Das erste greifbare Resultat! Den entscheidenden Durchbruch habe ich allerdings weniger meiner eigenen Arbeit zu verdanken als der Gefälligkeit von anderen: vom Baylor College of Medicine in Houston erhielt ich einige Peptide, die sie aus den Gehirnen von Ratten gewonnen hatten. Es sind erprobte Gedächtnisstoffe, und sie werden nur an wenige Stellen der ganzen Welt verschickt – zur Verifizierung der Ergebnisse. Ich bin sehr stolz darauf, daß man gerade mir etwas davon gegeben hat, aber das habe ich natürlich Prof. Shulman zu verdanken.
Ich glaube, ich bin einer großen Sache auf der Spur: Es dürfte möglich sein, Tiere intelligenter zu machen – später vielleicht sogar Menschen. Prof. Shulman ist zwar ein wenig skeptisch, er hat mich gemahnt, auf dem festen Boden zu bleiben. Aber er ist durchaus damit einverstanden, daß ich in dieser Richtung weitergehe. Das bedeutet zwar wieder eine gewisse Verlängerung der Forschungsarbeit, aber vielleicht bekomme ich ein Stipendium. Dann werden sich meine Eltern ein wenig beruhigen – sie sind schon ungeduldig, da sie mich am liebsten in einem festen Beruf sehen würden.
Ich hab es doch gewußt! Katzen sind viel intelligenter, als man ihnen zutraut. Diese geringe Meinung rührt wahrscheinlich daher, daß es keine Verständigung mit ihnen gibt. Man ist oft versucht, jemanden, der schweigt, für dumm zu halten.
Gewiß ist es mühevoll und zeitraubend, die Intelligenz auf andere Art zu prüfen. Ich habe mit Labyrinthversuchen angefangen, was sich aber nicht als besonders günstig erweist – die Ergebnisse lassen sich schlecht quantifizieren. Nun arbeite ich mit verschiedenen Kombinationen optischer, akustischer und mechanischer Signale, deren Informationsgehalt eindeutig festlegbar ist. Aber selbst dabei gibt es Schwierigkeiten – nicht, weil die Katzen die Probleme nicht lösen können, sondern weil sie oft nicht wollen. Sie sind eigenwillig, manchmal geradezu starrsinnig: Aber ich beginne ihre Mentalität immer besser zu verstehen, und selbst mein Kollege Towser, der nie viel von meinen Katzenversuchen hielt, hat das zugegeben. Er hat übrigens seine Arbeit abgeschlossen und geht nächste Woche in die Industrie.
Jonathan, mein bevorzugtes Versuchstier, scheint alt zu werden. Ich werde neue Katzen trainieren müssen, mit einem halben Jahr Zeitverlust ist zu rechnen. Ich werde die Versuche aber gleich in größerem Umfang angehen. Prof. Shulman hat mir eine Hilfskraft versprochen. Weiter habe ich zwei Räume im Keller seines Instituts bekommen. Zwar bin ich dadurch von den andern ein wenig isoliert, aber ich kann in Ruhe arbeiten.
Immer mehr beschäftigt mich eine Idee: Es müßte möglich sein, das erlernte Wissen vererbbar zu machen. Das scheint natürlich den Grundsätzen der Biologie zu widersprechen – ich glaube aber, daß es einen Weg gibt, sie zu umgehen. Da wir jetzt einige Gedächtnismoleküle genau kennen, dürfte es keine prinzipiellen Schwierigkeiten bereiten, die DNS der Gene, die dazu wie der Schlüssel zum Schloß paßt, dementsprechend zu verändern. Ich habe sogar schon eine Vermutung, wie sich die Aminobasen einbauen ließen …
…
Meine Arbeiten werden immer interessanter. Ich habe Prof. Shulman vorgeschlagen, das Thema meiner Dissertation auf die molekularbiologische Grundlage der Intelligenz zu erweitern. Er war damit nicht einverstanden, sondern meinte, ich sollte meine Dissertation über das ursprüngliche Thema abschließen – man würde sehen, ob ich nicht später auf diesem Gebiet weiterarbeiten könnte.
…
Nun habe ich doch einen Forschungsauftrag bekommen. Er läuft vorderhand auf fünf Jahre. Natürlich könnte ich meine bisherigen Ergebnisse veröffentlichen, es widerstrebt mir aber, etwas Halbes an die Öffentlichkeit zu geben.
Leider gab es einen Streit mit Jennifer. Sie will nicht länger auf mich warten, ja sie erklärte sogar, meine Arbeit mit den Katzen gehe ihr auf die Nerven und sie hätte es sowieso nicht länger ausgehalten. Ich war nahe dran, den Forschungsauftrag abzulehnen, habe mich dann aber doch eines Besseren besonnen. Vielleicht überlegt sie es sich noch!?
Das alles aber verblaßt gegenüber einer Möglichkeit, die sich vage abzuzeichnen beginnt. Eine Forschungsgruppe in Cambridge hat jene Genabschnitte entdeckt, die den Aufbau des Nervensystems bestimmen. Und damit komme ich einem Wunsch näher, an den ich bisher kaum zu denken gewagt habe – nämlich den Katzen das Sprechen beizubringen. Nach meiner Überzeugung ist das weniger eine Frage der Stimmbänder als eine solche ihrer Steuerung. Es wäre geradezu phantastisch: Ich könnte mir alle mühseligen Versuche ersparen und die Katzen abfragen wie ein Lehrer seine Schüler!
Vor dem Fenster miaute es fordernd. Der alte Mann schreckte aus seinen Träumen auf. Er trat zum Fenster und öffnete es. Die Katze sprang herein, und als der alte Mann das Fenster schließen wollte, schoß ein schwarzer Pfeil durch den noch offenen Spalt: ein riesiger Kater, ein häßliches Exemplar mit struppigem Pelz und einem zerbissenen Ohr, der sofort unter der Couch verschwand. Auf dem Fensterbrett und auf dem Teppich blieben Dreckspuren seiner Pfoten zurück.
»Der Kater muß hinaus«, sagte der alte Mann.
»Der Kater bleibt«, antwortete Kleopatra und krümmte sich zu einem weit ausladenden umgekehrten U.
»Er muß hinaus«, wiederholte der alte Mann. »Ich will ihn nicht in meiner Wohnung haben. Er ist schmutzig und er stinkt. Er stört uns bei unserer Arbeit.«
Der alte Mann ging in den Abstellraum und holte einen Besen. Er kniete vor der Couch nieder und stocherte darunter mit dem Stiel herum. Kleopatra sah ihm eine Weile zu. Als dann unter der Couch ein wütendes Fauchen erscholl, fegte sie herbei und fuhr den alten Mann an: »Wenn du nicht sofort aufhörst, helfe ich dir nie mehr bei deiner Arbeit.«
Der alte Mann überlegte kurz, dann zuckte er die Achseln, stand ächzend auf und brachte den Besen in den Abstellraum zurück. Er ging in sein Labor und blätterte zerstreut in den Protokollen. Doch er brauchte keine Gedächtnishilfe: Er erinnerte sich an jeden einzelnen Test, als wäre es heute gewesen.
Jetzt habe ich eine sprechende Katze! Die Töne, die sie von sich gibt, sind zwar schwer zu verstehen, aber man lernt es doch, sie zu differenzieren. Natürlich ist das Vokabular beschränkt, aber selbst wenn sie nur »ja« und »nein« sagen könnte, so wäre das schon ein erheblicher Vorteil! Das, was mir bisher die größten Schwierigkeiten macht, ist es, die Katzen dazu zu veranlassen, daß sie von ihren neuerworbenen Fähigkeiten auch Gebrauch machen! Ich glaube, dazu muß ich mich erst viel intensiver mit der Psychologie der Katzen beschäftigen. Die »Psychologie der Katzen«! Wer hätte bisher überhaupt an so etwas gedacht? Mit der Fähigkeit zur Sprache aber scheinen manche Barrieren ganz von selbst zu fallen. Und ich beginne immer mehr zu erkennen, daß Tiere doch ein weitaus komplizierteres Gefühlsleben haben, als man bisher angenommen hat.
Nun arbeite ich bereits mit der achten Generation von Katzen – wie gut, daß mein Forschungsauftrag um fünf weitere Jahre verlängert wurde. Prof. Shulman hat mir sogar eine Assistentenstellung angeboten, aber ich habe abgelehnt. Es hätte bedeutet, daß ich meine Untersuchungen nur mit halber Kraft weiterführen könnte, und gerade in diesem Stand der Forschungen ist das unmöglich.
…
Intelligenz hat sich als eine vererbbare Eigenschaft erwiesen. Es geht mir dabei nicht so sehr um die Vererbung von Wissen als um die Vererbung der prinzipiellen Möglichkeit, Wissen aufzunehmen … Ich habe systematische Zuchtversuche begonnen, habe die intelligentesten Tiere miteinander gekreuzt. Leider bringt das einige Nachteile mit sich – es ist oft schwer festzustellen, von welchem Elternteil die auftretenden Eigenschaften stammen, und manchmal kommt es auch zu Kombinationen anderer Art, als man erwarten würde. Weitaus besser hat sich die Methode der Jungfernzeugung bewährt – kein Problem mehr, seit es gelingt, jede beliebige Körperzelle als Keimzelle zu aktivieren. Die Ergebnisse sind tatsächlich verblüffend: man scheint es über Generationen hinweg mit denselben Individuen zu haben.