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»Und was ist es?«

»Ein Wasserstoffoxid – H2O, wenn ich nicht irre. Wenn es für die Wachstumsform, an der sie so interessiert sind, wichtig sein sollte, dann steht uns eine interessante Zeit bevor.«

»Wir verfügen über Frachtbehälter, die man unter Außenbedingungen halten kann und an das Schiff antaut«, hob Drai hervor.

»Das dachte ich mir«, antwortete Ken. »Normale ›Außenbedingungen‹ im All nahe Planet Eins würden auf diesen Stoff so wirken, daß er sich verflüchtigt, so wie er sich unter der verhältnismäßig geringen Wärmeausstrahlung meines Anzugs verflüchtigte. Ihre Lastbehälter müßten luftdicht verschlossen werden. Der Transport zu einer dieser Höhlen wird sich hochinteressant gestalten.«

Laj Drai machte ein erschrockenes Gesicht. Da fiel ihm etwas ein, und seine Miene drückte Befriedigung aus.

»Ich bin sicher, Sie werden das alles berechnen können. Dazu sind Naturwissenschaftler schließlich da, nicht?«

Jetzt war es an Ken, erschrocken zu sein, obwohl er Drai schon lange genug kannte, um etwas in dieser Richtung zu gewärtigen.

»Machen Sie sich denn nie selbst an die Lösung Ihrer Probleme?« fragte er ein bißchen sauer.

Drai nickte bedächtig. »Ja, manchmal. Ich lasse sie mir gern durch den Kopf gehen. Für naturwissenschaftliche Probleme fehlt es mir an Wissen. Deswegen heuere ich Typen wie Sie und Feth an. Vielen Dank, daß Sie mich daran erinnern – ich habe tatsächlich ein Problem, an das ich schon viel Überlegung gewandt habe. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, möchte ich letzte Hand anlegen. Sie können bleiben und hier weitermachen.«

»Im Augenblick gibt es für uns auf diesem Planeten nichts mehr zu tun.«

»Das glaube ich. Also, dann nichts wie zurück auf Planet Eins und zu Ihren Laboreinrichtungen. Kommen Sie, Lee, wir überlassen den Forscher seiner Wissenschaft.«

Der von Natur aus arglose Ken sah nicht einmal auf, als die zwei hinausgingen. Er hatte eben Ammoniak in der Aufstellung gefunden und fragte sich, ob er sich so verrechnet hatte und das wirkliche Molekulargewicht nur siebzehn betrug. Die Schmelzpunktwerte beruhigten ihn. Um sicherzugehen, ging er noch alle Verbindungen von Wasserstoff, Lithium, Beryllium, Bor, Stickstoff und Sauerstoff durch, die in seinem Buch angegeben waren. Der Start des Schiffs störte ihn nicht im mindesten. Auch die stille Öffnung seiner Tür machte weiter keinen Eindruck auf ihn.

Die Tür hatte sich mit einem deutlichen Schnappen geschlossen, ehe ihm außer den bedruckten Seiten überhaupt etwas bewußt wurde. Gleichzeitig mit dem Schließen der Tür durchbrach eine Stimme die Stille.

»Sallman Ken!« Der Lautsprecher dröhnte die Worte heraus. Die Stimme gehörte Laj Drai. »Als wir uns eben trennten, sagte ich, daß ich gelegentlich selbst zur Lösung meiner Probleme schreite. Leider stellen Sie eines dieser Probleme dar. Und es scheint mir nur eine Lösung zu geben, die Ihre Nützlichkeit nicht beeinträchtigt. In gewisser Hinsicht tut es mir leid, sie anwenden zu müssen, aber das haben Sie wirklich nur Ihrer eigenen unangebrachten Neugierde zu verdanken. Wenn Sie aufwachen, werden wir uns weiter unterhalten – Sie können mir dann sagen, was Sie von unserem Handelsprodukt halten!« Die Stimme verstummte. Ein Klicken zeigte an, daß das Mikrophon ausgeschaltet worden war.

Ken, der nun ganz bei sich war und das Buch weggelegt hatte, stand auf, oder vielmehr verließ seinen Ständer und schwebte über dem Boden dahin, da man sich ja im Zustand der Schwerelosigkeit befand.

Sein Blick tastete den Raum angestrengt ab. Er suchte etwas, das Drais ziemlich rätselhaften Worten Sinn verliehen hätte. Es dauerte einige Sekunden, ehe er es sah… einen rechteckigen gelben Ziegel, der nahe der Tür in der Luft schwebte. Zunächst erkannte er das Ding gar nicht und stieß sich von einer Wand ab, um näher heranzukommen. Als er dann die Kälte spürte, die von dem Ding ausging, versuchte er vergeblich, schnell Abstand zu gewinnen.

Der Ziegel verlor bereits seine Form. Die Ecken rundeten sich unter dem Einfluß der Wärme und verpufften als Dunst. Gefrorener Schwefel – ganz harmlos, wenn man nicht damit in Berührung kam, aber schrecklich, wenn man wie Ken darüber Bescheid wußte. Mit verzweifeltem Umsichschlagen der Tentakel versuchte er einen Luftzug zu erzeugen, der das Ding aus dem Weg trieb. Ein ähnlich verzweifelter Blick, mit dem er sich im Raum nach einem Gegenstand umsah, der ihm hätte als Gasmaske dienen können, war ebenso fruchtlos.

Er konnte den Blick nur schwer von dem kleiner werdenden Ding abwenden, das nun einem länglichen Ellipsoid ähnelte. Es schrumpfte immer weiter, bis in dem Gelb der Umhüllung etwas anderes sichtbar wurde… das Ende eines kleinen weißen Zylinders. Schließlich war die schützende Verpackung verschwunden, der weiße Zylinder wurde erst braun und dann schwarz und wurde von einer kugelförmigen Rauchwolke eingehüllt. Einen Augenblick lang flammte wilde Hoffnung in Ken auf. Das Ding mußte brennen, und im Zustand der Schwerelosigkeit kann sich kein Feuer halten. Dazu ist ein gewisser Luftzug erforderlich. Vielleicht würde das hier einfach ersticken, doch die Rauchwolke qualmte weiter. Offensichtlich war das Ding in Erwartung dieser Situation mit gefrorenen Luftteilchen imprägniert worden.

Die Rauchwolke wurde an den Rändern fransig und verschwommen, da durch Diffusion die Teilchen im Raum verteilt wurden. Ken roch jetzt den süßlichen Duft. Er versuchte den Atem anzuhalten. Zu spät. Dieser Versuch sollte sein letzter klarer Gedanke sein.

XII

»Man hat Sie also behalten.« Was da aus Feth Allmers Ton herauszuhören war, konnte Mitgefühl sein oder auch nicht. »Wundert mich eigentlich nicht. Als Drai mir die Hölle heiß machte, weil ich Ihnen angeblich sagte, wie weit entfernt Sarr wäre, da wußte ich, daß Sie auf eigene Faust geschnüffelt hatten. Na, wer hat Sie geschickt, die Rauschgiftabteilung oder die Handelskontrolle?«

Ken gab darauf keine Antwort. Ihm war nämlich gar nicht nach Reden zumute. An seinen Drogenschlaf konnte er sich nur soweit erinnern, daß ihm Dinge über sich bewußt geworden waren, die kein vernunftbegabtes Wesen zu wissen gezwungen werden sollte. Er hatte geträumt, daß er Anblicke und Vergnügungen genösse, die ihm jetzt bloß widerwärtig erschienen. Und doch lag unter dem Abscheu verborgen das Gefühl, daß er Wonnen genossen hatte, und daß es diese Wonnen wieder geben könnte. Die Empfindungen eines Rauschgiftsüchtigen zu beschreiben ist unmöglich, weder der Zustand unter dem Einfluß des Rauschgifts noch das tödliche Verlangen, ehe die Substanz zur physischen Notwendigkeit wird. Aber in diesem Augenblick, eine knappe Stunde, nachdem er dem Einfluß entglitten war, war sein Gemütszustand vielleicht nicht ganz unverständlich. Feth hatte sicher Verständnis dafür, ließ das Thema aber unberührt.

»Ist ohnehin egal, von wo Sie kommen oder ob es jetzt alle wissen«, fuhr er fort, als Kens Antwort auf sich warten ließ. »Jetzt spielt das keine Rolle mehr. Jetzt gehören Sie für immer zu uns, egal, was Sie im Moment denken mögen. Warten Sie nur, bis die Gier über Sie kommt… Sie werden schon sehen.«

»Wann wird das sein?« Dieser Punkt war so interessant, daß Ken seine Lethargie überwand.

»In fünf, sechs Tagen. Hängt vom Einzelfall ab. Lassen Sie sich eines gesagt sein: Kommen Sie Laj Drai niemals wieder in die Quere. Er hat hier das Sagen. Wenn er Ihnen den Tafak nicht gibt und Sie auch nur eine halbe Stunde unter diesem Verlangen leiden, werden Sie es niemals vergessen. Ich spüre es noch immer in den Knochen, daß er damals glaubte, ich hätte Ihnen unseren Standort verraten.«

Keri war platt. »Sie? Sind Sie…?«

»Süchtig? Ja, bin ich. Die haben mich vor Jahren geschnappt, genauso wie Sie. Damals dämmerte mir, was hier so alles lief. Ich wußte zwar nicht, wo dieses System lag, aber meine Arbeit machte es nötig, daß ich gelegentlich technische Bestandteile beschaffen mußte. Man wollte verhindern, daß ich etwas ausplauderte.«