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Zwischen Start des Anzugs und Landung des mobilen Labors paßte eine Ruhepause. Als das Torpedo mit den Proben unter Feths perfekter Steuerung endlich durch die Schleuse einschwebte, wurde es von Ken schon aufgeregt erwartet. Er hätte sich am liebsten gleich darauf gestürzt, wurde aber durch einen Warnruf des Technikers zurückgehalten.

»Achtung! Sie würden anfrieren, auch wenn es nicht mehr so kalt ist wie auf Planet Drei. Sehen Sie!« Ein Tentakel deutete auf den schimmernden Rumpf, auf dem flüssiger Schwefel in Tröpfchen kondensierte, ablief und auf den Boden tropfte, wo er verdampfte. »Das muß erst aufhören…«

Ken hielt gehorsam inne. Er spürte, wie ihm das eisige Zeug auf die Füße tropfte, und trat zurück. Die Luft, die ihn umströmte, war erträglich, doch der Torpedorumpf mußte so kalt sein, daß sogar Zink gefroren wäre, hätte es das Strahlungsgleichgewicht für diese Sonnendistanz erreicht.

Minuten verstrichen, bis das Metall sich genügend erwärmt hatte und die Tropfen flüssigen Schwefels verschwanden. Nun erst machte Feth die Ladeluke auf, worauf der ganze Vorgang wiederholt wurde. Diesmal hinterließ die strohgelbe Flüssigkeit eine Pfütze auf dem Boden der Frachtkammer, ergoß sich um die Tiegel und ließ Ken ernsthaft an der Reinheit seiner Proben zweifeln. Er schaltete sämtliche Heizmöglichkeiten ein, um das Zeug schleunigst loszuwerden. Da die ernsthafte Chance bestand, daß es bei hoher Temperatur wieder zu einer Reaktion mit Luft kam, öffnete er die Absperrvorrichtung, kaum daß das Zischen und Brodeln kochender Luft aufgehört hatte. Endlich konnte er seine Proben untersuchen. Roger Wing hätte ihm sagen können, was für einen Anblick sie boten!

IX

Einige der Tiegel waren voll. Von diesen sahen die meisten unverändert aus. Andere aber nicht. Der Inhalt der meisten dieser Tiegel war zwar leicht aufzufinden, sie waren aber sehr schwer zu identifizieren, wie Ken auf den ersten Blick sehen konnte.

Praktisch alles war mit weißem Staub bedeckt, wie schon Roger bemerkt hatte. Die gelben Kügelchen von Natriumperoxid färbten sich grau, als sie sich in der Hitze auflösten. Der Goldtiegel war von seinem Ständer gezogen worden, war aber ansonsten unverändert. Das Eisen hatte sich schwarz verfärbt. Natrium, Magnesium und Titan hatten sich verflüchtigt, obwohl der Rückstand in jedem dieser Tiegel hoffen ließ, daß diese Elemente unter dem verstreuten Staub irgendwo nachgewiesen werden könnten. In dem dafür bestimmten Tiegel befand sich noch immer Kohlenstoff, allerdings sehr viel weniger.

So interessant und wichtig dies alles war, so wurde Feths und Kens Aufmerksamkeit doch nur kurz davon gefesselt. Denn gleich hinter der Lukentür war in der Staubschicht deutlich ein Abdruck zu sehen. Und dieser Abdruck war anders als alles, was die beiden bislang gesehen hatten.

»Feth, graben Sie schleunigst irgendwo eine Kamera aus. Ich hole indessen Drai.« Ken war verschwunden, kaum daß die Worte seiner Membran entschlüpft waren. Diesmal blieb Feth ihm eine Antwort schuldig. Sein Blick haftete noch immer an dem Abdruck.

An sich war daran nichts Unheimliches oder Erschreckendes. Doch konnte er sich nicht von dem faszinierenden Problem losreißen, wodurch dieser Abdruck wohl verursacht worden sein mochte. Für ein Wesen, das noch niemals etwas auch nur entfernt Menschenähnliches gesehen hatte, ist ein menschlicher Handabdruck schwer zu deuten. Ob der Abdruck beim Stehen, Sitzen, Lehnen verursacht worden war oder beim Ausgestreckt-Daliegen, das bei den Sarrianern das Sitzen ersetzte, das konnte er nicht unterscheiden. Der Eingeborene war vielleicht nur ein sarrianisches Fuß groß und hatte den Abdruck mit dem ganzen Körper hinterlassen, oder aber er war so groß, daß er nur ein Körperglied in die Frachtluke hineingebracht hatte. Feth schüttelte den Kopf, um wieder klarer denken zu können — er hatte gemerkt, daß seine Gedanken sich im Kreis bewegten. Dann machte er sich auf die Suche nach einer Kamera.

Sallman Ken platzte ohne Vorwarnung ins Observatorium, ließ Drai aber keine Zeit zu explodieren. Er überschüttete Drai mit der Nachricht von seiner Entdeckung und hörte nicht auf zu reden, bis sie den Kontrollraum erreicht hatten. Als sie dort angekommen waren, stellte jedoch der Anblick des Abdrucks für Drai alles andere als einen Höhepunkt dar. Er äußerte wenig mehr als höfliches Interesse. Ihm war der Körperbau der Erdenbewohner herzlich gleichgültig. Ihn interessierte ein anderer Aspekt der Frachtkammer viel mehr.

»Was ist denn das weiße Zeug?«

»Das weiß ich noch nicht«, mußte Ken zugeben. »Das Torpedo ist eben erst gelandet. Es ist auf jeden Fall das, was aus meinen Proben wird, wenn sie der Erdatmosphäre ausgesetzt werden.«

»Dann werden Sie also bald über die Zusammensetzung der Atmosphäre Bescheid wissen? Das wird uns sehr weiterhelfen. Nahe der dunklen Hemisphäre gibt es Höhlen, wie wir schon seit Jahren wissen. Die könnten wir nach außen verschließen und nach Ihren Angaben mit der entsprechenden Luftmischung vollpumpen. Melden Sie es mir, wenn Sie etwas herausgefunden haben.« Er glitt lässig hinaus und ließ einen enttäuschten Ken zurück. Für diesen war es eine faszinierende Entdeckung gewesen.

Er tat seine Enttäuschung achselzuckend ab und holte vorsichtig, ohne den Abdruck zu zerstören, seine Proben aus dem Torpedo, um sie auf einer Arbeitsbank anzuordnen, auf der er sich ein provisorisches Labor eingerichtet hatte.

Wie er selbst eingestanden hatte, war er kein großer Analytiker. Doch waren durch Verbrennung entstandene Verbindungen meist nicht sehr kompliziert. Er war sicher, sich über die Natur dieser Verlandungen einigermaßen Klarheit verschaffen zu können. Schließlich kannte er die beteiligten Metalle — in der Atmosphäre von Planet Drei konnte es bis auf Wasserstoff keine metallische Gase geben. Sogar Quecksilber würde als Flüssigkeit auftreten, und kein anderes Metall hatte einen sehr hohen Verdunstungsdruck, auch nicht unter sarranischem Druck. Ken, der sich diese Überlegung wie einen Leitstern vor Augen hielt, machte sich munter an die Arbeit.

Für einen Chemiker wäre nun die Arbeit oder die Beschreibung der Arbeit sicher interessant. Für alle anderen aber wäre es bloß eine ermüdende stets gleiche Wiederholung von Erhitzen und Abkühlen, das Feststellen der Siede- und Schmelzpunkte, Fraktionieren und Filtern. Ken wäre rascher vorangekommen, wenn er nicht mit einer vorgefaßten Meinung belastet gewesen wäre. Schließlich aber hatte er alle Nachweise beisammen. Und er fragte sich, warum er dies nicht alles zuvor gesehen hatte.

Feth Allmer war schon längst zurück und hatte den Handabdruck aus einem halben Dutzend Blickwinkel aufgenommen. Als er merkte, daß Ken fertig war, raffte er sich von dem Ständer auf, auf dem er ruhte, und glitt zu Ken hin..

»Na, haben Sie es geschafft, oder sind Sie aufgeschmissen?« fragte er.

»Ich glaube, ich hab’s. Eigentlich hätte ich es längst wissen müssen. Es ist Sauerstoff.«

»Und was ist daran so klar? Oder andersrum: warum nicht?«

»Ich wies die Möglichkeit von mir, weil Sauerstoff hochaktiv ist. Mir stand immer vor Augen, daß es bei dieser Temperatur nur wenig mehr aktiv ist als Schwefel bei unseren Temperaturen. Es ist sehr gut möglich, daß es frei in der Atmosphäre vorkommt — vorausgesetzt, es existiert ein Prozeß, der ersetzt, was in der Verbindung aufgeht. Dasselbe braucht auch der Schwefel. Verdammt, die zwei Elemente sind einander so ähnlich! Das hätte mir von Anfang an auffallen müssen.«

»Was meinen Sie mit Ersatz- oder Erneuerungsprozeß?«

»Wie Sie wissen, atmen wir Schwefel ein und bilden in unserem Stoffwechsel Sulfide. Andererseits spalten die meisten Pflanzen als mineralverzehrende Lebewesen Sulfide und geben freien Schwefel ab, wobei sie Sonnenenergie benötigen. Vielleicht existiert auch auf Planet Drei eine ähnliche Zweiteilung der Lebensformen — die eine Form bildet Sauerstoff und die andere spaltet ihn. Wenn ich es recht bedenke, gibt es auch auf Sarr Mikroorganismen, die Sauerstoff statt Schwefel brauchen.«