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»Ich komme mit einer Bitte zu dir, Max«, begann er und nippte genüsslich an einer der besten Kamras von Echo.

Ich sah ihn neugierig an. »Verlang, was du willst.«

»Du hast mal gesagt, du könntest mir noch ein Buch aus deiner Welt besorgen«, begann Schürf vorsichtig.

»Das habe ich ganz vergessen«, seufzte ich schuldbewusst. »Aber ich versuche es einfach hier und jetzt.«

»Jetzt und hier?«, fragte Lonely-Lokley erstaunt.

»Warum nicht? Sonst vergesse ich es wieder, und du wartest noch mal tagelang vergeblich darauf.«

»Manchmal bist du ein ungemein pragmatischer Mensch«, sagte er, und ich hatte den Eindruck, ein leises Lächeln umspiele seine Mundwinkel.

»Zuerst muss ich einen geeigneten Ort finden, denn hier gibt es nichts, in das ich die Hand schieben könnte.«

Ich ging hinter die Theke, wo ich nichts zu suchen hatte, erst recht nicht in der Hocke. Immerhin protestierte Techi nicht gegen mein Auftauchen, sondern hielt mich offenbar für einen Hund und strich mir kurz über den Kopf.

Ich brauchte eine Ritze, aus der ich das Buch ziehen konnte. Auch die größten Zauberer dieser Welt kommen nicht ohne so einen Schlitz aus. Schließlich entdeckte ich eine abgewetzte Matte, unter die ich die Hand schieben konnte.

Sofort war es, als hätte ich einen fallenden Gegenstand aufgefangen. Zunächst wurde ich stolzer Besitzer eines kleinen Damenschirms, gelb und mit bunten Blümchen geschmückt. Schirme fand ich in der Ritze zwischen den Welten ständig. Offenbar gingen sie öfter verloren als andere Gegenstände. Aber da ich kein Schirmsammler war, schob ich die Hand erneut unter den Teppich und versuchte, mir eine Bibliothek mit vielen Regalen vorzustellen.

In den ersten Minuten wollte mir das nicht gelingen. Stattdessen dachte ich an meine noch nicht ausgetrunkene Kamra und verspürte danach Lust, eine Zigarette zu rauchen. Außerdem tauchte immer wieder Techi auf, die dem, was ich auf dem Boden trieb, glücklicherweise keine Beachtung schenkte. Mühsam sammelte ich mich und dachte intensiv an eine Bibliothek.

Erneut spürte ich etwas in der Hand. Mit aller Kraft stellte ich mir vor, mit einer Leiter an ein Regal zu gehen, um an ein Buch zu kommen, das ganz oben lag. Dann zog ich unter dem Teppich einen Band hervor, der in einem herrlichen Schutzumschlag steckte. Hoffentlich würde diese schöne Ausgabe Lonely-Lokley gefallen. Mein Fang hatte den Titel Die große Erde im kleinen Weltall. Verfasser war ein gewisser Steve Harris. Autor und Titel waren mir unbekannt.

»Was ist bloß los?«, rief ich erstaunt. »Warum erwische ich nie ein Buch, das ich kenne und mag? Immerhin habe ich auf der Erde viele Bücher verschlungen.«

»Bist du mit dem, was du ergattert hast, unzufrieden?«, fragte Lonely-Lokley beunruhigt.

»Na ja, ich habe schon wieder ein mir unbekanntes Buch erwischt. Es ist offenbar unser Schicksal, Schürf, dass ich dir keins meiner Lieblingsbücher besorgen kann. Ich fürchte, du musst mir den Inhalt wieder erzählen, damit ich nicht vor Neugier sterbe.«

Ich gab ihm das Buch und setzte mich neben ihn. Techi kümmerte sich keinen Pfifferling um das, was hinter ihrer Theke geschehen war, sondern war in die neueste Ausgabe des Trubel von Echo vertieft. Offenbar interessierte sie sich viel mehr für diese Boulevardzeitung als für unsere Probleme.

»Warum staunst du so darüber, wieder ein unbekanntes Buch aus der Ritze zwischen den Welten gezogen zu haben? Du hast doch wohl nicht alle Bücher gelesen, die es gibt, oder?«, wollte Lonely-Lokley wissen.

»Alle sicher nicht«, sagte ich lächelnd, »doch du würdest staunen, wenn du wüsstest, wie viele ich geschafft habe. Es gab Zeiten, in denen ich wie ein Besessener las - das waren nicht die schlechtesten Jahre.«

»Ich habe den Eindruck, inzwischen liest du nicht mehr so viel«, bemerkte Schürf vorsichtig.

»Ich lese schrecklich wenig, eigentlich gar nicht mehr«, pflichtete ich ihm bei. »Aber nichts bleibt, wie es war - besonders, wenn man ein neues Leben beginnt.«

»Da hast du wohl Recht. Und wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, ist dein Leben inzwischen auch ohne Bücher sehr bewegt.«

»Bewegt? Das dürfte etwas untertrieben sein«, stellte ich leicht blasiert fest.

Die Tür quietschte im Wind.

»Max, du bist heute heiß begehrt«, sagte Techi und lächelte den Neuankömmling freundlich an. Ich schaute auf und schüttelte den Kopf, als ich Ande Pu sah. Er war beinahe nüchtern, blickte aber sehr finster drein.

Drupi hob den Kopf und bellte nur einmal, aber Achtung gebietend. Ande zögerte, trat einen Schritt zurück, als wollte er fliehen, beherrschte sich aber und blieb.

»Den darfst du nicht anbellen«, sagte ich streng zu meinem Hund. »Das ist mein Freund, du Dummkopf.«

»Vielen Dank, Max. Dieser Drupi hat ja Manieren wie ein Dorfköter. Ich verstehe nicht, warum du einen Hund dabeihast. Solche Tiere sind auf dem Land viel besser aufgehoben als in der Stadt«, räsonierte Ande Pu. Er lispelte stärker als sonst - offenbar aus Angst.

Ich verkniff es mir, Drupis Qualitäten aufzuzählen, und versuchte stattdessen, möglichst mitfühlend zu wirken.

Auf der Schulter spürte ich die schwere Hand von Lonely-Lokley. Erst zuckte ich zusammen, musste dann aber erleichtert lachen. Schürf hatte natürlich seine Schutzhandschuhe an. Wenn er sie vergessen hätte, hätte ich ohnehin keine Gelegenheit mehr gehabt, in Panik zu geraten.

Schürf schüttelte enttäuscht den Kopf, und ich rechnete schon mit einem Vortrag über die Vorteile der Atemgymnastik, die man jeden Tag und nicht nur alle zwei Wochen treiben solle. Damit wäre ich völlig einverstanden gewesen, doch er schwieg gutmütig, denn mein Gesicht war die Reue selbst.

»Vielen Dank für dein Buch, Max«, sagte er sanft. »Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, wenn ich jetzt nach Hause fahre. Ich habe große Pläne für heute Abend.« Er schwenkte mein Geschenk bedeutungsschwer hin und her.

»Hast du mich je beleidigt erlebt?«, fragte ich lächelnd.

»Eigentlich nicht«, räumte Schürf ein, verbeugte sich höflich vor Techi und wandte sich an Ande. »Kommen Sie morgen in den Gehörnten Mond?«

»Natürlich«, sagte der Journalist und nickte eifrig.

»Dann sehen wir uns dort, falls sich meine Pläne nicht ändern«, sagte Lonely-Lokley und verließ das Lokal.

Ich starrte Ande verständnislos an. »Was hast du denn mit Schürf vor, Freundchen? Von welchem Gehörnten Mond war da die Rede? Und warum weiß ich nichts davon? «

»Es handelt sich um das Zentrum der Poesie im Vereinigten Königreich«, antwortete Ande etwas hochnäsig. »Um den einzigen Ort in diesem schrecklichen Land, an dem man die Dichter schon zu Lebzeiten zu schätzen weiß.«

»Ist das ein echter Dichterklub?«, fragte ich begeistert. »Warum hast du mir nie davon erzählt?«

»Woher hätte ich wissen sollen, dass du dich für so was interessierst? Ich dachte immer, dir seien die Dichter - ob tot oder lebendig - herzlich egal. Aber dein Kollege Lonely-Lokley weiß erlesene Wortkunst zu schätzen. Oder habe ich dich aus einem falschen Fenster betrachtet?«

»Aus einem falschen Fenster?«, fragte ich und verstand gar nichts mehr.

Techi ließ vor Lachen die Zeitung fallen. »Das ist nur so ein Ausdruck, Max. Ande will damit sagen, dass seine Meinung von dir offenbar nicht der Wirklichkeit entspricht.«

»Das gefällt mir«, rief ich. »Du würdest staunen, mein Freund, wenn du wüsstest, aus wie vielen Fenstern man mich betrachten kann.«

»Dann hab ich wohl wieder alles richtig erfasst. Ich kann dich gern mal in den Gehörnten Mond mitnehmen, wenn du magst.«

»Ich finde eigentlich nichts völlig uninteressant, und was Poeten treffen angeht Bei diesen Worten verstummte ich, denn meine dichterische Vergangenheit zweimal an einem Tag zu offenbaren, wäre zu viel des Guten gewesen.

»Sei ehrlich: Du hattest befürchtet, deine Freunde würden in ein interessantes Wirtshaus gehen und dir nichts davon sagen. Und jetzt weißt du nicht, wie du dich verhalten sollst. Armer Max!«, sagte Techi mit nachsichtigem Spott.