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»Ist es denn reiner Sauerstoff?«

»Nein, nur etwa ein Fünftel oder weniger. Sie wissen ja, wie rasch Natrium und Magnesium ausgetreten sind und wie groß der Druckabfall war.«

»Nein, ich weiß es nicht mehr, und ich kann auch nicht behaupten, daß mir das alles viel sagt, aber ich will Ihnen gern glauben. Und was gibt es daneben noch in der Atmosphäre? Das Titan hat alles aufgenommen, wenn ich mich recht erinnere.«

»Richtig. Entweder Stickstoff oder einige seiner Oxide — welche, das kann ich ohne genauere Quantitätsmessung nicht feststellen. Die einzigen Titan-Verbindungen, die ich in dem Durcheinander finden konnte, waren Oxide und Nitride. Der Kohlenstoff ist oxidiert, vermute ich — der Grund dafür, daß es keine Druckveränderung gab, außer jener, die auf Erwärmung zurückzuführen ist, liegt darin, daß das Hauptoxid des Kohlenstoffs zwei Sauerstoffatome hat und es daher keine Volumenveränderung gibt. Auch daran hätte ich eher denken sollen.«

»Auch in diesem Punkt will ich Ihnen gern glauben. Dann brauchen wir also nichts anderes zu tun, als ein Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch im Verhältnis vier zu eins zusammenzubrauen und damit die Höhlen zu füllen, von denen der Chef sprach, und zwar unter zwei Drittel Normaldruck.«

»Na ja, so einfach auch wieder nicht, aber so ungefähr kommt es hin, und dieses Tafak-Zeug müßte unter diesen Bedingungen gedeihen können — falls es glückt, Proben heil heranzuschaffen. Eine prächtige Idee wäre es auch, wenn man Erdreich beschaffen könnte, da ich mir nicht vorstellen kann, daß man durch Pulverisierung der hier vorhandenen Felsen etwas ähnliches erhält.

Dazu muß ich aber sagen, daß ich mich weigere, eine Analyse der Bodenprobe auch nur zu versuchen. Es müßte so viel heraufgeschafft werden, daß es für den Anbau reicht.«

Feth starrte ihn an. »Das ist doch lächerlich! Für eine halbwegs anständige Pflanzung brauchen wir Tonnen an Boden!«

Sallman Ken reagierte mit einem Achselzucken. »Das weiß ich. Aber ich sage nochmal klipp und klar, daß es einfacher sein wird, diese Tonnen heranzuschaffen, als von mir eine präzise Bodenanalyse zu bekommen. Ich habe davon zu wenig Ahnung, und ich möchte bezweifeln, ob die besten Chemiker von Sarr eine Voraussage über die chemische Zusammensetzung des festen Teils von Planet Drei wagen könnten. Ich gehe jede Wette ein, daß bei diesen Temperaturen organische Verbindungen ohne Fluor oder Silizium existieren können.«

»Ich glaube, wir sollten Drai holen, damit er sich das anhört. Sicher wollte er, daß Sie Atmosphäre und Boden analysieren, damit wir hier ganz auf eigene Faust eine Pflanzung anlegen können.«

»Ja, holen Sie ihn. Ich habe ihm gleich zu Anfang gesagt, wo meine Grenzen liegen. Und wenn er seine Erwartungen nicht herunterschraubt, dann hat er keine Ahnung von der Natur dieses Problems.«

Feth glitt mit bekümmerter Miene hinaus. Ken verstand nicht, was den Techniker daran so bedrückte. Später sollte er dahinterkommen.

Als Feth wiederkam, war er noch bekümmerter.

»Er hat zu tun. Er sagt, er wolle die Sache mit Ihnen durchdiskutieren, sobald der Anzug zurück sei, damit man gleich sämtliche Alternativen in Betracht ziehen könnte. Er will, daß ich Sie hinaus zu den Höhlen bringe, damit Sie selbst sehen, wie er sie nutzbar machen will.«

»Und wie kommen wir hin? Die müssen doch ziemlich weit von hier entfernt sein?«

»Ordon Lee bringt uns mit seinem Schiff hin. Es sind an die dreitausend Kilometer. Also, rein in die Anzüge.«

Ken unterdrückte heroisch den Impuls, Feth zu fragen, warum die Sache plötzlich inmitten eines gänzlich anderen Problems so dringlich aufgetaucht war, und ging zum Schrank, in dem die Raumanzüge hingen. Er glaubte, den Grund ohnehin zu kennen und war fast sicher, daß der Ausflug bis nach Rückkehr des Handelstorpedos verlängert werden würde.

Seine Aufmerksamkeit wurde von diesen Dingen losgerissen, als er zum erstenmal seit seiner Ankunft auf der Station die Merkuroberfläche betrat. Die aufgesprungene, ausgedörrte, völlig trockene Talsenke war für ihn nichts Neues, da Sarr ebenso trocken und sogar noch heißer war, doch die Schwärze des Himmels um die Sonne und die Kahlheit des Bodens bewirkten einen toten Effekt, der ihn sehr unangenehm beeindruckte. Auf Sarr gedeiht trotz der Trockenheit überall pflanzliches Leben. Die Pflanzen, die Ken kannte, waren eher kristallin als organisch und brauchten zum Leben nur geringe Mengen Flüssigkeit.

Außerdem gab es auf Sarr Wasser und auf Merkur nicht. Als das Schiff vom Talboden abhob, konnte Ken den Unterschied richtig einschätzen. Die Oberfläche von Merkur ist zerklüftet, weist große Erhebungen auf und wirkt sehr rauh. Die Gipfel, Spalten und Meteoreinschläge werden von keiner Erosion gemildert. Wo es Schatten gibt, sind sie tiefdunkel und werden nur von dem Licht erhellt, das von festen Gegenständen in der Nähe reflektiert wird. Seen und Flüsse müßten von metallischer Substanz sein, von Blei oder Zinn, oder einfache Verbindungen wie das ›Wasser‹ Sarrs – Kupferchlorid, Bleibromid und Sulfide von Phosphor und Kalium. Erstere sind aber zu schwer und waren im Felsboden Merkurs versickert, falls es sie je gegeben hatte. Und den zweiten Typ gibt es nicht, weil die lebenden Organismen fehlen, die sie hätten hervorbringen können. Sallman Ken, der die Fläche, über die sie dahinflogen, genau begutachtete, bekam nun eine etwas bessere Meinung von der Erde.

Ein Raumfahrzeug, das imstande ist, die Lichtgeschwindigkeit mehrtausendfach zu überschreiten, bringt eine Strecke von dreitausend Kilometern rasch hinter sich, auch wenn die Geschwindigkeit so gehalten wird, daß von Hand gesteuert werden kann. Das Landegebiet war ziemlich dunkel, da die Sonne nicht mehr hoch, sondern schon tief am Horizont stand, und die Schatten waren entsprechend länger. Es sah kälter aus und war es auch. Dem herrschenden Vakuum und der schlechten Leitfähigkeit der Felsen war es zu verdanken, daß man sich in gewöhnlichen Raumanzügen hinauswagen konnte. Nach wenigen Augenblicken glitten Ken, Feth und der Pilot auf einen etwa vierzig Meter hohen Felsen zu.

Die Felsoberfläche war rauh und zerklüftet wie die ganze Topographie Merkurs. Lee hielt unbeirrt auf einen der breiteren Risse zu. Die drei befanden sich plötzlich in pechschwarzer Finsternis, obwohl an der Oberfläche noch die Sonne schien. Mit eingeschalteten Lampen setzten sie den Weg fort. Zunächst war der Gang recht eng, und Boden und Wände waren so uneben und rauh, daß die Raumanzüge in Gefahr gerieten, aufgerissen zu werden. So ging es etwa fünfhundert Meter weiter, bis sich der Gang plötzlich zu einer riesigen, fast kugelförmigen Höhle erweiterte. Offenbar war Merkur nicht immer ohne Gase gewesen – die Höhle sah einer im Vulkangestein eingesprengten Gasblase verdammt ähnlich. Der Spalt, durch den sie eingedrungen waren, reichte fast bis ganz hinauf, und hinunter ebensoweit. Er war halb gefüllt mit Geröll von oben, deswegen war es auch so schwierig gewesen, durchzukommen. Der untere Teil des Gerölls enthielt einen gewissen Anteil loser Felsbrocken. Es sah aus, als könnte man über diese großen Brocken bis hinunter in die Mitte klettern. Ken aber fand diese Idee nicht sehr verlockend.

»Existiert nur diese eine große Blase?« fragte er Ordon Lee.

»Nein, wir haben etliche entdeckt. Sie sind einander alle sehr ähnlich und liegen alle hier an diesem Felsen. Wahrscheinlich gibt es auch noch Höhlen ohne Öffnung nach außen. Mit Echolot könnte man sie sicher ausfindig machen, wenn es darauf ankäme.«

»Ja, gute Idee«, meinte Ken. »Eine Höhle, mit künstlich gebohrtem Eingang läßt sich viel leichter luftdicht abschließen, als diese hier.« Feth und Lee brummten zustimmend.