Feth grinste breit. »Dazu bedarf es besserer Psychologen, als wir es sind. Drais Vertrauen in seine Mitarbeiter reicht nicht so weit. Und außerdem, was würde das schon nützen? Wir hätten nichts davon, wenn wir ihn dort aussetzten, so verlockend diese Idee auch klingt, und ihn mit Drohungen einzuschüchtern ist ebenso sinnlos, da er natürlich jedes abgepreßte Versprechen brechen würde.«
»Na ja, viel habe ich mir von dem Vorschlag ohnehin nicht erwartet. Aber jetzt bin ich dafür, daß wir die Proben schleunigst auf Planet Eins bringen, ehe sie erfrieren. Dort wollen wir rasch ein Vivarium zusammenbasteln. Wenn es uns glückt, auch nur irgend etwas zum Gedeihen zu bringen, wird Drai für eine Weile Ruhe geben.«
Das Torpedo, das Ken und seine Proben zur Karella gebracht hatte, wurde an den Rand des Reflektorfelds gelenkt, als Ken sich aus den Halterungen gelöst hatte. Feth kehrte zu seinen Instrumenten zurück und führte das Schiff ganz nahe an den Rumpf des Schiffes heran, so daß es von den Antriebsfeldern der Karella mitgezogen wurde. Auf Kens Wunsch hin hielt Lee wieder auf die Sonne zu. Dreizehnhundert Kilometer über der Merkur-Oberfläche wurde das Torpedo wieder losgeschickt, um von Feth in der Höhle sanft gelandet zu werden. Vor einiger Zeit war dort eine Fernsehanlage eingerichtet worden, mit deren Hilfe er jetzt die Landung durchführte. Er richtete es so ein, daß etwa ein Meter der Torpedospitze sich in der Sonne befand, während alles andere im Schatten eines großen Felsens zu liegen kam. Damit war seiner Ansicht nach die richtige Temperatur wenigstens für einige Stunden aufrechtzuerhalten.
Kaum war die Karella gelandet, als er und Ken in die Werkstatt gingen. Dort wurde in aller Eile ein Metallbehälter zusammengestellt, etwa sechzig Zentimeter hoch, einen Meter lang und ebenso breit. Feth verschweißte sorgfältig alle Fugen und unterzog sie einem vollen Drucktest. Auf den Behälter kam ein Glasdeckel, mit Silizium-Vakuum-Wachs abgedichtet, das zur Standardausrüstung aller Raumschiffe gehörte. Auch diesen Deckel unterzog er einer Druckprobe, die einem irdischen Barometerstand von zwölfhundertfünfzig Millimeter entsprach. Ein zweiter, ähnlicher Behälter, in dem der erste Platz haben sollte, wurde eben zusammengebaut, ab Drai auftauchte. Offenbar hatte er endlich mitgekriegt, daß das Schiff gelandet war. »Na, Sie haben also mit einem Eingeborenen sprechen können, hörte ich eben von Lee. Bravo, sehr gut gemacht. Haben Sie irgend etwas über die Herstellung des Tafaks herausbekommen?«
»So gut können wir uns nicht verständigen.« Ken unterdrückte seinen Sarkasmus nach besten Kräften. »Unsere Arbeit war nach anderen Gesichtspunkten ausgerichtet.« Er deutete auf das halbfertige Vivarium. Drai betrachtete das Gebilde stirnrunzelnd, als müsse er sich über dessen Zweck erst klar werden. »Es ist eine kleine Kammer, in der wir hoffentlich die Umweltbedingungen von Planet Drei nachvollziehen können. Mehr oder weniger ein reines Experiment. Zwischen den beiden Behältern stellen wir ein Vakuum her. Feth sagt, einer der mit Schwefelhexafluorid betriebenen Kühlschränke, die er vor Jahren zusammenbaute, könnte die Temperatur entsprechend niedrig halten. Wir haben jetzt so viel Luft von Planet Drei, daß wir den Behälter mehrmals unter entsprechendem Druck füllen können.«
Drais Miene verriet seine Verwunderung. »Ist der Behälter für einen Eingeborenen nicht zu klein? Lee sagte mir, Sie hätten die auf fast eineinhalb Meter geschätzt. Außerdem weiß ich ja von diesen Plänen gar nichts.«
»Eingeborene? Ich dachte, wir sollten hier Pflänzchen ziehen! Was sollen wir hier mit einem Eingeborenen?«
Drais Miene verklärte sich. »Ach, ich verstehe. Ich wußte ja nicht, daß Sie schon Pflanzen mitgebracht haben. Hm; wenn ich es recht überlege, wäre es aber gar nicht schlecht, wenn man einen oder zwei Eingeborene zur Hand hätte. Falls die Planetenbewohner halbwegs zivilisiert sind, könnte man die Gefangenen gegen gewaltige Mengen von Tafak austauschen, und wir könnten sie außerdem in der Höhle zum Bearbeiten und Ernten des Tafaks verwenden. Vielen Dank für die Idee.«
»Ich weiß bloß nicht, wie intelligent die Eingeborenen sind«, antwortete Ken. »Aber ich halte sie nicht für so hirnverbrannt, daß sie einfach in einen Käfig hineinmarschieren, den wir offen vor sie hinstellen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, behalte ich mir diese Möglichkeit als letzte Ausflucht vor… wir werden schon genug Ärger haben, unsere Erdproben und die Samen von ihren jetzigen Behältern in diesen hier zu verlagern, ohne daß sie unserer Atmosphäre oder dem leeren Raum ausgesetzt werden. Hundertmal schlimmer wäre es, einen Eingeborenen in eine dieser Höhlen hineinzubekommen.«
»Ja, vielleicht haben Sie recht. Aber ich glaube, wir würden mit dieser Methode an mehr Tafak herankommen.«
»Ja, sicher, wenn sie zivilisiert sind. Aber ich verstehe nicht, was Sie an unserer Methode auszusetzen haben. Das Verfahren ist weiß Gott äußerst preiswert.«
»Der Preis ist mir egal, es geht mir um die Menge. Wir bekommen bloß zweihundert Zylinder pro Jahr – noch dazu in einem Planet-Drei-Jahr. Diese Menge erlaubt uns nicht, in größerem Maßstab zu operieren. Also, tun Sie, was Sie für richtig halten… vorausgesetzt, Sie können mich überzeugen, daß es das Beste ist.«
Drai empfahl sich mit einem Lächeln. Feth und Ken wurden dabei das Gefühl nicht los, daß Drais Lächeln eine höchst unangenehme Tönung erhalten hatte. Feth sah ihm nach, wollte sich wieder seiner Arbeit zuwenden, hielt wieder inne, warf Ken einen entschuldigenden Blick zu und lief sodann Drai nach. Ken fiel ein, daß Feth die letzte Dosis des Rauschgifts einige Zeit vor ihm bekommen hatte.
Damit war er bei der Frage angelangt, wann er das erste Verlangen nach dem Rauschgift spüren würde. Feth hatte gesagt, es würde nach fünf bis sechs sarrianischen Tagen soweit sein… das entsprach etwa dreizehn Erdenstunden. Einen halben Tag hatte er nach einem Erwachen mit Gerede vertan, mit dem Kontrollieren der Panzeranzüge und mit dem Flug nach Drei. Mehr als ein ganzer Tag war mit den Tests und mit der Begegnung mit den Eingeborenen vergangen. Seither ein halber Tag. Mindestens ein ganzer Tag würde noch vergehen, bevor das geplante Zusammentreffen mit den Eingeborenen von Drei stattfinden konnte. Es war ungewiß, wie lange es dauern würde, aber auf jeden Fall blieben ihm noch zwei Tage Atempause. Er verdrängte die Sorgen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem halbfertigen Vivarium zu.
Er war kein ausgebildeter Schweißer, doch die Proben, die geduldig in einer Entfernung von dreitausend Kilometern warteten, würden nur eine gewisse Zeit überstehen, und er hatte keine Ahnung, wie lange Feth ausfallen würde. Er griff nach dem Schweißapparat und nahm die Arbeit an der Außenhülle auf. Er hatte Feth abgeschaut, wie man die Druckprobe machte, und war angenehm überrascht, als die Nähte dichthielten. Mehr allerdings konnte er nicht tun. Feth hatte keine Aufzeichnungen gemacht, und Ken hatte keine Ahnung, wie er sich das Einbauen der verschiedenen Kühl- und Pumpmechanismen vorstellte. Er ließ daher die Arbeit sein und fing an, über das Problem nachzudenken, das er Drai gegenüber erwähnt hatte, nämlich wie man es anstellen konnte, die Proben in den hübschen kleinen Tank zu verlagern, sobald dieser fertiggestellt wäre.
Erst versuchte er, einen ferngesteuerten Öffner zu konstruieren, als ihm die Lösung blitzartig einfiel. Er war wütend, daß es ihm nicht schon eher eingefallen war. Daraufhin ruhte er sich aus, bis Feth wiederkam, und geriet dabei so dicht an den Schlafzustand, wie es ihm und seinen Artgenossen vergönnt war.
Feth war nach vier Stunden wieder zur Stelle. Er schien in guter Verfassung. Dieses Tafak hatte sichtbare Nachwirkungen, auch noch nach jahrelanger Abhängigkeit, was einigermaßen tröstlich war.