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»Aber der alte Sochma hat doch gesagt, das Piratentuch helfe nur, als angenehmer und interessanter Gesprächspartner zu erscheinen«, wandte Kao Anloch ein und schüttelte ratlos den Kopf.

»Auch Sochma hat offenbar nicht gewusst, welchen Einfluss es in Echo tatsächlich hat. Sonst hätte er das Tuch sicher getragen - auch wenn es ganz und gar nicht zur Mode unserer Hauptstadt passt. Aber Ihr Schulkamerad Secha Modorok wusste, welche Wirkung die Einfachen Zauberdinge hier haben.«

»Meine langjährige Arbeit in der Behörde, die sich des Kummers der Welt angenommen hat, hat mir sicher geschadet«, sagte Kao Anloch zerknirscht. »Als mittlerer Beamter teilte ich fraglos die allgemeine Ansicht, man könne Ausländern kein besonderes Wissen und keine Zauberkünste Zutrauen. Mir fiel zwar auf, wie vorsichtig Secha mit den Talismanen umging, doch ich hielt das für ein Zeichen von Aberglauben. Ich hätte nicht gedacht, der Talisman einer unwichtigen Person - und einen alten Ordenskoch kann man wohl als unwichtig bezeichnen - könne einem Glück bringen, doch nun sehe ich ein, dass das ein Irrtum war.«

»Mittlere Beamte sind eben in jeder Behörde gleich«, brummte Kofa. »Nun ja, Herr Kapitän - Ende gut, alles gut. Wollen Sie noch einen nützlichen Rat von mir? Kaufen Sie etwas Stärkeres für all die Seeleute, die Sie heute Abend erwarten, und erklären Sie ihnen ehrlich, was mit Ihnen los war. Manche werden Sie auslachen, andere beschimpfen, aber keiner wird nachtragend sein, denn Matrosen sind ein sympathisches Völkchen.«

»Sie müssen viele hochprozentige Getränke kaufen«, ergänzte Melifaro, »denn Matrosen sind auch enorm trinkfest.«

»Natürlich, das mach ich.«

»Und sagen Sie am Ende Ihrer Erklärung unbedingt noch etwas über das berauschende Abenteuer, zu dem Sie aufbrechen wollen. Vielleicht führt das dazu, dass einige Ihrer Gäste sich bereitfinden, auch ohne Heuer an Bord zu gehen.« Ich wusste nicht, was mich zu dieser Äußerung gebracht hatte, konnte sie aber ohnehin nicht ungeschehen machen. Meine Kollegen sahen mich erstaunt an, schwiegen aber.

»Vielen Dank für Ihren Rat, doch ich fürchte, er wird nichts helfen«, sagte Kao Anloch betrübt. »Mit dem Kopftuch von Sochma hätte ich eine Mannschaft zusammenbekommen, aber ohne dieses Tuch bin ich aufgeschmissen.

Das Glück hat mich schon bei viel einfacheren Dingen verlassen.«

»Also gut, dann habe ich noch etwas für Sie«, sagte ich und zog einen kleinen Dolch aus der Tasche. Ich hatte ihn nur wegen des Magieanzeigers dabei, war nun aber froh, ihn endlich seiner eigentlichen Bestimmung gemäß verwenden zu können, schnitt aus meinem Todesmantel großzügig ein Dreieck heraus und überreichte dem Kapitän den schwarzgoldenen Fetzen.

»Nehmen Sie das«, sagte ich. »In dieser Welt glauben viele, ich sei ein riesiger Glückspilz. Da kann ich Ihnen doch ein wenig von meinem Glück abgeben, finden Sie nicht?«

Ohne zu überlegen, griff Kao Anloch nach dem Stoff und besah ihn sich verdutzt. Auch meine Kollegen wirkten erstaunt.

»Wie ich sehe, ist Sir Max zu den besten Traditionen der Ordensepoche zurückgekehrt«, unterbrach Sir Kofa endlich die Stille. »Früher waren nur Große Magister edel genug, ihr Glück mit anderen zu teilen, und zwar längst nicht alle. Kapitän, Sie haben heute wirklich Glück. Binden Sie sich dieses Stück Stoff wie ein Piratentuch auf den Kopf. Wer weiß, vielleicht ersetzt ein Talisman den anderen. Gut - wir haben alles pflichtgemäß erledigt und gehen jetzt, Herrschaften.«

»Mir kommen gleich die Tränen. Ich überschwemme dieses Schiff mit meinen Zähren und bringe es zum Sinken, ehe es das Meer Ukli erreicht«, sagte Melifaro und stand auf.

Wir verabschiedeten uns von Kao Anloch, der baff in seiner Kajüte sitzen blieb. Beim Rausgehen sah ich, dass er wirklich versuchte, sich den Fetzen Stoff wie ein Piratentuch um den Kopf zu binden. Das stand ihm ausnehmend gut.

»Es ist unfair von dir, dein kostbares Glück mit Fremden zu teilen«, maulte Melifaro, während wir über die Gangway an Land gingen. »Ich würde auch gern so einen kostbaren Fetzen aus deinem Lochimantel bekommen.«

»Was könntest du damit schon anfangen?«, fragte Kofa erstaunt.

»Ich hätte ihn einfach nur gern«, entgegnete Melifaro. »Ich bin nun mal gierig - wie alle Bauernkinder.«

»Wollt ihr wissen, warum ich Kao Anloch ein Stück meines Mantels überlassen habe?«, fragte ich.

Meine Kollegen nickten interessiert.

»Damit ich nach Hause fahren und mich umziehen muss, denn mit diesem Loch kann ich unmöglich rumlaufen. Und das ist ein guter Vorwand, um ein, zwei Stunden im Armstrong und Ella zu verbringen.«

»Was bist du nur für ein kluger Kopf! Es ist wirklich zum Verrücktwerden!«, rief Melifaro.

»Bist du neidisch?«, fragte ich stolz und wäre fast über ein Brett gestolpert. »Wann kommen wir eigentlich aus diesem Chaos hier raus?«

»Das ist kein Chaos, sondern der Hafen der Hauptstadt des Vereinigten Königreichs«, erklärte Kofa mit patriotischer Inbrunst. »Offenbar warst du noch nie im Hafen der freien Stadt Gazin. Übrigens haben wir es schon geschafft. Da vorn steht dein A-Mobil.«

»Begleitet mich doch bitte noch in Techis Wirtshaus«, schlug ich vor.

»Herzlich gern, denn die Kamra deiner Freundin ist ein schlagender Beweis deines unfassbaren Glücks«, erklärte Kofa.

»Ich schätze eure Gesellschaft sehr, möchte aber trotzdem lieber ins Haus an der Brücke. Wer weiß, was dort seit meiner Abwesenheit so alles passiert ist«, sagte Melifaro.

»Bist du dir wirklich sicher, dass es dich dorthin und nicht in meine Residenz zieht?«, fragte ich unschuldig.

»Du verflixter Hellseher - irgendwann muss es mir doch gelingen, dich in einen gehörnten Ehemann zu verwandeln.«

»Deine Verführungsversuche zu vereiteln, bereitet mir ein diebisches Vergnügen. Aber ich habe einen besseren Vorschlag für dich: Komm mit uns, trink ein wenig Kamra, nimm eines meiner vielen A-Mobile, die in der Nähe des Wirtshauses stehen, und fahr damit, wohin du willst.«

Ich parkte vor dem Armstrong und Ella. Die Tür quietschte wieder im Wind. Offenbar hatte Techi die Handwerker noch immer nicht gerufen. In dieser Hinsicht waren wir uns ähnlich - auch ich würde ein Jahr dafür brauchen.

»Du hast behauptet, du hättest rings um das Lokal jede Menge A-Mobile stehen, doch ich habe nur zwei gesehen«, sagte Melifaro. »Wo soll ich eins davon später abstellen?«

»Am Haus an der Brücke steht schon eins, aber ich brauche einen Wagen in der Nähe meiner Residenz. Meine vielen A-Mobile sollten gleichmäßig über die Stadt verteilt sein.«

Techi begrüßte Kofa und mich mit freudigem Lächeln. »Ich hab euch schon erwartet und sogar Kamra gekocht«, begann sie. »So eine gute Nase hab ich selten gehabt.«

»Das liegt in der Familie. Die Intuition war auch der Schwachpunkt deines großartigen Vaters«, sagte ich und biss mir auf die Zunge, da ich mich in eine gefährliche Richtung bewegte. »Irgendwer hat mir davon erzählt«, fügte ich hinzu.

»Offenbar gibt es in Echo viele Geschichtsfreunde, die die Biografie meines Vaters auswendig kennen«, rief Techi verärgert. »Schade, dass er davon nie erfahren wird. Nachruhm ist eigentlich etwas Ungerechtes, findet ihr nicht?«

»Natürlich«, sagte Kofa nickend. »Man kämpft und rackert sich ab, und wenn man stirbt, streichen andere die Früchte der Arbeit ein. Was ich schon immer von dir wissen wollte, Techi: Hat dir dein Vater beigebracht, wie man Kamra kocht? Bei dir schmeckt sie nämlich verdächtig gut.«

»Ich das ein Verhör?«, fragte sie lächelnd. »Befasst sich der Kleine Geheime Suchtrupp nun auch mit mir? Was redest du da nur, Kofa? Kannst du dir Lojso Pondochwa etwa inmitten von Kochtöpfen vorstellen?«

»Warum nicht? Ich kann mir jeden in der Küche vorstellen - sogar deinen Freund Max. Nun ja, bei ihm erlaubt meine Vorstellungskraft zugegebenermaßen nur den Gedanken, dass er sich eine Dosensuppe aus dem Schrank nimmt und sie aufwärmt. Beim Schneiden von Gemüse oder beim Kochen von Kartoffeln kann ich ihn mir jedenfalls nicht denken.«