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»Aber was soll ich unternehmen?« fragte Lester.

»Du mußt näher herankommen.«

»Auf welche Weise?«

»Es muß doch Wesen geben, die in einer Zwischenzone leben können. Amphibien der Nullpunktwelt, sozusagen.«

Jonathan schaltete sich kurz mit dem Hauptspeicher zusammen. Er bekam einige Vorschläge und verglich die Möglichkeiten. »Ja, diese eignen sich am besten: die Loris. Laß dich in einen Lori umwandeln. Die Koordinaten lasse ich durchgeben.«

Lester war nicht sehr glücklich darüber, denn er mußte Moira um ihre Hilfe bitten, doch sie führte den Auftrag sachlich und ohne überflüssige Worte aus.

Und dann schwebte er durch die Schleuse, in die Leere hinaus. Zum ersten Mal befand sich ein Mensch in dieser unheimlichen erstarrten Welt.

Doch sein erster Eindruck war Erstaunen, vom übergeordneten menschlichen Bewußtsein registriert, das seine Identität trotz der Umwandlung aufrechterhielt. Diese Welt war nicht leer! Sein Organ, das magnetische Felder aufnahm, stellte ein Lichternetz unzähliger feiner Linien fest, die von gleißenden Punkten ausgingen, ausfächerten, leere Räume in weiten Schwüngen überspannten – ein Muster aus goldweißen Fäden, die sich nirgends berührten und doch in einer unsagbaren Beziehung aufeinander abgestimmt waren. Sein Organ, das auf Gravitation ansprach, empfand die materiellen Ballungen als eine Art Härte oder Hitze – ein Gefühl zwischen Tast- und Wärmeempfindung und doch stark differenziert – wohl der Hauptsinn für die Orientierung. Manchmal nahm er wandernde Wirbel im Raumgefüge wahr, die vorbeihuschende Gravitonen hinter sich nachzogen; sie bildeten Strukturen großer Vielfalt und waren wohl die Lebensäußerungen der Nullpunktwesen, und zugleich – was wohl dasselbe war – ihre Kommunikation. Er verstand sie nicht – als Lori waren sie ihm verschlossen, und er bedauerte es, daß die Umwandlung Grenzen hatte. Jetzt war er überzeugt davon, daß auch das Dasein in dieser Welt reich und erfüllt war.

Sein winziger Körper konnte sich hier unauffällig bewegen – hier und da begegnete er einem anderen Lori, und tauschte die Erkennungsformel mit ihm aus. Er verdrängte seine abschweifenden Interessen an der noch fremdartigen Umgebung und erinnerte sich an sein Zieclass="underline" das Polyeder. In leichten Pulsationen schob er sich hinüber; je näher er kam, desto härter und heißer fühlte sich das unbekannte Gebilde an, und er mußte sich durch eine Schutzhaut aus Elektrizität abkapseln. Er hoffte nur, daß sein Körper dieser Beanspruchung gewachsen war. Trotzdem bewegte er sich unentwegt weiter, und er erreichte das Polyeder, ohne aufgelöst worden zu sein.

Die heißen, glatten Flächen, von denen flimmernde Büschel magnetischer Schwingungen ausgingen, schmerzten ihn, aber das menschliche Bewußtsein setzte sich darüber hinweg. Er hing bereits an der Wand und tastete sie nach einem Eingang ab. Sein schwacher Körper zitterte im Ansturm der unheilvollen Eindrücke. Langsam umrundete er den Körper, und plötzlich ließ der Druck nach – trichterartig öffnete sich ein angenehm kühler Kanal in der Wand, und er drang in die Materie ein, durchstieß sie und schwebte schließlich, durch einen Gravitationsschirm geschützt, im Innenraum.

Seine organische Komponente erschrak: Was da unter ihm an der Wand hockte, das waren Menschen. Sie bewegten sich nicht. Waren sie tot oder lebten sie? Er mußte es feststellen. Konnte er ihnen ein Zeichen geben? Er ballte sich zu einer Kugel zusammen – der Form maximaler Widerstandsfähigkeit – und warf sich auf den undurchdringlichen Schirm.

Die Wesen dort unten regten sich! Sie sprachen.

Lester konnte die Schallwellen umsetzen, obwohl sie nur als sekundär ausgelöste Strahlung zu ihm drangen.

»Hast du auch was gehört, oder habe ich Halluzinationen?«

»Ein leiser Stoß?«

»Unmöglich! Soviel Kraft haben sie nicht.«

»Ob sie wieder mit einem Experiment beginnen, Jo?«

»Beruhige dich, Liebling! Was kann uns schon geschehen? Allenfalls ist es aus mit uns, und das spüren wir nicht.«

Der geborgte Körper Lesters war am Ende seiner Kraft. Er stieß sich rasch ab und flog geradewegs durch den Trichterschlund ins Freie. Die Schwerelosigkeit war wunderbar. Wohlig entfaltete er sich. Dann bekam ihn der übergeordnete Verstand wieder in die Gewalt, und er schwamm an seinen Ausgangsort zurück.

Als er seinen menschlichen Körper zurückgewonnen hatte, stand Moira vor ihm. Sie trug ein leuchtend grünes Kleid, ihre Haare flammten. Sie atmete schwer, und er roch den blumigen Duft ihres Parfüms. Er trat auf sie zu, legte die Arme um sie und küßte sie. Nach einer unmeßbar langen Zeit richtete er sich auf, um Atem zu schöpfen. Moira blickte ihn auf eine Weise an, wie noch nie jemand zuvor – er verstand nicht, was ihr Gesichtsausdruck bedeutete, aber er ahnte einen Strom von Emotionen, der ihn überschwemmte.

»Wunderst du dich?« fragte sie. »Hier war noch nie ein Mann. Du bist der erste. Ich habe vorhin, bei der reziproken Umwandlung, einen privaten Wunsch von mir erfüllt. Ich möchte ausprobieren, was man von früher hört.« Sie zog ihn an sich, ihre grünen Augen waren ganz dicht vor seinen. »Ist es schön?« fragte sie.

»Ja«, flüsterte er. »Ich liebe dich.«

Menschen im Raum von Thor, ohne Wissen der Weltregierung, außerhalb der Botschaft – das war eine Ungeheuerlichkeit. Es bedeutete einen Vertrauensbruch, und noch mehr: Es mußte eine tiefere Bedeutung haben, denn der technische Aufwand für die Nullpunktwesen, einen für Menschen erträglichen Zustand zu schaffen, war gigantisch. Wenn sie es trotzdem versucht hatten, dann nur, weil der Zweck ebenso alles Vorstellbare übertraf.

Eine außergewöhnliche Situation erforderte außerordentliche Mittel. Lester sollte die Gefangenen befreien. Das war nicht schwer – nur die Folgen konnten schwer sein.

Er setzte sich in ein Raumboot und ließ sich durch die Schleuse schieben. Der Alarm der Nullpunktwelt erfolgte prompt – die Gravitonenschwärme verbreiteten die Nachricht in allen Richtungen. Aber Lester hatte eine kleine Zeitspanne Vorsprung.

Wie ein verderbenspeiender Panzer brach sich das Boot Bahn durch das filigrane Netz der Kraftfäden, durch die Muster der orientierten Staubteilchen, zerstörend, auflösend, eine Straße des Todes hinter sich nachziehend. Lester verankerte den Polyeder magnetisch und flog, ihn nachziehend und deshalb erheblich langsamer, zur Botschaft zurück. Er paßte die Schleuse einer Seitenfläche des Polyeders an, durchbrach diese und holte die vier Menschen heraus.

Es waren drei Männer und eine Frau, Angehörige einer dunkelhäutigen Rasse. Sie waren abgemagert und geschwächt, unter der künstlichen Schwerkraft knickten sie fast zusammen. »Menschen«, stammelte einer der Männer. »Peggy, es gibt noch lebendige Menschen!« Die Frau klammerte sich an ihn und schluchzte.

»Kommt in die Transitionskammer«, forderte sie Lester auf. »Könnt ihr gehen? Wir bringen euch in Sicherheit.« Er verringerte die Schwerkraft auf die Hälfte – das half ihnen sichtlich.

»Wohin bringt ihr uns?« fragte Bob, der Anführer des kleinen Trupps.

»Zuerst in die Klinik der Toricelli-Universität. Dann ins Büro des Sicherheitsrats.«

»In die Hauptstadt?« Lester hörte grenzenloses Erstaunen, aber auch Erleichterung in seiner Stimme.

»Selbstverständlich! Warum nicht?«

»Dann ist der Anschlag also mißlungen!«

»Was für ein Anschlag?«

Die Geretteten blickten einander an, zuerst ungläubig, dann schon halb überzeugt, und schließlich schlugen sie einander auf die Schultern und drückten einander die Hände.

Während die Frau von Moira betreut im Analysator lag, berichtete Bob kurz.

»Wir gehörten zu einem Löschkommando, und zwar haben wir uns auf Novas spezialisiert. Steht eine in der Nähe bewohnter Distrikte bevor, so verhindern wir das – wir sprengen die betreffende Sonne, bevor sie von selbst explodiert. Dadurch wird die atomare Kettenreaktion verhindert.«