XIX
Die Karella hatte die Erdatmosphäre zwar verlassen, war aber nicht in ihre frühere Flughöhe zurückgekehrt. Die beidseitige Kommunikationsmöglichkeit war wieder hergestellt – Ken hätte zu gern gewußt, seit wann –, und Feth steuerte nun wieder Kens Torpedo. Der Vorgang des An-Bord-Gehens war nicht komplizierter als sonst. Ken ließ die zwei ›lebendigen‹ Behälter in der Luftschleuse, nachdem er ihre Kühleinrichtung so eingeschaltet, wie es beim ersten erforderlich gewesen war. Die anderen zwei Behälter, die mit Mineralien gefüllt waren, brachte er ins Innere. Drai begrüßte ihn ziemlich säuerlich, als er sich aus seiner Metallpuppe schälte.
»Na, endlich zurück. Haben Sie etwas mitgebracht?«
Ken sah ihn mit einem Ausdruck an, der an Aufmüpfigkeit grenzte. »Sehr wenig. Dank der kleinen Ablenkung, die Sie in Gang setzten, hatten die Eingeborenen Wichtigeres zu tun, als mit mir zu reden.«
»Woher sollte ich denn wissen, daß der Schiffsrumpf eine Kettenreaktion in der örtlichen Vegetation in Gang setzen würde? Wenn das Zeug so entflammbar ist, dann müßten Brände dort an der Tagesordnung sein.«
»Ich glaube mich zu erinnern, daß ich Sie vor der Gefahr warnte. Mag sein, daß das öfter passiert. Die Eingeborenen sind darauf eingestellt, mit diesen Vorfällen fertigzuwerden.«
»Dann ist das Feuer gelöscht?«
»Nicht ganz. Es wird vermutlich noch einige Stunden dauern. Was mir mißfällt, ist Ihre Vermutung, ich wäre entweder ein Lügner oder Dummkopf. Ich sagte Ihnen, was mit dem Stückchen Vegetation passierte, das ich hochhob. Ich sagte Ihnen, wie ich mit dem Eingeborenen die Sprache lernte. Sie haben die meiste Zeit über mitgehört. Was ist denn in Sie gefahren, daß Sie in dieser Art und Weise einfach auftauchten?«
»Ich hatte meine Zweifel an dem, was Sie mir sagten.« Drai sagte dies ohne Umschweife. Er hatte wieder sicheren Boden unter sich. »Sie sagten, Sie hätten über das Thema Tafak mit den Eingeborenen nicht gesprochen, Sie sagten sogar, Sie bezweifelten, ob es derselbe Eingeborene sei, mit dem wir Handel getrieben hätten.«
»Ich sagte bloß, ich wäre nicht sicher, daß es derselbe wäre. Aber das ist unwichtig… weiter.«
»Als Sie am ersten Tag unten waren und mit ihm redeten, kam das Zeichen von der installierten Bodenstation. Es war das Zeichen, daß man zum Handeln bereit war.«
»Nun, das sehe ich eher als Beweis meiner Aufrichtigkeit. Ich war nicht in der Nähe der Bodenstation. Fragen Sie Feth. Er hat mich abgesetzt.«
»Das dachte ich auch. Aber heute lief die übliche Zeitspanne nach dem Signal ab. Ich schickte ein zweites Torpedo hinunter, während Sie Ihre Sprachlektion hatten… und es passierte gar nichts! Niemand war zur Stelle!«
»Das soll wohl heißen, daß Sie keinen Tafak bekommen haben?«
»Und daß niemand das Metall genommen hat. Wenn das Metall nämlich ohne Gegengabe verschwunden wäre, hätte ich angenommen, man wolle mich betrügen. Aber so… da konnte ich mir keinen Reim darauf machen. Ich war sicher, Sie hätten etwas ausgeplaudert, und wollte nachsehen, was Sie da unten vorhätten.«
»Lassen wir mal die Frage aus dem Spiel, wie ich denn hätte merken sollen, wann Sie zuhören und wann nicht, und wenden wir uns dem Umstand zu, daß Sie mich eher für dumm als unehrlich halten. Ich weiß gar nicht, ob mich das freut oder nicht. Ich gebe ja zu, daß mein Eingeborener Ihr Handelspartner sein könnte. Vielleicht wollte er später zum Sender gehen, nachdem er mit mir gesprochen hatte. Er wußte, daß ich nicht lange bleiben konnte. In diesem Fall haben Sie es sich selbst zu verdanken, daß er später nicht kam… er war nämlich viel zu beschäftigt. Zwei von den Jungen wurden durch die Kettenreaktion beinahe getötet. Falls er weiß, daß das Schiff und der Güteraustausch in Zusammenhang stehen, wird er über Sie nicht allzu erfreut sein. Vergessen Sie bei all dem nicht, daß wir von Planet Eins kommen.«
»Das glaube ich nicht. Er kann es nicht wissen. Das ist auch einer der Gründe, warum ich der Meinung war, Sie versuchten, Ihren Verrat zu tarnen. Woher wissen Sie, daß zwei Eingeborene durch den Brand gefährdet waren?«
»Ich habe sie gesehen. Und ich war es, der sie rettete. Ich habe sie auf dem Torpedo aus dem Feuer befördert. Dabei habe ich ziemlich viel Zeit verbracht, den Brand und seine Folgen zu studieren, denn etwas anderes gab es für mich ja nicht mehr zu tun. Ich kann es beweisen… dank einiger Proben von Pflanzenresten, die uns weitere Aufschlüsse über den Planeten geben können.«
Drai beäugte ihn schweigend. »Na, überzeugt bin ich noch immer nicht«, sagte er schließlich. »Und Sie tun gut daran, mich zu überzeugen, ehe die nächste Periode des Drogenhungers kommt. Wenn der Handel nicht mehr läuft, dann werde ich mir die Verteilung von Proben sehr gut überlegen.«
Feth, der sich im Hintergrund hielt, entfuhr ein Laut, der mit einem enttäuschten Aufstöhnen vergleichbar war. Ken konnte selbst nicht verhindern, daß man ihm momentan so etwas wie Angst vom Gesicht ablesen konnte. Er hatte eine kurze Periode Tafak-Hungers erlebt und schreckte vor einer ausgedehnteren zurück.
Drai nickte, als er die Wirkung seiner Worte sah. »Ja. Mein Vorrat ist nicht sehr groß, und wenn kein Nachschub mehr kommen sollte, dann werde ich etwas dafür verlangen. Was Sie mir eben berichteten, hat mich auf eine Idee gebracht. Wenn Ihre Geschichte von der Rettung zweier Einheimischer vor dem Tod durch Überhitzung stimmt, dann gehen Sie wieder runter und nützen Sie die Dankbarkeit aus. Sie können ja so tun, als ob Sie das Tafak eintauschen möchten. Sicher wird man dem Helden, der zwei Wesen vor dem sicheren Tod bewahrte, entgegenkommen wollen. Besonders wenn er ihnen zu verstehen gibt, daß ihm eine qualvolle Zeit bevorsteht, falls man nicht auf seinen Vorschlag eingeht. Sie machen sich sofort auf den Weg. Ihr Panzer hat sich inzwischen wieder gut erwärmt. Das andere Torpedo haben wir noch nicht hereingezogen. Sobald Sie unten von der Bodenstation erfaßt werden, schicken wir es Ihnen mit dem Metall nach, und dann können Sie feilschen nach Herzenslust.« Seine Miene drückte unverhüllt Verachtung aus.
»Die Tatsache, daß meine Sprachkenntnisse bestenfalls bruchstückhaft sind, macht Ihnen keine Sorgen?«
»Nein. Ich glaube nämlich, Sie können mehr, als Sie zugeben.«
»Und der Umstand, daß sich im Moment viele andere Eingeborene an der Brandstelle aufhalten? Ich versteckte mich zwischen den Bäumen, als sie eintrafen, aber das wird sich schwer machen lassen, wenn ich gleichzeitig handeln soll. Möchten Sie, daß ich ganz offen auf der Szene erscheine? Eine Zeitlang werden sie noch mit dem Brand zu kämpfen haben, dann aber werden sie Metall haben wollen.« Er machte eine Pause. »Ich sehe nicht ein, warum nicht jeder von ihnen derjenige sein könnte, mit dem Sie Geschäfte machten. Aber Sie haben sicher nichts dagegen, mit den anderen auch ins Geschäft zu kommen…« Da unterbrach Drai ihn. »Sie können noch warten.«
»Ach was, sicher braucht man nur einige Torpedoladungen Metall, um sie alle zufriedenzustellen.«
»Ich sagte, Sie können warten.« Drai mußte Ken dessen Befriedigung angesehen haben, denn er setzte hinzu: »Ich habe noch eine andere Idee. Die Karella wird mit Ihnen runtergehen und Sie beobachten und abhören. Und wenn der Eingeborene sich sträubt, dann könnten wir ein zweites Feuer ins Gespräch bringen.«
»Wollen Sie, daß die Eingeborenen sich das Raumschiff genau ansehen können? Das Auge des Gesetzes kümmert Sie wohl nicht?«
»Das sollten Sie am besten wissen. Außerdem haben die es ohnehin schon gesehen. Wir warten ab, eine Weile wenigstens. Ich glaube, wir werden in einem gewissen Abstand vom Brand landen und uns erst zeigen, wenn das Feuer erloschen ist. Auf diese Weise«, seine beiden Augen fixierten Ken, »werden wir mit Sicherheit wissen, wer jeweils spricht und wie lange.« Damit drehte er sich um, stieß sich von einer passenden Wand ab und glitt hinaus auf den Gang. Feth sah ihm mit einem besorgten Auge nach.