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Der Gedanke an mögliche Hilfe löste einen anderen aus. Der Rauch erhob sich in einer hohen Säule, die viele Kilometer weit sichtbar sein mußte. Würden daraufhin andere Eingeborene zu Hilfe kommen, oder würde man das Gebilde für eine gewöhnliche Wolke ansehen? Kens Augen, deren Farbempfinden sich von dem menschlicher Augen unterschied, konnte den Farbton nicht deutlich unterscheiden. Die Form der Rauchsäule war aber so deutlich, daß sie Aufmerksamkeit erregen mußte. Diese Überlegung brachte ihn dazu, das Schiff zu rufen. Doch als er aufblickte, war es nirgends zu sehen. Er bewegte das Torpedo nun so schnell hin und her, daß sein Panzer daran wie ein Pendel ausschwang und er einen Blick zum Himmel direkt über ihm schicken konnte. Der schwarze Zylinder war nirgends zu sehen. Offenbar war Laj Drais Appetit auf den Planeten Drei rasch gestillt worden. Sicherheitshalber gab Ken per Funk seine Vermutung weiter, daß andere Eingeborene zu Hilfe eilen könnten, und machte sich dann wieder ans Beobachten des Feuers. In Sekundenschnelle hatte er die Existenz des Schiffes wieder vergessen.

Er hatte entdeckt, daß man im Brand selbst nicht viel sehen konnte. Daher ging er knapp vor einem Brandherd tiefer und beobachtete durch die wirbelnden Rauchschwaden hindurch, wie das Laub der Sträucher und kleinen Bäume im Feuer schrumpften, Rauch entwickelten und manchmal viele Meter von der nächsten richtigen Flamme aufflammten. Ihm fiel dabei auf, daß die dickeren Stämme sich nur entzündeten, wenn sie in Kontakt mit Flammen kamen, doch sah er auch Ausnahmen. Ihm fiel dabei der explodierende Baum ein. Er bedauerte, daß er kein Thermometer bei sich hatte, mit dem er den Entflammungspunkt der Gewächse hätte feststellen können. Zu gern hätte er gewußt, ob der Sauerstoff allein an dieser heftigen Reaktion schuld sein konnte oder ob der in der Atmosphäre so reichlich vorkommende Stickstoff vielleicht auch eine Rolle spielte. Schließlich war er mit seiner Titan-Probe eine Verbindung eingegangen. Er sah keine Möglichkeit, Proben der Verbrennungsgase zu bekommen, aber vielleicht würde man aus dem festen Rückstand etwas entnehmen können. Ken landete nun mitten im Feuer, holte das Torpedo neben sich herunter, öffnete die Ladeluke und warf ein Paar Stückchen verkohlten Holzes hinein. Dann ging er ein Stück bergab, fand graue Asche und fügte sie seiner Sammlung zu. Für den Moment war er befriedigt und erhob sich in die Luft. Dabei fragte er sich, wie viel Zeit ihm noch blieb. Die in den Flammen verbrachte Zeit verlängerte nämlich die wenigen Stunden, die er unten auf der Eiswelt bleiben konnte. Während der im Feuer verbrachten Minuten hatte er gehört, wie die Thermostaten Teile der Heizanlage seines Panzers abschalteten. Die äußeren Schichten mußten sich ordentlich erwärmt haben.

Er wollte nun versuchen festzustellen, wie lange das Feuer noch brauchen würde, bis es ausbrannte. Ken bewegte sich in einem bestimmten Abstand vor der Feuerfront her und fing an, an verschiedenen Stellen das Fortschreiten des Brandes abzustoppen. Das erwies sich als trügerisch, da die Geschwindigkeit sehr unterschiedlich war, was ihm jeder Förster hätte sagen können. Die Geschwindigkeit hing hauptsächlich vom vorhandenen Brennstoff und von der Bodenbeschaffenheit ab, die ihrerseits die das Feuer nährenden Luftströmungen beeinflußte. Und von diesen Punkten hatte Ken nicht die leiseste Ahnung. Er gab den Versuch auf, ließ sich ein Stück weiter tragen und versuchte nun einen Blick auf die Tiere zu erhaschen, die noch immer vor der schrecklichsten Bedrohung flüchteten, die ihr kleines Leben je getroffen hatte.

An dieser Stelle ertönte im Torpedo-Mikro ein Knistern, das sich vom Knistern des Feuers unterschied. Daneben war lautes Atmen zu hören, das Ken an die Geräusche erinnerte, die er nach seiner ersten Begegnung mit Roger gehört hatte. Da ihm einfiel, daß er zwei der Eingeborenen seit Ausbruch des Brandes nicht mehr gesehen hatte, wurde Ken nervös. Eine zweiminütige Suche zeigte, daß seine Besorgnis nur zu begründet war. Roger und Edith Wing, die von Rauch und Erschöpfung nach Luft schnappten und keuchten, kämpften sich blindlings durchs Gebüsch. Der Junge hatte ursprünglich die Absicht gehabt, sich quer zur Richtung des Feuers durchzuschlagen und ihm auszuweichen, unter den gegebenen Umständen das vernünftigste Vorgehen. Es waren aber mehrere Dinge zusammengekommen, die dieses Vorgehen erschwerten. Als der Rauch so dicht geworden war, daß sie kaum mehr etwas sehen konnten, waren sie in eine flache Senke getappt. Die Hangneigung zur Orientierung benutzend, hatten sie diese Senke ein paarmal umrundet, ehe sie merkten, was da passierte. Inzwischen waren die Flammen schon auf Sichtweite heran. Es blieb ihnen nichts übrig, als einfach vor ihnen davonzulaufen. Jetzt war nicht mehr auszumachen, wie breit diese Flammenfront war. Im Abstand von einigen Metern entlang der Flammen davonzulaufen, wäre der Gipfel des Wahnsinns gewesen. Die Kinder hatten versucht, sich bis zu der einen Flanke durchzuarbeiten, während sie immer einen gewissen Abstand vor den näherkommenden Flammen hielten, doch sie näherten sich rasch einem Zustand der Erschöpfung, bei dem allein dieses Abstandhalten ihren jungen Körpern alles abverlangte. Sie waren fast blind, die Tränen liefen ihnen über rußgeschwärzte Gesichter. Bei Edith war nicht allein der Rauch die Ursache der Tränen, sie weinte ungehemmt vor Müdigkeit und Angst, während der Junge sich mit aller Gewalt beherrschte.

Alles das war Ken nicht bewußt, weil ihm auch das unverzerrte menschliche Antlitz zu ungewohnt war. Dennoch war sein Mitgefühl erwacht. Wäre diese Situation nach seinem ersten Zusammentreffen mit den Eingeborenen eingetreten, so hätte er sich möglicherweise wie ein unbeteiligter Beobachter verhalten, nur um zu sehen, was die Wesen in einer Extremsituation tun würden und tun konnten. So aber, nach seinem Gespräch mit Mr. Wing und den Beweisen für Kultur und wissenschaftliches Denken, die dieser geliefert hatte, hatte der Sarrianer ein Gefühl geistiger Verwandtschaft mit den Wesen entwickelt. Es waren Menschen, keine Tiere. Zudem waren sie in diese mißliche Lage geraten, während sie für ihn tätig gewesen waren. Er wußte, daß diese beiden für ihn Proben gesammelt hatten. So zögerte er keinen Augenblick, nachdem er sie entdeckt hatte.

Er steuerte die dahinstolpernden Kinder an. Dabei benutzte er eines seiner wenigen Wörter. »Tragen!« dröhnte der Torpedolautsprecher immer wieder. Knapp vor den erschrockenen Kindern blieb er stehen, ein Stück oberhalb der Vegetation, um jeden Kontakt mit ihr zu vermeiden. Edith wollte auf ihn zu, während Roger seine Geistesgegenwart behielt.

»Nein, Edie! Du würdest auch verbrennen. Wir müssen uns von dem Ding tragen lassen, an dem er hängt, falls wir es schaffen raufzukommen.«

Ken hatte gemerkt, was die beiden wollten. Er hantierte an seinem Steueraggregat, um das Torpedoheck in ihre Reichweite zu manövrieren, während er selbst in sicherer Höhe über den Sträuchern blieb. Es hätte ihm zwar nichts ausgemacht, sie in Brand zu setzen, da sie ohnehin verdammt waren, in wenigen Minuten zu verbrennen, doch sah es ganz so aus, als hätten die zwei jungen Eingeborenen schon genug Schwierigkeiten. Da wollte er sie nicht durch zusätzliche Brandherde in ihrer Nähe erschrecken.

Das Problem war ziemlich verzwickt, da seine gepanzerten Füße knapp zwei Meter unter dem Torpedorumpf hingen, und das Gefährt automatische Einrichtungen hatte, die es in horizontaler Lage hielten, während es in einem Schwerkraftfeld schwebte. Zum Glück konnte es aber um jede beliebige Achse gedreht werden. Schwierig war dabei nur, daß Ken bisher keine Gelegenheit dazu hatte, dies auszuprobieren. Er brauchte eine Weile, bis er die dazu nötige Steuerkombination gefunden hatte. Diese Zeitspanne kam sogar ihm wie eine Stunde vor, da er sich der Rettung mit ganzem Herzen verschrieben hatte und fast so viel Angst hatte wie die Kinder selbst. Schließlich aber hing das hintere Ende des Torpedos im richtigen Abstand über der Erde.