XVIII
Feth war nicht der einzige, der dem Piloten zuschrie, er solle schleunigst wieder an Höhe gewinnen. Ken, dem klar war, daß der Schiffsrumpf trotz der besseren Isolation fast so heiß sein mußte wie sein Panzer, gab über Funk Äußerungen von sich, die er vor seinen Schülern peinlichst vermieden hätte. Es war nur natürlich, daß an Bord keiner auf ihn hörte. Mr. Wing und Don, die den Grund für seine Aufregung ahnten, stimmten mit ein. Mrs. Wing, die den Wirbel gehört hatte, erschien gerade noch rechtzeitig, um mitanzusehen, wie sich der schimmernde schwarze Zylinder vierzig Meter oberhalb des Hauses zwischen die Bäume senkte. Das Ergebnis rief bei niemandem Erstaunen hervor – zumindest nicht bei denen außerhalb des Schiffs.
Don und sein Vater rannten im Eiltempo zum Stall, wo die tragbaren Feuerpumpen aufbewahrt wurden. Mrs. Wing trat hinaus auf die Veranda und rief mit einigermaßen beherrschtet Stimme: »Don, wo sind die Kinder?«
Diese Frage wurde teilweise beantwortet, ehe einer der beiden sich dazu äußern konnte, als Marjorie und Billy auf entgegengesetzten Seiten der Lichtung aus dem Wald gelaufen kamen, die Pflanzen in Händen, die sie in ihrer Aufregung nicht fallen gelassen hatten.
»Daddy! Sieh mal das Feuer!« schrie der junge.
»Ich weiß, Billy. Ihr beide geht mit Mutter und schaltet die Pumpe ein. Ihr müßt mithelfen, ums Haus herum alles naßzusprühen. Ich glaube nicht, daß das Feuer bei dieser Windrichtung den Hang herunterkommt, aber wir wollen kein Risiko eingehen.«
»Wo sind Roger und Edith?« fragte Mrs. Wing die zwei Jüngsten.
»Sie wollten Felsstücke für den Feuermann holen«, sagte Marjorie. »Ich weiß nicht, wo sie die holen wollten. Wenn sie das Feuer sehen, kommen sie sicher zurück.«
»Na hoffentlich.« Mrs. Wing war darüber nicht sehr erbaut. Sie nahm die beiden ins Schlepptau und ging die Schläuche holen. Don und sein Vater liefen weiter, schlangen sich die stets gefüllten Feuerpumpen um die Schultern und liefen bergauf auf die immer dichter werdende Rauchwolke und die lodernden Flammen zu.
Ken hatte nicht erst abgewartet, bis die menschlichen Wesen aktiv wurden. Er hatte kurz nachgesehen, ob sein Panzer noch immer fest verbunden mit dem Torpedo war. Dann hatte er den Steuerapparat gepackt und war hinaufgeschossen. Das war nicht ungefährlich, wie er wohl wußte. Doch der relativ kühle Torpedorumpf sauste die Schneise hoch, die er beim Landen geschlagen hatte, zwischen den dünnen überhängenden Ästen hindurch, mit denen er nur so kurz in Berührung kam, daß es für ein Entzünden nicht reichte. Es klappte tatsächlich, obwohl eine Andeutung von Rauch hinter dem Torpedo hochqualmte. Der Karella war es ähnlich ergangen. Sie schwebte nun etwa vierhundert Meter über dem Brand, den sie verursacht hatte. Er verlor keine Zeit mit Anschuldigungen, obgleich die Chancen gut standen, daß man an Bord nun offene Ohren für ihn hatte.
Das Feuer breitete sich nicht so schnell wie befürchtet in alle Richtungen aus. Zum Haus hin war es nur wenig fortgeschritten, während es sich entlang des Hanges hin langsam ausgebreitet hatte. Bergauf aber hatte es sich unter dem Einfluß seiner eigenen Konvektionsströmungen und der Brise, die bereits in diese Richtung geweht hatte, weit ausgebreitet und sprang rasch von Baum zu Baum. Ken sah, daß Pflanzenteile von der heißen Luftsäule hoch emporgeschleudert wurden. Manche verbrannten in der Luft, während andere hangaufwärts getrieben wurden und an anderen Stellen kleine Brände entzündeten. Ein dunkles, offenbar abgestorbenes Gewächs, das in einiger Entfernung vom Brand stand, fing unter der heißen Ausstrahlung zu rauchen an und explodierte plötzlich mit lautem Krachen. Innerhalb von fünfzehn Sekunden war es völlig abgebrannt und zerfiel in einen glühenden Kohleregen. Ken, der sich von der Aussicht, in die aufsteigenden heißen Gase zu geraten, unberührt zeigte, manövrierte sich näher zum Brand hin. Jetzt wurde wenigstens teilweise ersichtlich, warum das Feuer sich hügelab so langsam ausgebreitet hatte. Die zwei Eingeborenen, mit denen er gesprochen hatte, waren zwischen den Bäumen zu sehen. Sie besprühten alles mit dünnen Strömen einer Flüssigkeit, über deren Natur Ken nur Vermutungen anstellen konnte. Er beobachtete sie eine Weile. Dabei fiel ihm auf, daß sie die Behälter immer wieder an einem kleinen Strom dieser Flüssigkeit in der Nähe des Hauses auffüllten. Ken war dieser Flüssigkeitsstrom vorhin gar nicht aufgefallen. Er fragte sich, wo die Quelle dieser Flüssigkeit liegen mochte und entschloß sich, stromaufwärts zu fliegen und es herauszufinden.
Während er sich höhertragen ließ, fand er die Ausdehnung des Waldlandes sehr beeindruckend. Die von der Karella verursachte Katastrophe machte ihm Sorgen. Wenn diese Entzündungsreaktion sich über die ganze Gegend verbreitete, dann würde das für die Eingeborenen ernste Auswirkungen haben. Er sah nun, daß es den kleinen Strom ein Stück weiter oben übersprungen hatte. Die Flüssigkeit mußte also richtig in Kontakt mit der Vegetation sein, um die Verbrennung stoppen zu können. Flammen und Rauchentwicklung machten es unmöglich, dem Wasserlauf zu folgen. Ken ging tiefer, weil er nicht zu Unrecht der Meinung war, die Temperatur seines Panzers würde der bereits brennenden Vegetation keinen Schaden mehr zufügen können. Er trieb knapp über dem Bachbett dahin. Auch in dieser Höhe konnte man kaum etwas erkennen. Trotzdem sah er etwas… die ersten Lebewesen, von den Eingeborenen abgesehen. Ganz kleine Wesen, meist Vierbeiner. Dies konnte er sehen, wenn sie sich auf ihrer hangaufwärts führenden Flucht etwas langsamer bewegten. Ken wunderte sich, daß sie überhaupt atmen konnten. Der Rauch deutete darauf hin, daß die Luft voller Verbrennungsprodukte sein mußte und wahrscheinlich viel zu heiß für sie war. Ihm war das Phänomen relativ reiner Luft in Bodennähe vor einem Brand nicht bekannt. Auf Sarr gab es zwar Brände großen Maßstabs, aber er war kein Feuerwehrmann.
Er war den Flammen jetzt voraus, befand sich aber noch immer in rauchgeschwängerter Luft, als er die Quelle des Stromes entdeckte. Er hatte Schwierigkeiten zu erkennen, daß es der Ursprung war. Er war keine Geologe, und selbst ein Geologe unter seinen Artgenossen hätte Schwierigkeiten gehabt, den Mechanismus einer Quelle zu durchschauen. Ken vermutete einen künstlichen Hintergrund des Phänomens, wagte aber nicht, die Flüssigkeit zur näheren Untersuchung zu berühren. Er hätte Grund zur echten Sorge gehabt, wenn er geahnt hätte, daß ein Waldbrand manchmal ein lokales Gewitter verursachen kann. Aber auch das lag weit außerhalb seiner Erfahrung. Das annähernd Ähnlichste auf Sarr gab es an den Polen, wo in ganz seltenen Fällen die meteorologischen Kräfte so zusammenspielten, daß starker Druckanstieg und starker Temperaturrückgang einen leichten Niederschlag von flüssigem Schwefel bewirkten.
Ken, der sah, daß er hier im Moment nichts mehr in Erfahrung bringen konnte, ließ sich wieder in reinere Luft hochschleppen. Unten sah es aus, als hätten die Eingeborenen gewonnen. Ein schmaler Streifen geschwärzter Vegetation am Rand des Flammengebietes zeigte an, daß das Feuer in der Richtung zum Haus eingedämmt war. An den Seiten war der Fortschritt nicht so deutlich sichtbar. Der Brand hatte nun ungefähr die Umrisse eines großen Fächers, dessen Griff auf das Haus zu gerichtet war und dessen Rippen sich auf eine Breite von zweihundertfünfzig bis dreihundertfünfzig Meter gleichmäßig bergauf erstreckten. Durch die Rauchschwaden hindurch sah Ken, daß die hohen Bäume an dieser Stelle spärlicher wuchsen und kleineren Gewächsen weichen mußten, die ihrerseits nach dem hier üblichen Muster blankem Fels in der Nähe der Gipfel wichen. Ken, der von seiner Höhe aus einen guten Überblick hatte, war der Ansicht, daß der Brand sich sehr wahrscheinlich in wenigen Stunden bis zum baumlosen Gelände durchgefressen haben würde. Mit den Randbränden konnten die Eingeborenen gut ohne Hilfe fertigwerden.