Er öffnete die Tür zu einem Laboratorium, die Politiker folgten ihm. Vor ihnen lagen Glastanks, darin trübe Lösungen oder Schwaden von schmutzigen Dämpfen. Undeutlich konnte man Bewegungen erkennen, Zittern, Zucken …
»Wir haben Embryos in Nährflüssigkeiten aufgezogen und sie als Säuglinge in Brutkästen weiterbetreut. Daran ist an sich nichts Ungewöhnliches. Das besondere sind die Umweltbedingungen, die wir aufrechterhalten: Die Luft enthält hohe Prozentsätze Kohlenmonoxid und Schwefeldioxid und ist künstlich mit cancerogenen Stoffen aus den Abgasen von Autos angereichert. Das Wasser gewinnen wir aus dem Filtrat einer Kläranlage. Es enthält alle üblichen Verunreinigungen in überhöhter Konzentration, insbesondere eine reichhaltige Auswahl pathogener Bakterien, dazu noch einige ausgesprochene Giftstoffe, deren Anteil wir allmählich steigern. Alle diese Ingredienzien müßten eigentlich tödlich wirken. Aber tun sie es? Nein – im Gegenteiclass="underline" Die Organismen haben sich angepaßt. Sie sehen es selbst: Die Babys leben, fühlen sich wohl, wachsen zu fröhlichen Kindern heran. Sie werden gesünder sein als wir!«
Die Politiker schwiegen, starrten, staunten. Ihr Unbehagen war unverkennbar. Aber sie sahen ein: Menschen, die sich einem erhöhten Schmutzpegel angepaßt haben, brauchen keine kostspieligen Vorkehrungen zur Reinhaltung des Lebensraums.
Der Finanzminister meldete sich: »Sehr eindrucksvoll … aber, was ich nicht verstehe: wieso löst das unsere Finanzprobleme?«
»Ganz einfach«, antwortete der Vorsitzende und legte ihm die Hand auf die Schulter: »Wir ersparen uns nicht nur die Kosten für den Umweltschutz, sondern wir erschließen zusätzlich eine außerordentlich ergiebige Einnahmequelle: Wir erklären uns bereit, sämtliche Abfälle unserer Nachbarstaaten aufzunehmen – gegen gute Bezahlung, versteht sich.«
»Das bedeutet eine völlige Abkehr von altbewährten Prinzipien«, warf der Gesundheitsminister ein.
»… aber eine Lösung unserer Probleme«, meinte der Regierungschef. »Meine Herren, ich glaube, unser Weg in die Zukunft ist gesichert.«
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Waffenhandel
Kein Wesen ist so häßlich wie der Mensch. Schon die schlaffe bleiche Haut, die formlosen Gesichter, die weichen Hände. Noch schlimmer aber die Ausstrahlungen – die Gemeinheit, die Bosheit, die Aggression, die aus ihm herausdünstet wie ein übelriechendes Narkotikum … Andere hatten es ihm gesagt – Grom hatte noch keinen Menschen gesehen, jedenfalls nicht aus der Nähe. Er hatte auch nicht den Wunsch gehabt, einen Menschen zu sehen. Und nun der Auftrag …
Er stand in einem Kraterfeld des Erdmonds, im Koordinatenkreuz 63° NB und 6° WL, genau wie vereinbart. Er stand reglos und wartete. Doch seine Gedanken arbeiteten. Innerlich bereitete er sich auf das Gräßliche vor – die Begegnung mit einem Menschen. Über ihm hing die blaugrüne Kugel des Planeten Erde. Seine Entdeckung war eine Sensation für die Wissenschaft gewesen – und dann ein Schock. Ein Planet mit so reichem Bestand an Leben, ein Planet, dessen Lebensbedingungen sich gar nicht so sehr von jenen ihres armen Heimatplaneten unterschieden. Eine Welt mit einem Überfluß an Wasser – es kam im Boden vor, in der Luft, vor allem aber oberflächlich, in riesigen Ansammlungen. Eine Welt mit reichem Gehalt an Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff. Eine solche Welt mußte ein Paradies sein.
Und in einem solchen Paradies lebt ein Wesen wie der Mensch! Im ganzen Weltraum hatten sie keine intelligente Lebensform gefunden, die auch nur annähernd so durchtrieben böse war, so falsch, so hinterhältig, so zerstörerisch – ganz auf die Vernichtung anderer Wesen eingestellt. Seine Mordlust machte nicht einmal vor seinesgleichen halt – Menschen brachten es fertig, andere Menschen zu töten, sie setzten sogar technische Mittel ein, um das in großangelegten Aktionen zu tun. Zu Lande, zu Wasser und in der Luft fielen sie über andere her, setzten sie einem Hagel von Geschossen aus, besprühten sie mit ätzenden Chemikalien, ließen Bakterien auf sie herabregnen und entzündeten radioaktive Feuer, in denen die Überfallenen umkamen – und manchmal auch die Angreifer selbst.
Grom merkte, wie sich das Entsetzen in ihm ausbreitete. Gerade er mußte mit dieser schrecklichen Mission betraut werden! Er fürchtete, ihr nicht gewachsen zu sein. Würde er die Nähe eines Menschen vertragen können? Er besaß keinen Schutzpanzer, denn er brauchte keinen, und er hatte keine Waffe. In seiner Welt gab es keine Waffen. Seine ganze Ausrüstung diente einem friedlichen Zweck: Mit einer Magnetschließe befestigt trug er das Kästchen mit dem Übersetzungsautomaten an seiner Brust – für die Verständigung war gesorgt.
Aus dem Dunkel des schwarzen Himmels löste sich ein heller Punkt – er sah es mit seinem Rückenauge. Und selbst auf diese Entfernung hin glaubte er einen Hauch des Bösen wahrzunehmen, das der Mensch um sich verbreitete …
Jahrelang hatten sie die Erde beobachtet. Als sie die schreckliche Wahrheit erkannt hatten, waren sie nur noch selten gelandet – an entlegenen Stellen, um Proben von Mineralien oder Pflanzen zu entnehmen. Der erste Versuch eines Kontakts mit den Menschen hatte sie ein Raumschiff gekostet – und ein Team von Wissenschaftlern. Man hatte einen großen freien Platz inmitten einer der Städte zum Landeplatz bestimmt. Das Schiff hatte noch nicht aufgesetzt, als man es mit Feuer eindeckte, so lange, bis es nur noch ein Klumpen verbogenen Metalls war.
Von da an hatten sie die Menschen aus der Ferne beobachtet – jahrzehntelang. Sie hatten die Wogen der Zerstörung verfolgt, die von Zeit zu Zeit alles überschwemmten, das regelmäßige Aufflackern der Aggression, das sich nicht eher aufhalten ließ, als bis weite Landstriche vernichtet waren. Sie hatten festgestellt, daß die Waffen immer wirkungsvoller wurden, Meere zum Sieden brachten und Kontinente zerstörten. Und sie hatten gemerkt, wie der Mensch lernte, Raumschiffe zu bauen, und daß er sich anschickte, die Erde und das übrige Sonnensystem mit seinen unbewohnbaren Planeten zu verlassen und den Raum seiner Aktivität in das All zu verlegen …
Das plumpe Schiff des Menschen setzte nicht weit von Grom auf. Die Fenster waren beleuchtet, er sah einen Schatten, eine winkende Hand. Eine Wand öffnete sich – eine Schleuse –, eine Leiter wurde heruntergekippt.
Grom kämpfte gegen eine Panik an und zwang sich, zurückzuwinken. Er setzte sich in Bewegung und kletterte die Leiter hinauf. Er betrat die Schleuse und wartete. Nach einigen Sekunden öffnete sich die Innentür, und er trat ein.
Es war noch schrecklicher, als er gefürchtet hatte. Nicht das Aussehen störte ihn – darauf war er vorbereitet – aber die überwältigende Ausstrahlung perverser Gedanken. Aber jetzt war er ruhig. Er wußte, daß jeden Moment Explosivgeschosse in seinen Leib einschlagen könnten, aber er hatte die Panik überwunden. Er dachte nur noch an seine Aufgabe, und daran, sie möglichst rasch hinter sich zu bringen.
»Hallo«, sagte Snider. »Kommen Sie näher! Wollen Sie sich setzen? Ich könnten Ihnen einen Whisky anbieten, aber ich schätze, Sie trinken ihn nicht. Na, dann prost!« Er schenkte sich ein Glas voll ein und trank einen kräftigen Schluck.
»Können wir zu unserem Geschäft kommen?« fragte Grom. Er blieb unbewegt in der Mitte des Raums stehen. Die Verständigung war gut, stellte er fest. Der Übersetzungsautomat funktionierte.
»Sie haben es eilig?« fragte Snider. »Ich verstehe – an mir soll’s nicht liegen. Woran haben Sie gedacht? An H-Bomben, bakteriologische Waffen, L-Strahler, Virusgifte? Ich habe da einige brauchbare Sachen.« Er streckte den Arm aus. Auf einen Knopfdruck hin glitt eine Schiebetür zur Seite. In Regalen aufgereiht, von Kunststoffolie umhüllt und an Halterungen sorgfältig befestigt, sah man alle möglichen Gebilde, deren Funktion sich Grom nicht erklären konnte – spindelförmige Körper, kopfgroß, meterlange Metallzylinder, winzige Phiolen mit durchsichtigen Flüssigkeiten …