»Aber keine Rede. Wir wollten selbst eben ein Torpedo ausschicken. Unser Eingeborener hat uns eben ein Signal durchgegeben.«
»Können zwei Torpedos gleichzeitig gesteuert werden?«
»Ja, ganz einfach. Da fällt mir ein, daß es vielleicht günstiger wäre, wenn Sie ein Stück von unserem Peilsender entfernt landen, und zwar während der Nachtperiode. Die Eingeborenen sind Tagwesen, das wissen wir sicher. Es wäre schade, wenn wir ihnen panische Angst einjagen, weil die chemischen Reaktionen vielleicht blitzhell, laut oder geruchsintensiv ausfallen.«
»Oder irgendein Sinnesorgan unangenehm berühren, das wir gar nicht kennen. Gut, Sie haben recht. Soll ich warten, bis Sie Ihr Tauschgeschäft abgeschlossen haben oder soll ich als erster landen, falls es sich ergibt?«
»Das ist einerlei, glaube ich. Ich kann mich nicht erinnern, ob es Nacht oder Tag sein wird, wenn die Torpedos ankommen. Drüben im Büro ist eine Tabelle, auf der wir die Ankunftszeit überprüfen können. Ich würde sagen, daß wir landen, wenn es Tag ist, während Sie abwarten. Falls es Nacht ist, landen Sie als erster.«
»Mir soll’s recht sein.«
»Sie müssen von hier unten aus steuern – oben im Observatorium haben wir nur eine Kontrolleinheit. Aber das spielt keine Rolle, da Sie ohnehin blind arbeiten müssen. Ich geh mal rauf und sage, daß Sie auch ein Torpedo steuern. Wir haben nämlich im Moment eine Relaiseinheit in einer Umlaufbahn um den Planeten. Hat doch keinen Zweck, daß die Beobachter meinen, die Flachländer wären in den Raum vorgestoßen.«
»Haben Sie bei denen Aktivitäten feststellen können?«
»Ach, nicht der Rede wert. In den letzten vier, fünf Jahren haben wir Strahlen aufgespürt, die verdächtig wie Radar aussehen, aber bislang immer bei konstanter Frequenz. Wir haben die Torpedos mit filterähnlichen Plastikummantelungen sowie einem beschichteten halbreflektierenden Metallfilm umkleidet und hatten weiter keine Schwierigkeiten. Sie benutzen bloß ein Dutzend verschiedener Frequenzen, auf die wir alle eingestellt sind – und wenn sie wechseln, dann wechseln wir auch. Ich schätze, daß sie im Laufe der Zeit zwei oder mehr Wellenlängen in einem Gebiet benutzen werden und vielleicht auch Frequenzmodulationen. Dann müssen wir uns eben nichtreflektierende Beschichtungen zulegen. Das ist ohnehin einfacher – nur viel kostspieliger. Das merkte ich, als ich die Karella entsprechend ausrüsten ließ. Möchte bloß wissen, was wir machen, wenn die mal lernen, Infrarot aufzuspüren. Die Torpedos sind um so viel heißer als der Planet, daß sie leuchten wie Novae, wenn wir sie vom Schiff aus starten, knapp an der Grenze zur Atmosphäre.«
»Sollen sie doch im Raum bleiben, bis sie sich abkühlen«, gaben Ken und der Techniker gleichzeitig zurück. »Oder aber man schickt sie von hier los, wie gehabt«, setzte Feth, der Techniker hinzu. Laj Drai empfahl sich kommentarlos.
»Der Bursche würde eine ganze naturwissenschaftliche Fakultät brauchen«, bemerkte Feth, als sich die Tür hinter Laj Drai geschlossen hatte. »Er ist so argwöhnisch, daß er immer nur einen einzigen anheuert und den über kurz oder lang wieder feuert.«
»Dann bin ich nicht der erste?«
»Sie sind der erste, der überhaupt so weit gekommen ist. Es waren schon einige vor Ihnen da, und immer wieder bekam er die fixe Idee, man würde die Nase zu tief in seine Angelegenheiten stecken. Ich bin nie dahintergekommen, was für Theorien sie entwickelten. Ich bin kein Wissenschaftler, aber neugierig bin ich – starten wir diese eiserne Zigarre, ehe er es sich wieder mal anders überlegt.«
Ken mimte sein Einverständnis, hielt sich aber im Hintergrund, als der Techniker den Spannungsprüfer in den Hauptleitstrahl vorschaltete. Auf dem Strahl konnten zwei Mehrphasensignale ebenso gehandhabt werden wie eines. Beide Torpedos würden so nahe beisammen bleiben, daß ein Leitstrahl genügte.
Die Information des Technikers war hochinteressant. Ken selbst wäre nie auf die Idee gekommen, daß er Vorgänger gehabt hatte. In gewisser Hinsicht war es gut – die anderen waren vermutlich nicht Agenten der Rauschgiftabteilung gewesen, sonst hätte Rade es ihm gesagt. Seine Tarnfarbe war also besser, als er angenommen hatte. Drai würde sich vielleicht mit der Zeit daran gewöhnen, daß Außenstehende sich mit seinem Projekt befaßten.
Aber was wußte dieser Feth eigentlich? Er war offensichtlich schon eine ganze Weile da, und Drai erlegte sich in seiner Gegenwart keine Hemmungen auf. Möglich, daß man ihn zu einer nützlichen Informationsquelle ausbauen konnte. Andererseits war ein Versuch nicht ungefährlich. Es war klar, daß es zu seinen kleineren Pflichten gehörte, auf Sallman Kens Verhalten ein wachsames Auge zu haben. Er war ein wortkarger Typ. Ken hatte ihn bislang nicht viel beachtet.
Im Moment war er ganz Techniker. Er hing über dem Ständer vor der Kontrollanlage. Seine Tentakel spielten über die verschiedenen Schalter und Stufenregler. Ein immer lauter werdendes Summen zeigte an, daß die Systeme warmliefen. Nach einer Weile drehte er einen Schalter geringfügig. Das Torpedo, an dem Ken gearbeitet hatte, schob sich aus der Halterung. Ohne seine Augen nach hinten zu drehen, sagte Feth:
»Wenn Sie jetzt rüber ans andere Ende gehen, lasse ich das Ding dort einrasten, und Sie können Mikro und Lautsprecher ausprobieren. Sie wollen sie zwar nicht verwenden, aber besser, wenn die Anlage einsatzfähig ist.«
Ken kam dem Vorschlag nach. Er testete erst den Tonapparat, dann die verschiedenen Recorder und andere Instrumente im Frachtraum, die anzeigen sollten, ob chemische Reaktionen stattfanden oder nicht – Fotozellen, Pyrometer, mit Proberöhren und Ausfällapparaten verbundene Gaspumpen. Alles war einsatzbereit und am richtigen Ort verankert.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, schob der Operator das kleine Raumgefährt zu einer tunnelähnlichen Schleuse in einer Wand, führte sie dort ein, pumpte Luft hinein, und trieb damit das Torpedo ins Vakuum der Oberfläche Merkurs. Ohne weitere Umstände schickte er es hinaus, weg vom Planeten. Die Steuerung war auf einen achronischen Hauptstrahl eingestellt, der von der Station zur Relaisstation nahe der Erde führte. Jetzt war die Sache gelaufen, bis das Torpedo die Erde erreichte.
Der Mechaniker stand auf und wandte sich an Ken.
»Ich lege mich ein paar Stunden aufs Ohr«, sagte er. »Vor dem Ankunftstermin bin ich wieder da. Falls Sie Wert darauf legen, machen Sie die erste Landung selbst. Wenn die Planeten sich relativ zueinander in derselben Stellung befinden, dann warten Sie mehr oder weniger eineinhalb Umdrehungen von Planet Drei ab – bei ferngesteuerten Flugkörpern können wir den Overdrive nicht einsetzen. Das Signal muß während der örtlichen Tagzeit kommen. Bis später also. Melden Sie sich, falls Sie etwas brauchen.«
Ken vollführte das Äquivalent eines Nickens. »Alles klar, und vielen Dank auch. Sie heißen Allmer, wenn ich nicht irre?«
»Ganz recht, Feth Allmer.« Damit verschwand der Mechaniker durch die Tür. Er bewegte sich mit der fließenden Anmut eines an die schwache Schwerkraft Merkurs gewöhnten Wesens und ließ Sallman Ken in sehr nachdenklicher Stimmung zurück.
Gedankenverloren ließ sich der eingeschleuste Spitzel auf dem von Allmer verlassenen Gestell nieder, um die Meßgeräte vor sich ausdruckslos anzustarren. Reumütig mußte er sich eingestehen, daß er wieder in seinen alten Fehler verfallen war, sich für zwei Probleme gleichzeitig zu interessieren, in gewisser Hinsicht hatte dies natürlich auch Vorteile. Sein aufrichtiges Interesse für das Problem, das Planet Drei darstellte, war der bestmögliche Schutz gegenüber eventuellem Argwohn, der sich im Zusammenhang mit seiner eigentlichen Aufgabe regen mochte. Aber um seine Konzentration auf jene andere Arbeit war es schlecht bestellt. Seit Stunden schon hatte er an nichts anderes als an sein Testprojekt gedacht, bis Allmers abschließende Bemerkungen ihn wieder an seine eigentliche Pflicht erinnerten.