Dieser stand noch am selben Fleck, und seine Miene war ebenso undeutbar.
»Leider habe ich unserem Freund Feth Unrecht getan«, bemerkte er gleichmütig. »Ich fragte mich, wie Sie zu der Behauptung gekommen waren, eine Rundreise von Sarr nach hier und zurück würde bloß eine Woche dauern. Mir ist klar, daß Sie diese Entdeckung zufällig machten und daß Ihnen nichts ferner liegt als vulgäres Spionieren. Bleibt trotzdem das Problem, was man jetzt mit Ihrem unglückseligen Wissen anfangen soll. Das wird mich noch viel Gedankenarbeit kosten. In der Zwischenzeit wollen wir uns aber mit Planet Vier beschäftigen. Befindet er sich momentan in einer für eine Landung günstigen Stellung und könnten wir das Torpedo mit dem Testanzug abfangen, ohne zu weit vom Kurs abzuweichen?«
Ken war verblüfft und brachte momentan kein Wort heraus, Drais gelassene Unverfrorenheit war das Allerletzte, was er unter den gegebenen Umständen vermutet hätte. Er konnte nicht glauben, daß er wirklich so gleichgültig war.
Nein, zwischen diesen ruhig blickenden Augen brütete etwas Bedrohliches, ohne daß man es ihm vom Gesicht hätte ablesen können. Ken versuchte nun so gut es ging, sich der Haltung seines Chefs anzupassen. Mit Mühe richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Ephemeriden, die er in der Hand hielt, fand die entsprechenden Begriffe und stellte ein paar Kopfrechnungen an.
»Die Planeten stehen von hier aus gesehen im rechten Winkel«, sagte er schließlich. »Wir befinden uns, wie Sie wissen, zwischen der Sonne und Drei. Vier liegt in der entgegengesetzten Richtung, von uns etwa doppelt so weit entfernt. Das ist aber für die Karella eine Kleinigkeit.«
»Richtig. Na schön, wir starten in einer Stunde. Schaffen Sie vorher die Ausrüstung an Bord, die Sie brauchen werden. Nehmen Sie vor allem einen Spezialraumanzug mit, auch wenn Vier keine Atmosphäre hat. Und dann müssen Sie mir sagen, wen Sie mitnehmen wollen.«
»Was ist mit Feth?« Ken hatte so eine Ahnung, daß Feth in Ungnade gefallen war, weil er das Geheimnis des Standorts verraten hatte.
»Der wird eine Zeitlang nicht greifbar sein. Er hat zu tun. Aber ich teile Ihnen einen Mann zu… Sie können sich aus der Werkstatt an Bestandteilen mitnehmen, was Sie wollen. Ich schicke ihn her. Also, in einer Stunde.« Laj Drai wandte sich um, ein Anzeichen dafür, daß er die Unterredung für beendet ansah.
Der Mann, den er schickte, war einer, den Ken schon gesehen hatte, mit dem er aber noch kein Wort gewechselt hatte. Der Bursche war fast ebenso wortkarg wie Feth, und Ken sollte nie seinen Namen erfahren. Er tat, was von ihm verlangt wurde, und schaffte das nötige Material zur Karella. Nachher verschwand er. Der Start fand planmäßig statt.
Ordon Lee, der offenbar seine Anweisungen bekommen hatte, schickte das Schiff so schnell um den Planeten, daß die benötigte Beschleunigung jene von der Schwerkraft des Planeten erzeugte überstieg. Die Insassen des Schiffs glaubten, den Planeten über sich zu haben. Während die Sonne hinter ihnen tief am Horizont stand und vor ihnen schimmernd die Erde hochstieg, brach er aus der Fliehkraftbeschleunigung aus und entfernte sich mit großer Geschwindigkeit vom Planeten. Dank der gewaltigen Antriebskraft der Maschinen schwoll das Erde-Mond-System in wenigen Minuten zu einem Paar deutlich sichtbarer Scheiben an. Lee manövrierte mit großem Geschick, als er das Schiff relativ zum Planeten zum Stillstand brachte, über eine halbe Million Kilometer in Richtung Sonne. Drai winkte Ken an ein Instrumentenbrett heran, das wie jene im Kontrollraum aussah.
»Es ist auf Ihr Torpedo eingestellt. Der Schirm hier rechts ist eine Radar-Einheit. Damit können Sie das Torpedo aufspüren.
Dort oben ist ein Kompaß, und dieser Schalter entlockt dem Torpedo ein Zielflugsignal.«
Ken ließ sich wortlos vor den Instrumenten nieder. In kürzester Zeit hatte er sie alle im Griff. Der Kompaß gab zunächst nur ungefähre Werte an, da die Entfernung noch zu groß war. Lee verringerte die Entfernung immer mehr, und in einer Viertelstunde befand sich das noch immer unsichtbare Torpedo nurmehr zwanzig Kilometer weit entfernt. Von diesem Punkt an war das Steuern ein Kinderspiel. Schließlich ging er mit Drai aus dem Kontrollraum und begab sich in den Frachtraum der Karella, wo das Torpedo sich bereits erwärmte.
Diesmal war es der außen angeklammerte Anzug, der ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich zog. Er war eine Stunde lang auf dem Grund der Atmosphäre gewesen. Es war eine Zeitspanne, die ausreichen mußte, um etwaige ernste Fehlerquellen aufzuzeigen. Es war ziemlich entmutigend festzustellen, daß die Luft auf dem Anzug ebenso kondensierte wie auf dem Torpedorumpf. Hätten die Heizaggregate ordentlich funktioniert, dann hätte während der wenigen Stunden im freien Raum zwischen inneren und äußeren Schichten des Materials ein Ausgleich stattfinden müssen. Genauer gesagt, da ein Ausgleich zweifellos stattgefunden hatte, war er bei zu geringer Temperatur erfolgt.
Die flüssige Luft hörte jedoch am Anzug viel eher zu tropfen auf, und Ken schöpfte wieder Hoffnung, als er schließlich das Stück aus der Halterung lösen und näher untersuchen konnte.
Die Außenfläche des Metalls hatte eine Farbveränderung durchgemacht. Dies war die erste und auffallendste Tatsache. Statt des Silberschimmers polierten Stahls waren bestimmte Stellen, vor allem die äußersten Enden der armähnlichen Greifextremitäten und die Innenseite der Beine, bläulich verfärbt. Ken war geneigt, die Färbung als Korrosionsschicht, vom Sauerstoff verursacht, anzusehen, konnte sich jedoch die ungleichmäßige Verteilung nicht erklären. Beklommen öffnete er den Rumpfteil des schweren Anzugs und faßte hinein.
Kalt. Viel zu kalt zum Wohlfühlen. Die Heizschlangen hätten dieser Kälte entgegenwirken können, doch hatten sie nicht funktioniert. Auf dem Recorder war ein Stück Band mit der Aufzeichnung, die automatisch in Gang gesetzt worden war, und zwar durch eine Schaltung, die vom Druckanzeiger im Torpedo durch einen der Funkkontakte im Anzug hergestellt wurde, sobald der Atmosphärendruck nachweisbar war. Dieses Band erzählte eine deutliche Geschichte. Temperatur und Druck waren wenige Minuten stabil gewesen. Bei der Landung auf der Planetenoberfläche oder kurz danach waren beide Werte sprunghaft abgefallen, besser gesagt sehr sprunghaft. Die Temperatur war einen Augenblick lang sogar über den Normalwert hinausgegangen. Der Recorder war zum Stillstand gekommen, als der Gefrierpunkt des Schwefels erreicht war, vermutlich durch das Festwerden der Luft um die beweglichen Teile. Er hatte seine Arbeit nicht wieder aufgenommen. Der Planet war schlicht und einfach eine Wärmefalle.
Anzeichen dafür, daß der Anzug irgendwo ein Leck hatte, durch das Gas eingeströmt war, gab es nicht, doch vermutete Ken, daß es irgendwo eines geben mußte. Die Blaufärbung an gewissen Stellen mochte von Flammeneinwirkung stammen – von flammendem Sauerstoff, der sich an Lecks im Anzug entzündete, aus denen Schwefel unter hohem Druck austrat. Schwefel und Sauerstoff sind leicht brennbar, wie Ken wußte, und gehen miteinander eine Verbindung ein. Er durfte nicht vergessen, die Entstehungswärmewerte aller Sulfide des Sauerstoffs nachzuschlagen.
Schließlich wandte er dem Debakel den Rücken.
»Feth soll sich die Sache ansehen, wenn wir zurück sind«, erklärte er. »Er wird vielleicht einleuchtendere Gründe dafür finden, wie und warum die Isolierung ausfiel. Wir können gleich weiter zu Planet Vier, nachsehen, ob dort etwas vorkommt, das man als Pflanzerde nehmen könnte.«
»Wir müssen ihn schon eine ganze Weile umkreisen«, gab Drai zurück. »Lee hatte Auftrag, Planet Vier anzufliegen, sobald Ihr Anzug an Bord war. Er hatte ebenso Auftrag, mit der Landung zu warten, bis ich wieder im Kontrollraum war.«