweide, dir dabei zuzusehen. Jetzt musst du nur noch lernen, die zu besiegen, die hinter den Dämonen stehen.«

»Fangen wir doch sofort damit an«, meinte ich ungerührt.

»Sofort? Du bist ja eine richtige Kampfmaschine geworden. Ich hoffe, du bist nach dieser Benefizvorstellung nicht völlig ausgepumpt. Was du eben erlebt hast, hast du übrigens unserem Freund Gugimagon zu verdanken.«

»Ach, war das sein Werk?«, fragte ich teilnahmslos und staunte selbst, wie kalt mich diese Nachricht ließ. In diesem Moment hätte ich selbst Lonely-Lokley ein Vorbild sein können.

»Ich jedenfalls habe dir diese Leute nicht auf den Hals geschickt«, sagte Juffin, nahm seinen Turban ab und zog mit dem listigen Lächeln eines Zauberers aus der Provinz einen Tonkrug daraus hervor. Genau solche Krüge gab es im Fressfass.

»Ein Schlückchen Kamra dürfte dir nicht schaden. Sag aber bitte nicht, du bräuchtest zum Trinken eine Tasse. Ich kann nämlich kein Geschirr für dich herbeizaubern. Warum starrst du mich so an, Max? Hast du wirklich gedacht, außer dir und dem wunderbaren Maba Kaloch beherrscht niemand im Vereinigten Königreich den Trick mit der Ritze zwischen den Welten?«

»Aber nein«, sagte ich lächelnd. »Ich bin mir sicher, dass Sie zu allem fähig sind. Ich fand es nur erstaunlich, dass Sie den Krug ausgerechnet aus dem Turban gezogen haben. Stammt die Kamra wirklich aus dem Fressfass«