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Ich sprang vom Barhocker und gab dem schlafenden Drupi einen Stups.

»Vergiss meinen Koffer nicht«, mahnte mich der Journalist erneut.

»Keine Sorge. Und du denkst daran, mir per Stummer Rede den Weg zum Gasthaus zu beschreiben. Sonst werde ich sauer und behalte den geheimnisvollen Koffer von Captain Kid für mich.«

»Was für ein Captain Kid? Mein Großvater hieß Sochma Pu.«

Im Haus an der Brücke war nicht mehr so viel Betrieb wie tagsüber, doch die Stimmung war blendend. Schon im Korridor hörte ich General Bubuta Boch eine Schimpftirade ablassen.

Dass seine Stimme allerdings aus unserer Hälfte des Gebäudes drang, erstaunte mich.

Wenn ich in Juffins Büro komme, sitzt Bubuta bestimmt am Schreibtisch und hält sich für den Leiter des Kleinen Geheimen Suchtrupps, dachte ich düster. Da lebt man stillvergnügt vor sich hin, und plötzlich bricht der existentielle Surrealismus aus.

Aber Spaß beiseite. Als ich in den Saal der allgemeinen Arbeit kam, hätte ich am liebsten »Geronimo!« gerufen -wie die amerikanischen Fallschirmspringer, wenn sie sich aus der Maschine stürzen -, denn auch ich hatte das Gefühl, ins Unbekannte zu hechten.

Im Saal allerdings herrschte eine irritierende Harmonie zwischen der Stadtpolizei und unserem Suchtrupp. Sir Melifaro, der diesmal einen türkisfarbenen Lochimantel trug, übergab Bubuta sechs erschrockene Verbrecher, deren exotische Gewänder auf eine ausländische Herkunft deuteten. Der General machte ein finsteres Gesicht, damit die Verbrecher Respekt vor der Stadtpolizei bekamen. Die Tür zu Juffins Büro war einen Spalt weit geöffnet. Offenbar beobachtete unser Chef die ganze Szene diskret von seinem Schreibtisch aus.

Leider verdarb ich ihm den Spaß, denn als Bubuta mich erblickte, hustete er zunächst und versuchte dann, eine möglichst intelligente Miene zu machen. Das war sehenswert. Er hätte längst wissen müssen, dass ich nicht immer Gift spucke, wenn man sich nicht ganz richtig ausdrückt, aber wer von uns ist nicht Sklave seiner Gewohnheiten?

»Guten Abend, Sir Max«, sagte der General fast flüsternd.

Ich wollte schon den Mund öffnen, um seine Begrüßung zu erwidern, da mischte sich Drupi mit lautem Kläffen ein. Der erschrockene Bubuta wäre fast an die Decke gesprungen, die Verhafteten zuckten zusammen, und Melifaro ließ sich theatralisch auf seinen Stuhl fallen, ohne auch nur zu versuchen, sein Lachen zu unterdrücken.

»Sei still, mein Lieber, hier arbeiten ernsthafte Leute«, belehrte ich meinen Hund.

»Ernsthaft sollen wir sein?«, rief Melifaro spöttisch.

»Sehr sogar«, bekräftigte ich mit versteinerter Miene.

Eine Minute später waren wir allein. General Bubuta hatte es wie immer vorgezogen, aus der Ferne mit mir Umgang zu pflegen, um seine Nerven zu schonen. Melifaro lächelte nun nicht mehr, sondern gähnte herzhaft.

»Den ganzen Tag über haben wir für andere die Arbeit gemacht«, sagte er. »Stundenlang mussten wir uns mit diesen Schönlingen herumschlagen, die der Zoll erwischt hat. Es hat sich erwiesen, dass es sich um ganz normale Diebe handelt, die allerdings nicht von hier sind. Leider haben wir die Freude darüber erst vor kurzem mit unseren Nachbarn teilen können.«

»Und was haben die sechs Schönlinge ausgefressen?«, wollte ich wissen.

»Nichts Besonderes, Max, glaub mir«, sagte Melifaro.

Endlich kam unser Chef aus seinem Büro, setzte sich neben Melifaro und begann wie mein Kollege, demonstrativ zu gähnen. Die beiden waren wirklich ein entzückendes Duo. Ich fürchtete schon, dieser Arbeitstag werde als einer der interessantesten in die Annalen des Kleinen Geheimen Suchtrupps eingehen.

»Diese Leute sind aus Kirwaori gekommen«, berichtete mein Chef. »Ihre extravaganten Sitten erinnern ein wenig an einen uralten Orden hier. Deshalb dachte ich zuerst, ich sollte ihnen mehr Aufmerksamkeit schenken, hätte aber besser daran getan, weniger auf den alten Schwätzer Nuflin Moni Mach zu hören. Ich glaube, ich gehe jetzt schlafen. Nichts ermüdet mehr, als die Arbeit eines anderen zu erledigen.«

»Schlaf ist etwas Wunderbares«, pflichtete ich ihm bei.

»Das ist mir längst klar«, gab Juffin bissig zurück. »Willst du dein nettes kleines Haustier eigentlich überallhin mitnehmen? Reicht dir Kurusch nicht? Er ist es schließlich gewöhnt, das einzige Tier im Haus an der Brücke zu sein.«

»Ich habe es einfach nicht geschafft, den Hund in meine Residenz zu fahren, denn mein Tag war ziemlich turbulent. Möchten Sie mir nicht auch Ihre Probleme anvertrauen?«

»Nein, das habe ich nicht vor. Ich bitte nur darum, mich bis morgen Mittag schlafen zu lassen - egal, was passiert.«

»Kein Problem. Sollte etwas wirklich Wichtiges vorfallen, wachen Sie sicher von selber auf.«

»Wie du weißt, habe ich einen tiefen Schlaf«, bemerkte Juffin, gähnte und verließ das Zimmer.

»Ich kann deinen Hund nach Hause fahren«, schlug Melifaro vor. »Deine Residenz liegt beinahe auf meinem Heimweg.«

»Beinahe, aber nicht ganz. Gib doch zu, dass du nur einen Vorwand suchst, meine Residenz in Augenschein zu nehmen!«

»Eigentlich nicht«, meinte Melifaro, »denn sie unterliegt keiner hohen Geheimhaltungsstufe.«

»Eben! Man kann mich problemlos besuchen. Warum strapazierst du also dein Gehirn, um einen glaubwürdigen Vorwand zu finden, dort herumzuschnüffeln?«

»Weil ich eine kleine Intrige spinnen will. Seit einiger Zeit plane ich, eine deiner Gattinnen zu entführen, doch nun bist du dabei, diesem Abenteuer allen Pfiff zu rauben«, sagte Melifaro und setzte sich auf die Fensterbank. »Deine drei Frauen sollten endlich erfahren, dass du die Rolle des Gatten nicht übernehmen willst. Du hast zwar schon halb Echo erzählt, dass du nicht daran denkst, dich deines Harems zu bedienen, doch auch Kenlech, Helach und Hellwi haben ein Recht, das zu wissen. Schließlich betrifft es vor allem sie.«

»Daran hatte ich noch gar nicht gedacht«, stellte ich betrübt fest.

»Wirklich nicht?«, fragte mich Melifaro augenzwinkernd.

»Lassen wir das, und fahren wir in meine Residenz. Ein Mann allein kann einen so großen Hund schließlich nicht kutschieren.«

»Dir ist wirklich jeder Vorwand recht, um dich vor deinen dienstlichen Pflichten zu drücken. Passt auf, Hoheit, dass Ihr den Bogen nicht überspannt«, meinte Melifaro lächelnd.

»Meine innere Stimme sagt mir, dass ich diesen großen Hund nicht im Haus an der Brücke lassen darf, und diese Stimme ist sehr ordnungsliebend, musst du wissen. Wie du siehst, bediene ich mich also keines Vorwands, sondern befolge nur die in diesem Hause geltenden Vorschriften.«

»Und wann willst du deinem Harem deine wahren Absichten offenbaren?«, fragte Melifaro.

»Je schneller, desto besser - und am liebsten in deiner Gesellschaft, damit du mich endlich in Ruhe lässt. Außerdem kannst du mich auch vor meinen Frauen schützen, denn ich habe eine gewisse Angst vor ihnen.«

»Großer Scherz!«, rief Melifaro lachend.

»Wo ist dein berühmter Scharfsinn geblieben?«, fragte ich spöttisch. »Das Geheimnis meiner Herkunft hast du blitzschnell geknackt, und jetzt merkst du nicht, dass ich in Gesellschaft dieser merkwürdigen Mädchen nicht weiß, wie ich mich verhalten soll.«

Melifaro hob erstaunt die Brauen, winkte dann aber ab. »Meist ist es schwierig, mich zu betrügen, doch manchmal habe selbst ich meine schwachen Momente. Als Lady Marilyn warst du so überzeugend, dass ich nie auf die Idee gekommen wäre, dich hinter dieser Gestalt zu vermuten.«

»Tja, das hätte böse für mich enden können«, seufzte ich und warf einen Blick in mein Büro, wo Kurusch - der klügste Vogel dieser Welt - auf seiner Lehne saß.

»Mein Lieber, ich muss ganz kurz aus dem Haus«, sagte ich zu ihm. »Meine ganze Hoffnung ruht also auf dir.«

»Ganz kurz? Dann tauchst du sicher erst zum Frühstück wieder auf«, meinte der Buriwuch.

»Auf keinen Fall. In höchstens drei Stunden bin ich zurück. Und ich bringe dir ein paar süße Piroggen mit.«

»Pass nur auf, dass du dein Versprechen auch hältst«, sagte Kurusch schläfrig.